17.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 8

Jörg CézanneDIE LINKE - Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt schon ein bisschen schwer, aber zum dritten Mal die gleichen Argumente und die entscheidenden Fakten: Wer in Deutschland lebt und arbeitet, Steuern und Sozialabgaben zahlt, hat Anspruch auf Kindergeld.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt auch für Beschäftigte mit ausländischen Pässen, egal ob sie aus Belgien oder Bulgarien kommen. Mit Sozialtourismus hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gilt – und diesen Einschub will ich mir jetzt doch erlauben – im Übrigen nicht für Menschen, die Hartz IV beziehen, egal welche Staatsangehörigkeit sie haben.

Wenn es beim Kindergeld überhaupt ein Thema gäbe, über das in diesem Hause dringend geredet und bei dem auch endlich mal gehandelt werden müsste, dann das, dass die Ärmsten und Bedürftigsten, die bisher von dieser Leistung ausgeschlossen sind, endlich in den Genuss der Leistung kommen. So könnte Kinderarmut wenigstens ein bisschen stärker bekämpft werden. Das wäre doch mal was. Darum könnte sich die AfD verdient machen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Kindergeld erhalten in Deutschland lebende erwerbstätige Eltern für ihre Kinder, unabhängig davon, wo diese wohnen. Deshalb fließt ein sehr geringer Teil – die Zahl ist schon genannt worden: etwas mehr als 1 Prozent – ins Ausland; das heißt, es fließt auf ausländische Konten. Ob die Kinder tatsächlich im Ausland leben,

(Markus Herbrand [FDP]: Das weiß man gar nicht!)

ist übrigens völlig unerheblich. Also stimmt auch die Rechnung, die Sie hier vortragen, gar nicht. Es kann genauso gut sein, dass die Kinder hier in Deutschland leben und die Eltern einfach nur das alte Konto benutzen.

Die Zahl der Berechtigten hat in den letzten Jahren zugenommen. Das liegt nicht daran, dass so viel betrogen wird, sondern das liegt daran, dass die Zahl ausländischer Beschäftigter in Deutschland zugenommen hat, und zwar in vergleichbarem Umfang wie die Kindergeldzahlungen ins Ausland.

Umgekehrt gilt der Kindergeldanspruch genauso. Menschen mit deutschem Pass, die im Ausland leben und arbeiten, erhalten dort Kindergeld oder vergleichbare Leistungen nach den jeweiligen nationalen Regeln. Auch das ist kein Problem.

(Jürgen Braun [AfD]: Alles super! Alles super!)

Auch deutsche Staatsangehörige erhalten für ihre im Ausland lebenden Kinder Kindergeld. Die deutschen Kinder, die davon profitieren – das ist auch schon angesprochen worden –, sind nach den in Polen lebenden Kindern im Übrigen die größte Gruppe. Dass Sie für Menschen mit deutschem Pass ein anderes Recht anwenden wollen als für diejenigen mit anderen Pässen, das widerspricht nun wirklich jedem Rechtsempfinden und jeder Gleichheit vor dem Gesetz. Das ist völlig hirnrissig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch das Argument der EU-Kommission, dass derjenige, der in ein nationales Sozialversicherungssystem einzahlt, auch die gleichen Leistungen wie alle übrigen Einzahlerinnen und Einzahler erhalten soll, ist völlig überzeugend. Auf das europäische Recht ist schon hingewiesen worden.

Meine Damen und Herren, womit es wirklich Probleme gibt – darüber lohnt es sich kurz zu reden –, sind Fälle von organisiertem Betrug. Dies berichten Bürgermeister einiger Städte, vor allem im Ruhrgebiet. Das konzentriert sich offensichtlich auf 10 bis 15 Städte, in denen das gehäuft vorkommt. Bei Betrug – so ist das in einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung – schreitet nicht der Gesetzgeber ein, da rückt nicht der Deutsche Bundestag aus und ändert die Gesetze, sondern bei Betrug ist die Polizei zuständig. Die ermittelt, verfolgt die Betrüger und führt sie der Justiz zu. Statt mit einer Gesetzesänderung wäre den betroffenen Städten daher vor allen Dingen geholfen, wenn mehr und qualifizierte Ermittler zum Einsatz kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Gesetzesänderung ist also eine völlig unsinnige Reaktion auf eine begrenzte Zahl von Betrugsfällen. Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7317822
Wahlperiode 19
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen
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