17.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 13

Frank JungeSPD - Rechtssicherheit für Unternehmen bei Ausfuhrstopps

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Guten Morgen, AfD-Fraktion! Ich finde es bemerkenswert, dass Sie in dieser für die Wolgaster Peene-Werker und ihre Familien so wichtigen Angelegenheit heute endlich aufgewacht sind. Ihr Antrag vermittelt das zumindest.

(Enrico Komning [AfD]: Wir tun wenigstens etwas!)

– Moment! – Während ehrlich meinende Politiker seit vielen Monaten schon an einer wirklichen Lösung für die 300 Beschäftigten der Lürssen-Werft und die gesamte Region arbeiten, präsentieren Sie uns heute diesen Antrag. Er ist nicht nur fehlerhaft – das kam ja schon zur Sprache –, er ist zudem durchzogen von einem grundsätzlich falschen Verständnis von klar geregelter Aufgabenverteilung und Zuständigkeiten zwischen Bundestag und Bundesregierung. Ich komme darauf noch zu sprechen. Vor allem aber – auch das will ich von Anfang an unterstreichen – dient dieser Antrag einem einzigen Zweck: Der Öffentlichkeit vorzugaukeln, Sie würden sich um die Frauen und Männer der Peene-Werft kümmern, die nach dem Ausfuhrstopp in der Tat ein Problem haben und sich um ihre Zukunft sorgen. Das tun Sie bei weitem nicht.

(Beifall bei der SPD)

Sie nutzen deren Situation lediglich aus, um auf dem Rücken der Beschäftigten billigen Populismus zu betreiben.

(Enrico Komning [AfD]: Das ist doch Unsinn!)

Ich will gerne begründen, warum ich das so sehe:

Erstens. Mit der Zuspitzung der Lage für die Peene-­Werker und nach den Vorfällen um den Journalisten Khashoggi und der dann getroffenen Entscheidung des Bundessicherheitsrates, die Frau Merkel am Ende mit federführend getroffen hat,

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Die gemeinsame Bundesregierung!)

den Export weiterer fertiggestellter Schiffe zu stoppen, haben sich zuallererst Frau Ministerpräsident Manuela Schwesig und ihr Parlamentarischer Staatssekretär Patrick Dahlemann sofort eingeschaltet

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ach!)

und vor Ort vermittelt, dass sie nicht nur für Gespräche mit der Belegschaft, dem Betriebsrat und der IG‑Metall Küste zur Verfügung stehen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Dann reden sie mal mit Ihrer Fraktion! Sie sollten mal Ihre Fraktion besuchen!)

Vielmehr haben sie gleichzeitig auch versucht, zusammen mit der rot-schwarzen Landesregierung, zusammen mit Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU nach Lösungen zu suchen,

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Soll Frau Schwesig mal Ihre Fraktion besuchen!)

wie mit der Situation umgegangen wird und wie Lösungen gefunden werden. Dabei ging es vor allen Dingen auch darum, zusammen mit der Lürssen-Gruppe andere Abnehmer für die Schiffe zu finden, nicht nur für die, die fertig sind, sondern auch für die, die noch in den Auftragsbüchern stehen.

(Beifall bei der SPD – Enrico Komning [AfD]: Sie suchen und prüfen immer nur ohne Ergebnis! Suchen Sie weiter!)

Vor dem Hintergrund will ich an dieser Stelle einfügen, dass ich ganz klar der Auffassung bin – dabei denke ich nicht nur an die Werft in Wolgast –, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, ob wir den Überwasserschiffbau der Marine zur Schlüsseltechnologie erklären,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

um damit sicherzustellen, dass wir hier zukünftig viel stärker als bisher unsere eigenen hervorragenden Kompetenzen und Kapazitäten nutzen können.

Zurück zum konkreten Fall der Peene-Werft. Hier müssen mögliche Lösungen – das kam schon zum Ausdruck – ausschreibungssicher, vergabe- und haushaltsrechtlich korrekt und sauber sein. Vor diesem Hintergrund ist jedem klar, dass es in dieser Situation Zeit braucht, etwas Tragbares auf die Beine zu stellen.

(Enrico Komning [AfD]: Dann ist alles tot in der Region! Wie lange wollen Sie denn warten?)

Das, Herr Komning, ändert allerdings nichts daran, dass verantwortliche Politik längst auf den Beinen ist und nach Lösungen sucht.

(Marc Bernhard [AfD]: Wenn da alles dicht ist, braucht man nicht mehr gucken!)

Zudem – das will ich auch sagen – hat die Landesregierung mit der Bundesagentur für Arbeit dafür gesorgt, dass über ein Ausbildungs- und Weiterqualifizierungsinstrument ein 10‑prozentiger Zuschuss zum Kurzarbeitergeld dazugegeben wird, um den Lohnausfall aufzufangen. Ich finde, das ist etwas, das an dieser Stelle durchaus Erwähnung verdient.

(Beifall bei der SPD)

Während also verantwortungsbewusste Politiker schon lange Weichen stellen, Herr Komning, und handeln, war von Ihnen und von der AfD vor Ort überhaupt nichts wahrzunehmen. Wenn Ihre Landespartei und die AfD-Landtagsfraktion sozusagen vorziehen, an dieser Stelle überhaupt nichts zu tun, dann deckt sich das nach meinem Kenntnisstand mit dem, was Sie als Abgeordneter für die Region und was Herr Leif-Erik Holm als Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern für die Peene-Werft da vor Ort getan haben. In einer Zeit, in der 300 Beschäftigte Existenzangst haben, in der Wolgast vor der Situation steht, dass ein Viertel seiner Haushaltseinnahmen wegzubrechen droht, und die Region vor dem möglichen Verlust von circa 2 000 Arbeitsplätzen steht, haben Sie vorgezogen, die Hände in den Schoss zu legen und untätig zu sein. Deshalb frage ich Sie, wie Sie dazu kommen, mit diesem Antrag hier heute zu vermitteln, Sie wären der große Kümmerer und würden sich für die Beschäftigten der Peene-Werft einsetzen.

(Beifall bei der SPD – Enrico Komning [AfD]: Wo ist Ihr Antrag? – Marc Bernhard [AfD]: Sie machen ja nichts! Nur reden! Sie sollen Lösungen finden!)

Ich sage Ihnen, das hat damit überhaupt nichts zu tun.

Zweitens. Sie sprechen im Antrag von Rechtssicherheit für Unternehmen und fordern als Lösung des Problems – ich lese es vor –, dass die Bundesregierung die fertigen und die noch nicht gebauten Patrouillenboote übernehmen und in die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Käufers eintreten soll. Dann könne die Bundesregierung diese Boote vermarkten und an vier nordafrikanische Staaten vermitteln. Wie absurd ist das denn? Neben der Tatsache, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, als Verkaufsagentur für Rüstungsgüter aufzutreten, offenbaren Sie nach meinem Dafürhalten damit totale Unkenntnis des öffentlichen Beschaffungswesens. Für eine solche Vorgehensweise gibt es weder vergaberechtliche noch haushalterische Möglichkeiten, Gesichtspunkte, Ansatzpunkte, an die man andocken könnte. Es fehlt faktisch jede Grundlage, so vorzugehen. Somit ist das, was Sie da propagieren, eine Mogelpackung und lässt sich einfach nicht umsetzen.

(Beifall bei der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Unsinn ist es einfach!)

Ähnlich verhält es sich, wenn Sie in Ihrem Antrag davon ausgehen, dass der Bundestag der Bundesregierung sozusagen per Beschluss vorschreiben kann, welche Rüstungsgüter wohin geliefert werden sollen. Diese Herangehensweise ist weder durch die Geschäftsordnung noch durch das Grundgesetz gedeckt; auch das sollten Sie eigentlich wissen. Danach ist nämlich klar geregelt und im Übrigen auch bundesverfassungsgerichtlich gestärkt, dass die Bewertungs-, Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse bei Rüstungsexporten zum Kernbereich und zur Eigenverantwortung der Bundesregierung gehören. Auch das lässt sich nicht eben so mit einem Antrag Ihrer Art vom Tisch wischen und außer Kraft setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Führt man sich all das vor Augen, dann wird nach meinem Dafürhalten klar, wie unehrlich dieser Antrag ist und was die AfD an dieser Stelle in Wirklichkeit möchte. Das, was Sie hier als vermeintliche Lösung für die Lürssen-Werft und ihre Beschäftigten in den Raum stellen, entpuppt sich bei näheren Hinsehen als Luftnummer. Das ist vor allem deshalb schäbig, weil Sie sozusagen mit den Sorgen der Peene-Werker spielen, um eigenes politisches Kapital daraus zu ziehen. Darum gehört dieser Antrag abgelehnt und in die Tonne.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frank Junge. – Nächster Redner: Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7317901
Wahlperiode 19
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Rechtssicherheit für Unternehmen bei Ausfuhrstopps
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