Uli GrötschSPD - Vorgehen gegen Linksextremismus
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas irritierend ist es schon, dass die AfD gerade in dieser Woche einen Antrag in den Deutschen Bundestag einbringt, mit dem sie vorgibt, die Demokratie schützen zu wollen. Warum das nicht nur vom Zeitpunkt her schräg ist, sondern warum dieser Antrag zum Schutz der Demokratie genauso ungeeignet ist wie die ganze Partei oder Fraktion zum Schutz der Demokratie, will ich Ihnen aber gern kurz darstellen.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Es wird immer besser!)
Denen den Schutz unserer Demokratie zu überlassen, die dieses Land so, wie es ist, und das friedliche Zusammenleben in unserem Land ablehnen, wäre so, als würde man einem Einbrecher den Schlüssel zu seiner Wohnung überlassen.
(Hansjörg Müller [AfD]: Stuss!)
Ich sage Ihnen: Sie können uns, einer Partei, die von Kommunisten genauso verfolgt wurde wie von Rechtsextremisten, ganz bestimmt nichts über Extremismusprävention erzählen, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD.
(Beifall bei der SPD)
Eines will ich auch klarstellen – hören auch Sie gerne zu, Herr Strasser –: Es war diese Koalition und es waren SPD-Familienministerinnen, die die Mittel im Kampf gegen politischen Extremismus seit 2013 Jahr für Jahr aufgestockt haben.
(Beifall bei der SPD – Benjamin Strasser [FDP]: Sie haben doch die Extremismusklausel abgeschafft! Das waren doch Sie!)
Die Mittel im Kampf gegen den politischen Extremismus sind heute so hoch,
(Jürgen Braun [AfD]: Sie bezahlen Extremismus!)
wie sie es in der Geschichte des Landes noch nie waren. Merken Sie sich das! Vielleicht haben Sie sich in der Vorbereitung auf Ihre Rede auch verlesen.
Natürlich – das ist völlig unstrittig – ist jede Form des Extremismus zu verurteilen.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie sind für Extremismus und nicht gegen Extremismus!)
Aber ich sage schon seit vielen Jahren und sage es Ihnen gerne heute noch einmal: Ein Vergleich von Linksextremismus und Rechtsextremismus verbietet sich gerade in unserem Land.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Sie sind ein Verfassungsfeind!)
Es gibt in Deutschland drastisch viel mehr gewaltorientierte Rechtsextreme als Linksextreme.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie sind ein Verfassungsfeind, nichts anderes! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gut zuhören jetzt!)
Wir hatten im Jahr 2017 trotz der hohen Zahlen durch den G‑20-Gipfel in Hamburg dreimal mehr Straftaten, die politisch rechtsextrem motiviert waren, als linksextrem motivierte.
(Jürgen Braun [AfD]: Der linksradikale Kreis der SPD spricht gerade hier!)
Natürlich ist jeder Tote einer zu viel. Natürlich ist jede Straftat eine zu viel. Aber ich nenne Ihnen gerne einmal die Zahlen: Seit 1990 hat der Linksextremismus tragischerweise vier Menschenleben gekostet. Im gleichen Zeitraum hat der Rechtsextremismus 194 Menschenleben gekostet, sehr geehrte Damen und Herren. Das ist ein Punkt, der hier Erwähnung finden sollte.
Wenn wir über Zahlen und die Entwicklung von Zahlen reden, wird 2016 sogar noch deutlicher, wo die Probleme des politischen Extremismus in unserem Land liegen. 2016 hatten wir nämlich viermal so viele Straftaten, die mit rechtsextremistischem Hintergrund begangen wurden, wie wir Straftaten hatten, die linksextremistisch motiviert waren.
(Jürgen Braun [AfD]: Afghanen, die den Hitlergruß zeigen!)
Ihr Vergleich ist vor allem deshalb brandgefährlich, weil er schwerste Verbrechen relativiert, die Rechtsextreme in diesem Land verübt haben, Stichwort „Nationalsozialistischer Untergrund“. Ich denke auch, ganz aktuell, an die NSU-Opferanwältin Seda Basay-Yildiz, die Drohbriefe von einem sogenannten NSU 2.0 erhalten hat, in den offenbar sogar Polizeibeamte verstrickt sind. Das sind die Probleme, mit denen wir uns im Zusammenhang mit dem politischen Extremismus zuallererst befassen müssen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Um es klar zu sagen: Die wahre Gefahr in unserem Land kommt immer noch von rechts. Deshalb darf Linksextremismus niemals mit Rechtsextremismus auf eine Stufe gestellt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was?)
Es ist schon immer schändlich – es ist auch am heutigen Tage schändlich –, den Versuch zu unternehmen, den Scheinwerfer von rechts nach links zu drehen, weil so rechts die Dunkelheit entsteht, die wohl den Begriff „Dunkeldeutschland“ vor ein paar Jahren geprägt hat. Wir werden weiterhin unser Augenmerk auf den Rechtsextremismus richten, auch wenn es Sie womöglich schmerzt.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Was sind das für billige Plattitüden, die Sie da von sich geben! Das ist doch peinlich!)
Um es ganz deutlich zu sagen: Nichts rechtfertigt Gewalt gegen Politiker. Auch ich wünsche Ihrem Kollegen baldige Genesung und verurteile den Angriff.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wie verzweifelt müssen Sie sein, dass Sie Angriffe auf Kollegen Ihrer Fraktion ausschmücken müssen? Von wegen „mit Kantholz geschlagen“, von wegen „am Boden noch nachgetreten“! Wir haben das Video doch alle gesehen. Sie haben bewusst gelogen, weil Sie als Opfer linker Gewalt dastehen wollten.
(Dr. Helge Braun [CDU/CSU]: Lenken Sie nicht ab von der linksextremen Gewalt!)
Das ist doch der Antrieb, der dahintersteckt. Die Märtyrerkrone verdienen Sie ganz bestimmt nicht. Was da getan wurde, ist einfach nur schändlich.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Unverschämtheit! – Jürgen Braun [AfD]: Das ist Heuchelei!)
Aber ich kann Sie beruhigen, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD. Auch den Linksextremismus haben unsere Sicherheitsbehörden auf dem Schirm. Ich erinnere an das rigorose Vorgehen gegen die Randalierer beim G‑20-Gipfel in Hamburg und an die hohen Strafen der Gerichte, die folgten. Was Sie mit „verstärktem Vorgehen“ in Ihrem vorliegenden Antrag konkret meinen, lassen Sie im Ungewissen. Sie sind eben nur kurz darauf eingegangen, Herr Hess. Hoffentlich meinen Sie nicht so etwas wie den Einsatz vom November 2018 in der Rigaer Straße in Berlin, wo die Polizei mit 560 Mann, mit einem Hubschrauber und Spezialkräften nach 4 Tatverdächtigen gesucht hat. Wenn Sie das mit entschlossenem Handeln meinen, dann sollten Sie dringend noch einmal in sich gehen.
Aber darum geht es Ihnen gar nicht. Es geht Ihnen nicht darum, gegen Demokratiefeinde vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen; denn Sie lehnen unser Land, so wie es ist – das haben Sie zuletzt auf Ihrem Europaparteitag wieder deutlich gemacht –, einfach ab. Sie selbst sind die Feinde der Demokratie.
Herr Kollege, der Kollege Hess würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Es gibt in Ihrer Fraktion nur einen, von dem ich eine Zwischenfrage zulasse. Sie sind es nicht, Herr Hess. – Ich lasse die Frage nicht zu, Herr Präsident.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Können wir mal wissen, wer das ist? – Jürgen Braun [AfD]: Die SPD missachtet die Regeln des Parlaments, niemand sonst!)
Ich komme zum Schluss. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie derzeit sehr nervös sind – das hat man auch im Innenausschuss in dieser Woche gesehen –, weil Sie das Bundesamt für Verfassungsschutz als Prüffall einstuft.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ach, hören Sie doch auf! – Jürgen Braun [AfD]: Sie sind unkollegial und linksradikal, Herr Grötsch! Nichts weiter! – Hansjörg Müller [AfD]: Gucken Sie doch mal in den Spiegel!)
– Bleiben Sie ruhig! – Auf über 440 Seiten hat das BfV mit den Landesverfassungsschutzämtern Material zusammengetragen, das verfassungsfeindliche Tendenzen belegt. Wir haben jetzt schwarz auf weiß, dass Sie die Feinde der Demokratie sind. Seien Sie sich sicher: In der nächsten Zeit kommt es bei Ihnen auf jedes Wort an, das Sie sagen oder schreiben. Wir sind wachsam, seien Sie sich dessen gewahr. Und: Wir sind mehr!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. André Hahn, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7318003 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Vorgehen gegen Linksextremismus |