Frank SittaFDP - Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind heute Zeugen eines außerordentlich bemerkenswerten Vorgangs. Acht Wochen nach der Entscheidung zu den Regeln der 5G-Frequenzvergabe fordern die Koalitionsfraktionen die eigene Regierung auf, endlich ein Gesamtkonzept für den Mobilfunkausbau zu entwickeln. Ich frage Sie, liebe Koalitionsfraktionen: Ist das ernst gemeint? Was hat die Bundesregierung denn Ihrer Meinung nach in den letzten Monaten gemacht?
Seit Wochen hören wir von Vertretern der Regierungskoalition eine Eingriffsfantasie nach der anderen in das unabhängige Verfahren der Bundesnetzagentur. Ihr Antrag dokumentiert jetzt vorbildlich, dass es bisher keinerlei Gesamtkonzept für den Mobilfunkausbau zu geben scheint. Sollte es noch eines Beweises für das Totalversagen der Digitalpolitik der Großen Koalition bedurft haben, dann liefert ihn dieser Antrag überaus eindrucksvoll.
(Beifall bei der FDP)
Sie versuchen mit diesem achtseitigen Antrag, der ganz unverdächtig im grünen Mantel zur Grünen Woche daherkommt, jetzt holterdiepolter auch die Mobilfunkversorgung im ländlichen Raum sicherzustellen, die Ihnen in der Vergangenheit scheinbar recht wenig bedeutet hat. Dass Sie dabei ganz nebenbei in das unabhängige Vergabeverfahren eingreifen, kümmert Sie nicht. So wichtig das Ziel auch ist: Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel.
(Beifall bei der FDP)
Sie gefährden auf diese Art und Weise die Rechtssicherheit des Verfahrens noch weiter. Neun Klagen wurden schon eingereicht. Aber wenn Sie so weitermachen, dann schaffen Sie es auch noch, die Unternehmen zum vollständigen Rückzug aus der Versteigerung zu treiben, und würden somit jegliche Aussichten auf einen 5G-Leitmarkt in Deutschland endgültig begraben.
Das hier geforderte verpflichtende lokale Roaming mag ja charmant in den Ohren der Planwirtschaftler klingen, dreht aber an den völlig falschen Stellschrauben. Durch verpflichtendes lokales Roaming werden die Mobilfunkbetreiber teilweise enteignet, sie müssen anderen Anbietern Zugang zu ihrer Infrastruktur gewähren. Mit dieser Maßnahme, meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen Sie jeglichen Anreiz zum Ausbau der digitalen Infrastruktur.
(Beifall bei der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch völliger Quatsch!)
Außerdem soll nun eine staatliche Infrastrukturgesellschaft gegründet werden, also quasi eine staatliche Baufirma. Wie gut der Staat allerdings mit Bauprojekten zurechtkommt, das wissen nicht nur die Berliner und Hamburger aus leidlicher Erfahrung.
(Zuruf von der AfD: Stuttgart!)
Es ist schon einigermaßen unfassbar, dass die selbsternannten Helden der Marktwirtschaft aus der Union so etwas tatsächlich befürworten. Wie gut, dass Ludwig Erhard dies nicht mehr mit ansehen muss!
Als Serviceopposition haben wir schon im Herbst ein Gesamtkonzept ausgearbeitet; denn es muss Schluss sein mit dieser digitalen Stückwerkpolitik. Es macht wenig Sinn, Mobilfunk und Breitbandausbau getrennt voneinander zu betrachten. Unser Antrag „Smart Farming“ hilft Ihnen hier gern. Wir brauchen Gigabit-Gutscheine für KMUs und Landwirtschaftsbetriebe, die nachfrageorientiert den Ausbau beschleunigen. Wir regen an, frühzeitig die Lizenzen der 4G-Frequenzen unter harten Ausbauauflagen zu verlängern. So stellen wir gleichzeitig Versorgungssicherheit und Wettbewerb im Mobilfunk sicher.
Deutschland muss moderner werden, und das in allen Wirtschafts- und Gesellschafsbereichen. Wir brauchen hierfür eine kluge Digitalstrategie. Die Freien Demokraten nennen dieses digitale Deutschland „Smart Germany“. Und im Gegensatz zur Flickschusterei der Koalition gelten hier übergreifende Leitlinien, die die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in Einklang bringen. Es ist damit also das glatte Gegenteil Ihrer konzeptlosen Panik, die mich an das Beispiel mit dem Huhn in Lebensgefahr aus der Verhaltensforschung erinnert, das, statt sich in Sicherheit zu bringen, anfängt, nach Körnern zu picken, die es gar nicht gibt.
(Heiterkeit bei der FDP)
Ich komme zum Schluss. Eines fällt erneut auf: Die Sozialdemokratisierung der Union schreitet voran. Nach politisch festgelegtem Mindestlohn und der wahltaktischen Senkung des Rentenalters folgen jetzt eine staatliche Infrastrukturgesellschaft und die Enteignung der Investitionen der Betreiber von Mobilfunkmasten. Was das alles noch mit sozialer Marktwirtschaft zu tun hat, das müssen glücklicherweise Sie Ihren Wählern erklären.
Danke schön.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke,
(Beifall bei der LINKEN)
welche sich entschlossen hat, an ihrem heutigen Geburtstag, zu dem ich ihr herzlich gratuliere, hier an der Debatte teilzunehmen.
(Beifall)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7318243 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land |