18.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 75 / Zusatzpunkt 12

Susanne MittagSPD - Kontrolle der Einhaltung von Tierschutzrecht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Morgen werden wieder Zehntausend Menschen auf den Straßen Berlins erwartet. Unter dem Motto „Wir haben es satt!“ demonstrieren sie gegen die Folgen der Intensivtierhaltung. Sie demonstrieren nachvollziehbar gegen ein ungerechtes Fördersystem aus Brüssel, das Tier- und Umweltschutz kaum berücksichtigt, obwohl es in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Sie demonstrieren gegen ein Festhalten am Gestern, obwohl viele Menschen, insbesondere viele junge Landwirte, schon längst in der Zukunft sind. Aber sie demonstrieren auch gegen einen Staat, der nicht gesetzesmäßige Tierhaltung und sich daraus ergebende Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht angemessen kontrolliert und bestraft.

Es ist die eine Sache, über gesetzliche Standards in der Tierhaltung zu diskutieren. Die andere Sache ist – darüber wird aber nicht diskutiert, das muss es aber offenbar –, dass diese Gesetze auch eingehalten und durchgesetzt werden. Ja, das ist ein Durchsetzungsproblem. Die Mängel in diesem Bereich sind aber sehr unterschiedlich gelagert, je nach Tierhaltungszahlen in den verschiedenen Bundesländern. Ein Beispiel: 2017 wurden in Niedersachsen 877 schweinehaltende Betriebe kontrolliert; Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor. Bei 297 Betrieben wurden Mängel und Verstöße gegen das Tierschutzrecht gefunden. Es wird also kontrolliert. Bei jedem dritten Betrieb wurden folglich Mängel festgestellt: nicht immer große, eine ganze Bandbreite, mal mehr, mal weniger. Aber gerechtigkeitshalber: Auch in Bayern wurden in jedem dritten schweinehaltenden Betrieb Mängel festgestellt. Dass natürlich Länder wie Bremen und Berlin geringere Zahlen aufweisen, ist nachvollziehbar. Betroffen sind aber nicht nur Tierhaltungsbetriebe, sondern auch Tiertransporte und Schlachtung. Es werden also andauernd Mängel festgestellt. Das hat wenig damit zu tun, ob es sich um große oder kleine Betriebe handelt.

Die FDP fordert im vorliegenden Antrag, verbindliche Kontrollintervalle für alle Tierhaltungsbetriebe einzuführen. Alle drei Jahre soll der Betrieb in Augenschein genommen werden und nicht im Schnitt alle 20 Jahre. Das ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings weiß auch die FDP, dass diese Forderung ganz gepflegt an der Realität vorbeiführt. Sie sind doch auch gelegentlich vor Ort. Es gibt vielfältige Ursachen für diesen Zustand. Es liegt nicht daran, dass die Veterinäre nicht kontrollieren wollen – meistens jedenfalls –, sondern es herrscht schon länger ein Nachwuchsproblem, auch bei Tierärzten im Nutztierbereich. Es gibt zwar immer mehr junge Veterinäre und Veterinärinnen, aber die spezialisieren sich nicht mehr auf Rind und Schwein, sondern auf Hund und Katze. Der ohnehin schon schwierige Vollzug des Tierschutzrechts wird also noch kniffliger. Mal bekommen auch Veterinäre keine Rückendeckung durch vorgesetzte Behördenleiter – das gibt es auch –, mal werden Stellen nicht besetzt. Auch in diesen Bereichen nehmen die Übergriffe auf die kontrollierenden Veterinäre zu; also ist es nicht unbedingt beliebt. Kommunen müssen also mehr Geld in Stellen investieren, damit mehr kontrolliert werden kann.

Um unabhängiges Handeln zu gewährleisten, wie auch in anderen staatlichen Kontrollbereichen, ist – das finden wir von der SPD – ein Rotationsprinzip erforderlich. Richtig ist, dass im Rahmen einer Bund-Länder-Vereinbarung die Verbesserungen abgestimmt werden können und auch werden. Wenn wir hier mehr Stellen beschließen, dann muss der Bund sie auch bezahlen. Das weiß auch die FDP. Das nennt man Konnexität.

Interessant ist doch, dass ausgerechnet die FDP eine Dauerfinanzierung vom Bund von bis zu 140 Millionen Euro jährlich vorschlägt, obwohl ich den Eindruck habe, dass Sie doch eher den Rückzug staatlichen Handelns besonders im Wirtschaftsbereich präferieren und gerne auf Eigenkontrolle setzen. Dann würde mich einmal interessieren, wo Sie das Geld abziehen; denn wenn ich einen Finanzierungsvorschlag mache, dann kann ich auch wissen, wie ich das Geld investiere. Nur so ist es glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD – Frank Sitta [FDP]: 19 Milliarden Euro im Haushalt eingespart! Wir haben das Doppelte eingespart! – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Guckt doch einmal auf die Zahlen!)

Ganz entspannt: Neben den Kontrollen spielt aber auch die Durchsetzung von Gesetzen und eine einigermaßen beeindruckende Sanktionierung bei Gesetzesverstößen eine große Rolle. Ähnlich wie bei Kontrollbehörden sind auch Gerichte und Staatsanwaltschaften gelegentlich mit diesem Thema überfordert,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Sehr richtig!)

sei es aufgrund von Personalmangel oder weil die nötige Expertise fehlt. Weil das Agrar- und Tierschutzrecht über die Jahre immer komplizierter geworden ist, steht am Ende oftmals die Einstellung des Verfahrens und hat sich für das Tierwohl nichts verbessert.

Das bundeseigene Thünen-Institut hat bereits 2015 Vorschläge vorgelegt, wie die Zusammenarbeit von Veterinärämtern und Justiz gestaltet werden kann. Es ist auch für Veterinäre wichtig, dass ihr Handeln positive und nachhaltige Folgen hat; denn es soll sich ja auch für sie etwas verbessern. Ob das Landwirtschaftsministerium diese Studie zur Kenntnis genommen hat, kann ich nicht sagen, aber dort wird aufgeschlüsselt, wie die Arbeit verbessert werden sollte. So müssen vermehrt Schwerpunktstaatsanwaltschaften geschaffen werden –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ein Vorbild kann Oldenburg sein, da gibt es nämlich schon eine –, die sich gezielt mit Tierschutzstraffällen auseinandersetzen. Das ist für das eine oder andere Verfahren immer sehr hilfreich gewesen.

Auch eine Erhöhung des Strafrahmens und eine Positionierung des Tierschutzrechts im Strafgesetzbuch werden genannt. Es wird bei einigen im Saal nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen, aber es ist notwendig, damit Tierschutz endlich nachhaltig ernst genommen wird

(Beifall bei der SPD)

und nicht nur Wirtschaftsinteressen und Alterhergebrachtem unterliegt. Das wäre weiterhin nicht zukunftsträchtig.

Unbetrachtet bleiben in dem Antrag die digitalen Möglichkeiten, um Tierwohl besser kontrollieren zu können. Wir von der SPD haben einen Vorschlag. Den haben wir schon im Entschließungsantrag zur vierten Änderung des Tierschutzgesetzes eingebracht. Da heißt es, wie schon von Frau Breher zitiert worden ist:

… in Zusammenarbeit mit Tierärzten, Tierhaltern, Wissenschaftlern und Vertretern von Fachverbänden zu prüfen, ob und inwiefern vorliegende Daten im Zuge der Digitalisierung zur Verbesserung der Tiergesundheit genutzt werden können.

Alle Tiergesundheitsdaten liegen schon vor. Sie müssen nur zusammengeführt, vernetzt und ausgewertet werden. Dann finden Kontrollen gezielter und effizienter statt. Von dieser Möglichkeit ist unser Koalitionspartner leider bislang nicht so sehr überzeugt gewesen.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Immer die gleiche Leier!)

Ich habe Ihre Rede mit Begeisterung gehört, und offensichtlich scheint eine vergrößerte Zugeständnisbereitschaft vorhanden zu sein. Ich freue mich auf die nächste Verhandlung.

Wir müssen also zeitgleich an mehreren Baustellen arbeiten und nicht nur an einer. Straf- und ordnungsrechtliche Verbesserungen sind ganz klar Bundesaufgabe. Ausbildung, Stellenaufbau und -besetzung sowie Stärkung des Berufsstandes sind Landessache. Die Intensivierung und Effizienzsteigerung der Kontrollen sind am Ende unser aller Aufgaben. Mit einer zielgerichteten Auswertung der Tiergesundheitsdaten aller Betriebe kann man das ein bisschen befeuern und Stellen einsparen. Wir haben schon mehrere Möglichkeiten zur Verbesserung. Das wollen wir anlässlich dieses Antrages im Ausschuss, und zwar zielorientiert, diskutieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Mittag. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7318258
Wahlperiode 19
Sitzung 75
Tagesordnungspunkt Kontrolle der Einhaltung von Tierschutzrecht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta