31.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 77 / Tagesordnungspunkt 6

Marc JongenAfD - Gedenkort für die NS-Kriegsopfer in Osteuropa

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialismus in all seinen Spielarten hat unendliches Leid über die Menschheit gebracht. Zählt man die Toten zusammen, die im 20. Jahrhundert auf das Konto der Nationalsozialisten in Deutschland und der internationalen Sozialisten im sowjetischen Machtbereich gehen, so kommt man auf unvorstellbare Zahlen. Die Schätzungen schwanken zwischen 50 und 80 Millionen, die auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs gestorben sind, die als unschuldige Zivilisten deportiert und massakriert wurden, die in den Konzentrationslagern der Nazis, in den Gulags der Sowjets jeglicher Menschenwürde beraubt wurden und systematisch vernichtet worden sind.

Natürlich besteht ein signifikanter Unterschied zwischen dem Rassenwahn der Nazis und dem Hass der Bolschewiki auf den Klassenfeind. Und, ja, es gibt auch gute Gründe, in der Judenvernichtung durch die Nazis eine Abgründigkeit zu erkennen, die dieses Verbrechen heraushebt aus anderen Massenvernichtungsprogrammen des 20. Jahrhunderts und auf bestimmte Weise tatsächlich einzigartig macht.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, meine Damen und Herren, dass beide, der Nationalsozialismus Hitlers und der Kommunismus Stalins, sich völlig einig waren in ihrem unbedingten Vernichtungswillen gegenüber allen, die sie als Feinde – hier des rassistisch definierten Volkes, dort der klassenlosen Gesellschaft – identifiziert hatten.

(Beifall bei der AfD)

Beide totalitären und paranoiden Ideologien behandelten Menschen als Material, das zur Verwirklichung ihrer monströsen Machtfantasien benutzt und vernutzt werden konnte – ohne Rücksicht auf Verluste. Dass es sich bei diesen beiden Abarten des totalitären Sozialismus gewissermaßen um zwei Paralleldrachen handelte, die bei allem tödlichen Hass aufeinander auch zahlreiche Strukturmerkmale gemeinsam hatten, vor allem ihre zynische Menschenverachtung und ihre völlig enthemmte Gewalttätigkeit, das haben Historiker in den letzten Jahren eindrücklich herausgearbeitet: allen voran Timothy Snyder, der in seinem Buch „Bloodlands – Europa zwischen Hitler und Stalin“ die ganze Wahrheit über das mörderische Geschehen im Osten Europas der 1930er- und 1940er-Jahre schreibt, die die Linke in ihrem Antrag zum Gedenkort für die Opfer des Vernichtungskriegs der Nazis in Osteuropa auf die eine Hälfte reduziert sehen will.

Wie aber der Berliner Historiker Jörg Baberowski schrieb:

… ohne den Exzess der stalinistischen Diktatur wird überhaupt nicht verständlich, worauf der Nationalsozialismus auch eine Antwort war.

(Zuruf von der LINKEN: Wie bitte?)

Nichts, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, werte Abgeordnete von der Linken, über die fürchterlichen Verbrechen, die im deutschen Namen von den Nazis begangen worden sind, ist im wörtlichen Sinne falsch. Diese Verbrechen sind geschehen, und sie waren über alle Maßen schrecklich. Der deutsche Staat muss sich verantwortungsvoll dazu verhalten.

(Beifall bei der AfD)

Falsch, ja heuchlerisch wird Ihr Antrag durch die selektive Wahrnehmung, durch das gezielte Weglassen der nicht minder fürchterlichen Verbrechen, die von der sowjetischen Seite an den deutschen Kriegsgefangenen, beim Vorrücken der Roten Armee dann auch an der deutschen Zivilbevölkerung begangen worden sind. Warum erwähnen Sie diese deutschen Opfer mit keinem Wort? Warum wollen Sie ausschließlich den Opfern des NS-Vernichtungskrieges in Berlin einen zentralen Gedenkort errichten? – Übrigens zusätzlich zu den drei großen Ehrenmalen in Berlin für die gefallenen Rotarmisten und zu den zahlreichen ähnlichen Gedenkstätten in ganz Deutschland, zu deren Pflege sich der deutsche Staat in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zu Recht verpflichtet hat.

Mit etwas Bosheit könnte man auf die Idee kommen: Das hängt mit Ihrer Parteigeschichte zusammen.

(Beifall bei der AfD)

Als Nachfolgepartei der SED in ideeller und übrigens auch in materieller Hinsicht würden Sie ohne die Sowjetunion und damit ohne Stalin gewissermaßen nicht existieren,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)

jedenfalls nicht so üppig leben. Da kann man dann schon einmal ein Auge zudrücken

(Beifall bei der AfD)

und auf dem linken Auge gänzlich blind werden für linksradikale Exzesse aller Art.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Da sieht man, worum es Ihnen geht!)

Aber so böse will ich gar nicht sein;

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: So ein guter Mensch!)

denn leider steht ja im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen auch nicht viel anderes. Sie wollen zwar das „Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskrieges im Osten im Dialog mit den osteuropäischen Nachbarn“ stärken, wie es dort heißt,

(Martin Rabanus [SPD]: Das ist auch richtig so!)

die deutschen und osteuropäischen Opfer des ­Stalin’schen Vernichtungskrieges werden aber ebenfalls ausgeblendet.

Aus einer solch einseitigen Geschichtserzählung kann keine gute und heilsame Gedächtnispolitik erwachsen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Und ich will ja konzedieren, dass es bei einigen Kollegen aus der CDU/CSU und der FDP durchaus gut gemeint ist, da Sie einfach nicht zur Genüge durchschauen, welches politisches Spiel hier getrieben wird

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Vielen Dank, dazu sind wir in der Lage!)

und wie Sie linken Ideologen leider auf den Leim gehen. Frau Motschmann hat es wieder gezeigt.

(Beifall bei der AfD – Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Wir lehnen es doch ab! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Danke, das schaffen wir schon!)

Der linken Seite dieses Hauses sage ich aber: Wir trauen Ihrer moralischen Empörung und Ihren zur Schau gestellten humanistischen Motiven nicht über den Weg. Wir erkennen Ihre politische Absicht und sind mehr als verstimmt.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Thomas Nord [DIE LINKE])

Ihnen geht es gar nicht um ein würdiges Gedenken an die Opfer dieser Verbrechen. Ihnen geht es in Wahrheit darum, ein tiefes Schuldbewusstsein in Deutschland für alle Zeiten zu verankern. Vor allem den nachwachsenden Generationen wollen Sie einen moralisch zermürbenden Gedanken einpflanzen:

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Pfui! Pfui! – Marianne Schieder [SPD]: Unverschämtheit!)

Die Deutschen sind böse, Deutschland ist eine Verbrechernation, es wäre eigentlich besser, wenn Deutschland verschwände.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie Herrn Friedländer heute zugehört?)

Das ist doch auch Ihr erklärtes Ziel. Deutschland soll als Nation, als Land, als Volk verschwinden, es soll ein mehr oder weniger offenes Siedlungsgebiet für Migranten aus aller Welt werden

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbarer Blödsinn!)

und soll dann auch aufgehen in einem europäischen Superstaat, der ja schon jetzt bezeichnenderweise von Kommissaren verwaltet wird, einer EUdSSR – ganz nach Ihrem Geschmack.

(Beifall bei der AfD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Unterirdisch! – Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja. – Wer auf der Straße zusammen mit der Antifa „Nie wieder Deutschland!“ und „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“ skandiert, wie Sie das tun,

(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

der hat nicht die moralische Legitimation, hier einen solchen Antrag zu stellen.

(Beifall bei der AfD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Ihr hochtrabender moralischer Duktus ist offenkundig vom Hass auf das Eigene diktiert, und damit ist er vergiftet und verdorben.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Was haben Sie genommen? – Zuruf des Abg. Thomas Nord [DIE LINKE])

Im Grunde missbrauchen Sie die Opfer der Nazis für Ihre politischen Ziele. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der AfD)

Wes Geistes Kind Sie sind und wie viel Respekt Sie vor historischen Wahrheiten haben, zeigt sich auch daran, dass Sie jeden als Nazi diffamieren, der sich mit friedlichen demokratischen Mitteln für den Erhalt seiner eigenen Heimat einsetzt. Das ist nicht nur eine Ungeheuerlichkeit den Beschuldigten gegenüber, das ist auch ein Hohn gegenüber den historischen Opfern der Nazis, werte Kollegen.

(Beifall bei der AfD)

Weil es hier immer wieder behauptet wird: Die AfD will ganz gewiss keinen Schlussstrich unter die Verbrechen des NS-Regimes ziehen.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

– Nein, wir wollen eine Erinnerungskultur, an deren Horizont Heilung und vielleicht auch Versöhnung stehen,

(Beifall bei der AfD)

aber kein bewusstes Offenhalten der Wunden und keine künstlich herbeigeführte Neutraumatisierung jeder neuen Generation in Deutschland.

(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Das gemeinsame Erinnern an den Vernichtungskrieg Hitlers und Stalins in Osteuropa kann ein Ansatzpunkt der Versöhnung zwischen Deutschland und Russland werden. Die AfD hat daran bereits aktiv mitgewirkt: bei einer Kranzniederlegung im Treptower Park anlässlich eines Besuchs einer hochrangigen Delegation russischer Parlamentarier in Berlin.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Alle waren geladen. Nur die AfD ist gekommen, meine Damen und Herren. Wo waren Sie?

(Beifall bei der AfD – Thomas Nord [DIE LINKE]: Sie sollten einmal nachdenken, warum das so ist!)

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie haben noch einen Satz.

Ich komme zum Schluss und zitiere den italienischen Autor und antifaschistischen Widerstandskämpfer ­Ignazio Silone. Er sagte:

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus.“ Nein, er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus.“

(Marianne Schieder [SPD]: Er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass Sie ihn zitieren!)

Herr Kollege, bitte jetzt.

Wenn das endlich begriffen würde, hätten wir viele Probleme weniger in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als nächste Rednerin erhält die Kollegin Marianne Schieder, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322423
Wahlperiode 19
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Gedenkort für die NS-Kriegsopfer in Osteuropa
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta