31.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 77 / Tagesordnungspunkt 6

Thomas HackerFDP - Gedenkort für die NS-Kriegsopfer in Osteuropa

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grausamkeiten der NS-Zeit sind für uns niemals wirklich fassbar. Historiker, Juristen, Soziologen, Psychologen und andere Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der wissenschaftlichen Durchleuchtung dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte. Die Zahl der Opfer übersteigt jede menschliche Vorstellungskraft. Die Zahlen allein, die Millionen von Opfern zeigen das Unfassbare. Aber hinter diesen Zahlen stehen Namen, stehen die Schicksale der Menschen, eines jeden einzelnen Menschen mit seiner eigenen Geschichte, mit seinen Ängsten, seinen Hoffnungen, seinen Schmerzen und seinem Leiden. Eindrucksvoll konnten wir heute Morgen erleben, wie das Herauslösen des einzelnen Schicksals uns berührt. An einem solchen Tag dann eine Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts zu erleben, wie wir das heute mussten, beschämt tatsächlich.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])

Weil wir um diesen grausamen Teil unserer Geschichte wissen, wissen wir auch um unsere Verantwortung, dieses Leid in der Welt niemals vergessen zu lassen. Erinnern, gedenken, mahnen – dazu braucht es Anlässe. Dazu braucht es auch Orte.

Nach langen Diskussionen wurden in den letzten Jahren ja auch neue Gedenkorte geschaffen: die Topographie des Terrors, das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, die beiden küssenden Männer im Mahnmal für die ermordeten Homosexuellen oder das Holocaust-Mahnmal. Die Neue Wache in Berlin ist den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet. Mahnmale in Stein und Beton erinnern an die Vergangenheit.

Wichtig ist darüber hinaus das Bewusstmachen, die Möglichkeit für alle Generationen, sich dem Unfassbaren zumindest anzunähern. Gesten wie der Kniefall Willy Brandts im Warschauer Ghetto erreichten mehr für die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland, als es ein Bauwerk jemals könnte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kollegen, Sie wissen, dass es mehrere Initiativen für neue Denkmale und Gedenkorte gibt. Wir müssen die Debatte über weitere Gedenkorte sensibel und behutsam führen und darauf achten, dass gut gemeinte Initiativen nicht andere Initiativen ausgrenzen. Die Entscheidung für oder gegen einen neuen Gedenkort darf nicht als Missachtung oder Vergessen anderer Opfer empfunden werden. Unsere Debatte sollte nicht bei der Frage, ob und welche neuen Denkmale geschaffen werden, stehen bleiben. In unserer Gesellschaft, in der Populisten zunehmend mehr Gehör finden, in der Ausgrenzung und Intoleranz zu Markenzeichen politischer Betätigung hochstilisiert werden, brauchen wir Projekte und Programme, um gerade für die junge Generation unsere Geschichte erfahrbar zu machen.

Lassen Sie uns die neuen Medien nutzen, lassen Sie uns neue Wege der Wissensvermittlung gehen. Die Dokumentation von Gesprächen mit Zeitzeugen, Frau Motschmann, das Gegenüberstellen von Erfahrungen wie Flucht und Vertreibung mit dem Erleben junger Flüchtlinge unserer Zeit sind Beispiele für solche Programme.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])

Unsere Freundschaft zu Frankreich konnte 70 Jahre wachsen. Der Eiserne Vorhang verhinderte das mit unseren Nachbarn im Osten. Lassen Sie uns die Debatte, die jetzt vor uns liegt, mit den richtigen Intonationen führen. Ja, wir wissen um die Verbrechen der Vergangenheit, und wir wollen die Erinnerung an die Opfer wachhalten. Ja, unser Ziel ist es, an einer gemeinsamen Zukunft auch mit den östlichen Nachbarn zu arbeiten, im gegenseitigen Respekt auf der Grundlage von Menschenwürde, Freundschaft, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf diese Debatte, meine Damen und Herren, die aus der Vergangenheit in die Zukunft weist, freue ich mich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hacker. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Erhard Grundl, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322425
Wahlperiode 19
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Gedenkort für die NS-Kriegsopfer in Osteuropa
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