Bettina Stark-WatzingerFDP - Brexit-Steuerbegleitgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Seit zwei Jahren quält sich Großbritannien aus der EU. In der Zivilgesellschaft entsteht langsam der Eindruck, dass man sich nach dem Austritt großen Problemen wird stellen müssen. Aber die britische Politik hat nach wie vor keine Ahnung, wie sie einen geordneten Austritt erreichen soll.
Aber auch die Bundesregierung hat viel zu lange die Augen verschlossen.
(Beifall bei der FDP)
Mein Kollege Alexander Graf Lambsdorff hat es in der Brexit-Debatte hier bereits gesagt: Wir Freie Demokraten haben schon im April 2018, also vor neun Monaten, eine Große Anfrage gestellt mit detaillierten Fragen zu den Planungen für den Brexit. Die Antworten wurden uns avisiert für Mai 2019, zwei Monate nach dem Brexit. Wer keine Antworten auf unsere Fragen hat, hat sich auch nicht auf Deal oder No-Deal vorbereitet.
(Beifall bei der FDP)
Seit zwei Jahren ist der 29. März 2019 als Austrittsdatum bekannt. Und jetzt bringt die Bundesregierung Ende Januar den Entwurf eines Brexit-Steuerbegleitgesetzes ein, der frühestens Ende Februar verabschiedet wird.
(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Reicht doch!)
Das Zeitfenster für die Umsetzung durch die Menschen: ein Monat. Das ist alles viel zu spät.
(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Nein!)
Mit dem Ausscheiden aus dem Europäischen Wirtschaftsraum wird Großbritannien ein Drittstaat, mit weitreichenden steuer- und finanzmarktrechtlichen Konsequenzen. Das Gesetz soll verhindern – das hat der Kollege Güntzler eben schon gesagt –, dass der Brexit bei den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolgen auslöst oder die Finanzmarktstabilität gefährdet. Das begrüßen wir. Der Bedarf für das Gesetz ist unstrittig, ob es alle Sachverhalte erfasst, hingegen nicht. Bereits heute, noch bevor wir die Expertenanhörung hatten, ist deutlich, dass es Verbesserungsbedarf gibt. Das ist ein sehr umfassender Gesetzentwurf. Ich möchte das Schlaglicht auf zwei Punkte werfen:
Die Kollegen der Union haben es gestern im Finanzausschuss selbst gesagt: Bei der Erbschaftsteuer muss nachgearbeitet werden, zum Beispiel hinsichtlich der Berücksichtigung von Teilen des Betriebes für in Großbritannien geschaffene Arbeitsplätze. Direkt nach der Ausschusssitzung erreichte mich die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf unsere Kleine Anfrage – es ging um eine Frage zu diesem Thema – mit einer genau der gegenteiligen Antwort.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das kann ich mir gar nicht vorstellen!)
Unterschiedliche Aussagen bedeuten Unsicherheit für die Unternehmen in unserem Land, wo doch Familienunternehmen dringend Rechtssicherheit benötigen.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Der Zugang zu den Märkten, auf denen Unternehmen zum Beispiel ihre Rohstoffrisiken absichern oder Stadtwerke ihre Emissionszertifikate kaufen, darf nicht abrupt verschlechtert werden. Bereits heute zeichnet sich ab, dass in der Neuregelung des § 53b KWG, wo geregelt wird, wie die in Großbritannien ansässigen Finanzdienstleister für eine Übergangszeit den EU-Unternehmen noch Geschäfte anbieten können, Sprengstoff liegen kann. Das Bundesfinanzministerium hat gestern im Finanzausschuss die Regelung als umfassend genug eingestuft. Es gibt aber heute bereits Hinweise und kritische Stellungnahmen aus der Wirtschaft, nicht zuletzt auch von der Deutschen Börse. Kritisiert wird, dass sich das Ganze nur auf Geschäfte bezieht, die in einem engen Zusammenhang mit zum Zeitpunkt des Austritts bestehenden Verträgen stehen. Das beschränkt diese KWG-Regelung, und damit geht sie an der Realität vorbei.
Das alles hört sich technisch an; aber es hat weitreichende Konsequenzen. Es kann ganz konkret werden, wenn zum Beispiel wegen teurer Absicherungen die Strompreise steigen. Leider hat der Finanzminister hier noch keine Klarheit geschaffen.
Es sind viele Punkte offen, zu viele Punkte. Es gibt die Anekdote, dass man im britischen Unterhaus, wenn es zeitlich eng wird, gerne mal die Uhr anhält. Meine Damen und Herren, man kann die Uhr anhalten, aber nicht die Zeit. Deswegen müssen wir handeln.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Für die Fraktion Die Linke hat nun Jörg Cezanne das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7322549 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 77 |
Tagesordnungspunkt | Brexit-Steuerbegleitgesetz |