31.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 77 / Tagesordnungspunkt 11

Metin HakverdiSPD - Brexit-Steuerbegleitgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 29. März rückt näher, damit auch der Zeitpunkt eines möglichen Brexits. Die vielen Debatten im britischen Unterhaus haben keine Klarheit gebracht. Auch die Debatte in dieser Woche hat in Wahrheit die Unsicherheit nur erhöht und nicht kleiner gemacht.

Der Antrag eines Tory-Abgeordneten, das sogenannte Brady-Amendment, hat eine Mehrheit gefunden. Nun möchte die britische Regierung den Backstop für das irische Grenzregime neu verhandeln.

Wer sich mit den Details des Kompromisses befasst hat, weiß, dass die gefundene Lösung ein Drahtseilakt war und ist. Die EU hat Zugeständnisse gemacht im Hinblick auf die Integrität des Binnenmarktes. Das Vereinigte Königreich musste Zugeständnisse machen, die seine eigene Souveränität betreffen. Diese Verrenkungen von beiden Seiten waren notwendig; denn wir wollen nach wie vor die Vereinbarungen des Karfreitagsabkommens nicht beschädigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Schließlich bildet das Karfreitagsabkommen die Grundlage für den Frieden auf der irischen Insel insgesamt. Um ehrlich zu sein: Mir fehlt jede Fantasie, wie es gelingen soll, hier zu einem anderen Ergebnis zu kommen; denn jedes Ergebnis müsste von einer Mehrheit in Westminster getragen werden, und das sehe ich nach den letzten Wochen und Monaten – ich glaube, wie viele in diesem Haus – überhaupt nicht. Da ist die Reaktion der EU richtig, dass man das Fass nicht wieder neu aufmachen will.

In dieser Zeit der Ungewissheit habe ich Anfang der Woche das Airbus-Werk in Broughton besucht. Ich habe dort mit dem Management, genauso mit dem Betriebsrat gesprochen. In diesem Werk in Wales werden die Flügel des A320 und des A350 gebaut, die dann nach Hamburg geflogen werden, um dort endmontiert zu werden. Airbus ist ein Sinnbild der Erfolgsgeschichte europäischer Integration. Heute ist das Unternehmen mit seinem amerikanischen Konkurrenten auf Augenhöhe. Die Auftragsbücher für den A320 sind für die nächsten Jahre voll. Statt jetzt noch einen draufzulegen, statt jetzt anzugreifen, auf dem Weltmarkt noch erfolgreicher zu sein, muss man sich jetzt in Hamburg und Toulouse um den Brexit kümmern. Das ist bitter – für uns alle.

Die Situation von Airbus ist auch Sinnbild für unser Dilemma in der aktuellen geopolitischen Situation. Während sich die globalen Mächte neu aufstellen, bindet der Brexit-Prozess unsere Aufmerksamkeit in Europa. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir bald zu einer Entscheidung kommen. Aus Broughton habe ich aber auch andere Stimmungen mitgebracht. Die Luftfahrindustrie in Wales ist einer der größten Arbeitgeber der Region und zahlt sehr gute Löhne. Trotzdem hat eine Mehrheit – und das ist interessant – der Bevölkerung von Broughton dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen.

Kolleginnen und Kollegen, um die Menschen für die europäische Idee zu gewinnen, reicht es eben nicht, nur eine Wettbewerbsgemeinschaft zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Oder wie Jacques Delors es einmal gesagt hat: „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt.“ Wir müssen mehr tun.

Erstens müssen wir dafür sorgen, dass dieser Wohlstand, den uns die EU verschafft hat – und nur die EU verschaffen kann – allen Menschen in unserem Land und in der Europäischen Union insgesamt zugutekommt. Das heißt: Europa muss auch sozialer werden. Wir brauchen einen europäischen Mindestlohn, und wir müssen dafür sorgen, dass in den Mitgliedstaaten der EU eine Mindestsicherung für alle Menschen bereitgestellt wird.

(Beifall bei der SPD)

Beide Projekte müssen wir klar europäisch definieren und politisch durchsetzen. Ich möchte ein Plakat lesen, auf dem steht: Wir haben den Mindestlohn in Europa durchgesetzt. Schönen Gruß, Ihre EU.

(Kay Gottschalk [AfD]: Bitte nicht!)

Zweitens – genauso wichtig – müssen wir aufhören – das geht jetzt in die Richtung der AfD – pauschal schlecht über Europa zu reden

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nach dem Motto „Alles Gute kommt aus dem nationalen Parlament, alles Schlechte aus Brüssel“. Damit kann man vielleicht eine nationale Wahl gewinnen, gut für die Menschen ist das nicht.

Kolleginnen und Kollegen, wir wissen nicht, was in den kommenden Wochen noch in Westminster passiert oder nicht passiert. Deshalb müssen wir uns auf einen harten Brexit vorbereiten. Da ist es gut, dass wir jetzt verschiedene Gesetzespakete auf den Weg gebracht haben. Mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz wollen wir insbesondere die Sachverhalte regeln, bei denen Menschen darauf vertraut haben, dass das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleibt. Für mich ist das wichtigste Prinzip, dass wir bei allen Notfallgesetzen, die wir in den nächsten Wochen beschließen, diesen Vertrauensschutz gewährleisten. Den weiteren Anpassungsbedarf können wir dann im Ausschuss nach der öffentlichen Anhörung besprechen. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Matthias Hauer das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322556
Wahlperiode 19
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Brexit-Steuerbegleitgesetz
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