31.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 77 / Zusatzpunkt 6

Michael SchrodiSPD - Gemeinnützigkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich einer willkürlichen Behandlung gemeinnütziger Organisationen zu widersetzen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Im Koalitionsvertrag beispielsweise halten wir fest, dass wir die Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Ehrenamts fördern und stärken wollen.

Wir werden vielmehr – auch das haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten – das Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren und es erweitern. Beispielsweise haben wir letztens über das Thema „Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Freifunk“ gesprochen und werden das an weiteren Stellen noch tun. Wir werden also in unserem Regierungshandeln – das tun wir auch schon – dem nachkommen, was die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier gefordert hat. Wir lehnen den Antrag deshalb ab.

(Beifall bei der SPD)

Aber natürlich kann und will die Bundesregierung nicht darüber entscheiden, welche Organisation gemeinnützig ist. Das kann, darf und soll auch keine Partei tun. Das ist eine Entscheidung der Finanzämter.

Der Antrag der Grünen hat natürlich eine andere Ursache, die zum Beispiel darin liegt, dass die FDP in ihr Programm zur Europawahl hineinschreiben lässt – Sie haben es heute auch noch mal so schön wiederholt –, Sie wollten die Meinungs- und Pressefreiheit schützen. Zudem nennen Sie die abschreckenden Beispiele aus Polen und Ungarn. Im politischen Alltag hier im Bundestag stellten Sie dann einen Antrag zur Diskussion am 14. Juni letzten Jahres, mit dem Sie versuchen, die Organisation PETA mit der Drohung des Entzugs der Gemeinnützigkeit einzuschüchtern, und das, weil sie sich einmischt – zum Teil auch kritikwürdig einmischt – und politisch nach außen versucht zu wirken, wie übrigens viele andere Organisationen auch. Attac steht unter Druck, BUND steht unter Druck, beide ebenfalls, weil sie sich politisch einmischen. Das darf nicht sein. Was Sie in Europa kritisieren, dürfen Sie hier im Deutschen Bundestag nicht anders machen. Das tun Sie aber, und deswegen ist das an der Stelle heuchlerisch, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich frage mich wie damals auch: Was ist eigentlich aus der alten Bürgerrechtspartei FDP geworden? Ich sage Ihnen eines: Wenn einmal Herr Kubicki etwas Richtiges sagt, dann hören Sie auf ihn! Er sagte:

In einer pluralen Gesellschaft müssen aber auch Meinungen zugelassen werden, die nur schwer tolerierbar sind.

Ja, halten Sie sich daran! Auch Ihre sind oft nicht leicht hinnehmbar und tolerierbar.

(Kay Gottschalk [AfD]: Fangen Sie doch bei der AfD mal an, Herr Kollege!)

Sehr geehrte Damen und Herren Koalitionskollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, natürlich müssen wir auch über den Beschluss des Bundesparteitags der CDU im Dezember 2018 sprechen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr weiser Beschluss! Könnte von der CSU sein!)

Herr von Stetten, Sie haben an der Stelle übrigens ganz wenig über die Gemeinnützigkeit gesagt.

(Zuruf von der CDU/CSU: War alles richtig!)

Seit Beginn der Dieselaffäre kann man den Eindruck gewinnen, dass die Verkehrsminister – seit zehn Jahren von der CSU gestellt – sich weniger schützend vor die Verbraucherinnen und Verbraucher, die geprellt worden sind, stellen, sondern sich schützend vor die Automobilindustrie stellen. Statt nun endlich das zu tun, was die Sozialdemokraten von Anfang an gefordert haben, nämlich Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Hersteller, um Dieselfahrverbote zu verhindern, Vertrauen in die wichtige Automobilindustrie wiederherzustellen und übrigens auch die Gesundheit der Menschen zu schützen,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Steht das in § 52 AO?)

suchen Herr Scheuer und Sie einen Sündenbock, um von den Versäumnissen abzulenken. Das ist dann die Deutsche Umwelthilfe. So geht es an der Stelle auch nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU fordert mit dem Parteitagsbeschluss tatsächlich eine Überprüfung der Gemeinnützigkeit einer Organisation. Und wir sprechen hier nicht über die Abmahnpraxis, die natürlich kritik- und fragwürdig ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Selbstverständlich geht es darum!)

sondern über die Überprüfung der Gemeinnützigkeit einer Organisation, die geltendes Recht einklagt und damit vor Gericht auch recht bekommt. Sorgen Sie dafür, dass es endlich eine Nachrüstungsverpflichtung für die Autohersteller gibt! Das ist rechtlich auch heute noch möglich. Gängeln Sie nicht gemeinnützige Organisationen an dieser Stelle!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen und werden uns übrigens an den Koalitionsvertrag halten. Darin steht: Wir wollen die Gemeinnützigkeit stärken, wir wollen das Ehrenamt stärken; denn eine plurale, eine demokratische Gesellschaft braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger. Sie braucht auch engagierte Organisationen. Wir wollen, dass sie sich einmischen und sich nicht ins Private zurückziehen. Bereits in der griechischen Antike nannte man den Rückzug ins Private übrigens Idiotie. Der unpolitische Mensch war der Idiot. Wir wollen keine Menschen, die sich ins Private zurückziehen, sondern solche, die sich engagieren. Alles andere wäre tatsächlich idiotisch. In diesem Sinne hoffen wir an dieser Stelle in Zukunft auf eine Besserung bei Ihren Anträgen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun Katja Hessel das Wort.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322566
Wahlperiode 19
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Gemeinnützigkeit
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