31.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 77 / Tagesordnungspunkt 13

Saskia EskenSPD - Datenschutz-Grundverordnung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Visitenkarten, die wegen der Datenschutz-Grundverordnung jetzt in gebundener Form herausgeben werden müssen, Fotos aus dem Kindergarten – süß die Kleinen, nicht? – jetzt nur noch mit geschwärzten Gesichtern: Die Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der DSGVO treiben schon sehr seltsame Blüten. All diese Geschichten gehören ins Reich der Fabeln. Nichts von dem ist dem Datenschutz geschuldet, sondern nur der Hysterie, die um die europäische Verordnung gemacht wird. Dabei geht es doch – das begreifen wir mit jedem Skandal ein bisschen mehr – um den Schutz der Daten, um den Schutz unserer digitalen Identitäten, um den Schutz unserer Privatsphäre. Darüber wurde in den ersten Monaten der Wirksamkeit der DSGVO leider viel zu wenig gesprochen und viel zu viel über die kleinen Verrücktheiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Heute sprechen wir aber über die wichtige Balance von Meinungsfreiheit und Datenschutz, zwei Grundrechte, die natürlich konkurrieren und die gegeneinander abgegrenzt werden müssen. Zu dieser Balance enthält auch Artikel 85 DSGVO – der Kollege hat es gesagt – einen Regelungsauftrag an die nationalen Parlamente. Die Bundesregierung war und ist auch bisher noch der Auffassung, dieser Regelungsauftrag sei mit den Landespressegesetzen und mit dem Kunsturhebergesetz erfüllt.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr ­richtig!)

Zur Öffentlichkeitsarbeit von Vereinen, Verbänden, zur Arbeit von freien Fotografen, investigativen Journalisten und Bloggern gab und gibt es aber unterschiedliche Auffassungen. Das haben wir auch gemerkt. Es gab infolgedessen große Ängste, viel Verunsicherung. Wir haben viele Diskussionen zu dem Thema geführt. Was mich persönlich letztlich überzeugt hat, ist eine ganz persönliche verrückte Geschichte. Ich habe den Rat bekommen, in Zukunft bei meinen Veranstaltungen mit den anwesenden Besuchern einen Model-Release-Vertrag zu schließen, also einen Vertrag über die Bildnutzungsrechte. Ich sollte Daten erfassen, um Daten zu schützen. So etwas ist nicht nur verrückt, es ist auch datenschutzwidrig, also verboten.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Als mich dann aber auch noch der Vertreter der Lokalpresse gefragt hat, ob er hier fotografieren dürfe oder vorher die Anwesenden fragen müsse, ob er fotografieren darf, habe ich gemerkt: Okay, hier ist irgendetwas schiefgelaufen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hier ist nicht nur das Berichtsinteresse der Öffentlichkeitsarbeit oder die Kunstfreiheit des Fotografen in den Köpfen der Menschen ins Wanken geraten. Die Lokalzeitung sollte ihre Leute wohl ein bisschen besser informieren. Die Rechtsunsicherheit der anderen kann man mit etwas gutem Willen und etwas Fantasie tatsächlich ausräumen. Deshalb haben wir im Rahmen des Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes – wir haben wunderbare Namen für unsere Gesetze – einige konkrete Formulierungen vorgeschlagen, die zurzeit beraten werden. Damit wollen wir erreichen, dass der Datenschutz nicht gegen die Meinungsfreiheit ausgespielt werden kann oder umgekehrt.

Wir müssen einen angemessenen Ausgleich zwischen diesen Grundrechten finden und dabei die Interessen beider Seiten bestmöglich berücksichtigen. Klingt nach einem Kunststück, ist es auch. Offensichtlich haben wir aber zumindest schon den Kollegen Henrichmann überzeugt. Ich freue mich darauf, das dann gemeinsam auf die Beine zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Ausgerechnet die AfD bringt hier einen Antrag zur Rettung der Meinungsfreiheit ein.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wer denn sonst?)

Sind nicht unter Ihrer Flagge Schülerinnen und Schüler dazu aufgerufen worden, Lehrer zu denunzieren, die Meinungen äußern, die ihnen nicht passen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ist das die Meinungsfreiheit, die Sie meinen? Ich finde, unter diesem Licht betrachtet, Ihren Antrag geradezu abwegig.

(Zuruf von der AfD: Das kann ich mir vorstellen!)

Die Meinungsfreiheit, die Sie meinen, ist eben nicht die Meinungsfreiheit der Andersdenkenden. Sie fordern Meinungsfreiheit für sich und meinen damit genau genommen, dass man Ihnen nicht widersprechen soll.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass unsere Verfassung so ein Recht niemandem zugesteht.

(Beifall bei der SPD)

Nur am Rande sei gesagt: Ihrem Behandlungsvorschlag, den Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer unterbreitet hat, den Antrag in die AfD für digitale Agenda zu überweisen, können wir leider nicht stattgeben. Ein solches Gremium gibt es hier nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322584
Wahlperiode 19
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Datenschutz-Grundverordnung
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