Axel SchäferSPD - Arbeitsprogramm 2019 der Europäischen Kommission
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2019; aber wir bewerten auch politisch die Arbeit der Kommission seit 2014. Das ist aus folgenden Gründen so wichtig:
Diese Kommission mit dem Kommissionspräsidenten Juncker ist nur ins Amt gekommen, weil sich im Europäischen Parlament – dort wurde sie nach einer Investitur gewählt – sowohl Christdemokraten, Christsoziale, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne als auch die meisten Linken nach der Wahl an das gehalten haben, was sie vor der Wahl den Wählerinnen und Wählern versprochen haben, nämlich: Der Kommissionspräsident wird aus der Mitte des Europäischen Parlaments von den Abgeordneten gewählt. Er wird also nicht von den Staats- und Regierungschefs oktroyiert. Das ist ein wichtiger demokratischer Fortschritt. Wir im Bundestag sollten stolz darauf sein, dass wir das parlamentarisch und in unseren Parteifamilien an entscheidender Stelle mit vorangebracht, befördert und auch umgesetzt haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Deshalb ist die heutige Diskussion so wichtig. Auf der einen Seite muss der Deutsche Bundestag in der Europapolitik natürlich seine eigene Regierung kontrollieren, unterstützen, manchmal korrigieren, befördern; auf der anderen Seite handeln wir aber auch in solidarischer Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament. Das ist gut, da wir beim Miteinanderarbeiten auch voneinander lernen.
Das, was wir hier machen, könnte man bei bestimmten Regierungsdiskussionen natürlich auch auf die nationale Ebene übertragen. Könnte! Man sollte aber auf alle Fälle vom Europäischen Parlament und aus der Debatte mit der Kommission lernen, dass auch unsere Ausschüsse hier im Bundestag öffentlich tagen sollten; das ist in Europa der Fall. Man könnte zum Beispiel auch die parlamentarische Informationspflicht – man könnte sagen: Rechenschaftspflicht – einführen, wie sie der Präsident der Europäischen Zentralbank gegenüber dem Europäischen Parlament hat. Das wäre für uns im Bundestag so etwas wie eine Revolution, wenn Herr Weidmann alle Vierteljahre kommen müsste und sich unserer Diskussion hier stellen müsste.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich rege an, dass wir nicht nur über bestimmte Dinge in der Europäischen Union reden, sondern miteinander schauen, wie wir hier demokratisch mit unseren eigenen europapolitischen Strukturen besser vorankommen.
(Beifall bei der SPD)
Das Arbeitsprogramm der Kommission hatte ja eine außergewöhnliche Bandbreite. Wir wissen, dass die Umsetzung nicht nur von dem Willen und den Möglichkeiten des Parlamentes abhängt, sondern auch mit den nationalen Regierungen zu tun hat. Da sehen wir zum Beispiel bei einem der Themen, nämlich beim Thema Migration, dass die Schwierigkeiten an den nationalen Regierungen und auch an einer Reihe von Parteikonstellationen gelegen haben.
Wir wissen auch, dass die zehn Punkte, die Jean-Claude Juncker avisiert hat, am Ende dieser Legislaturperiode eben nicht in Gänze umgesetzt worden sind, dass es bei diesen Punkten angesichts ihrer Bandbreite – von Innovationen, Arbeitsplätzen, Gerechtigkeit, Digitalisierung bis hin zur Rolle Europas in der Welt – noch sehr viele Lücken gibt.
Aber wir müssen auch deutlich machen, was uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders fehlt, und das ist die soziale Säule. Da ist entschieden zu wenig gemacht worden. Das gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit. Vor allen Dingen fehlt es aber an Mut, beim Thema Steuergerechtigkeit voranzugehen. Für das gemeinsame Europa, aber auch für das Empfinden der Bürgerinnen und Bürger ist es so wichtig, dass es hier vorangeht. Da ist Europa ein wichtiger Handlungsrahmen. Deshalb sollten wir hier im Bundestag und sollte auch die Koalition genau da am Ball bleiben.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über die Kommission und unsere Positionierung als Parlament reden, müssen wir natürlich auch über unsere eigenen Grundlagen sprechen. Ich will deshalb an dieser Stelle daran erinnern, dass man im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU das Thema Europa auf Platz eins gesetzt hat. Das zeigt, dass wir sowohl erkannt haben, wie wichtig diese Handlungsebene ist, als auch, dass wir uns selbst verpflichtet haben, dort initiativ zu werden, was ja auch heißt, besser zu werden. Das betrifft die großen Kapitel, nämlich Demokratie und Solidarität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Chancen und Gerechtigkeit und natürlich auch die Stärkung des Zusammenhaltes der EU und ihrer Rolle in dieser Welt.
Ich halte es deshalb für wichtig, dass wir auch in unserer nationalen Gesetzgebung immer den Blick auf das richten, was europäisch möglich wie notwendig ist. Wir müssen das mit Überzeugung immer wieder tun und auch hier kundtun, dass unser wichtigstes Interesse als Deutsche die europäische Einigung ist und dass es uns nur dann gut gehen kann, wenn es unseren Nachbarn nicht schlecht geht.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe über die letzte Europawahl geredet. Lasst uns jetzt über die nächste Europawahl reden, aber über den 27. Mai, nicht über den 26. Mai. Ich gucke gerade auf den Kollegen Link von der FDP. Es gab – unabhängig voneinander – schon vor über zehn Jahren eine Initiative der beiden Fraktionen der SPD und der FDP, die gesagt haben: Wir wollen nach der Europawahl den Kandidaten oder die Kandidatin für das Amt eines Kommissars, der oder die aus Deutschland dem Europäischen Parlament präsentiert wird, vorher hier im Parlament hören, anhören, mit ihm oder ihr diskutieren. Man muss Richtung CDU/CSU sagen: Ja, der Kollege Oettinger wurde – insbesondere von der SPD – überzeugt, das zu machen. Er hat sich als einer der wenigen Kommissare in der EU dem nationalen Parlament gestellt. Er hat das fünf Jahre später wieder gemacht, sogar in einer öffentlichen Debatte. Ich möchte für meine Fraktion erklären: Genau das werden wir nach dem 27. Mai auch machen. Der Kandidat oder die Kandidatin für das Amt eines Kommissars muss auch hier bei uns Rede und Antwort stehen in vollem Respekt davor, dass die Investitur und auch die Wahl die Aufgabe des Europäischen Parlaments ist.
(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
So wollen wir es mit der Zusammenarbeit halten. So wollen wir sie auch verbessern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird aber auch ganz klar darauf ankommen, dass wir in Zusammenarbeit mit der Kommission mit Blick auf die Gestaltungsmöglichkeit des Deutschen Bundestages sagen: Wenn wir auf dieser Seite des Parlaments um Europa streiten – wir um ein möglichst soziales Europa, manche auch eher um ein konservatives, liberales, grüneres oder auch linkeres Europa –, dann streiten wir aber ganz klar für dieses Europa und positionieren uns gegen diejenigen, die dieses Europäische Parlament abschaffen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harald Weyel für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7322696 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 78 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsprogramm 2019 der Europäischen Kommission |