01.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 78 / Tagesordnungspunkt 19

Michael Georg LinkFDP - Arbeitsprogramm 2019 der Europäischen Kommission

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die Kommission kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit steht, ist klar, dass vieles – Stichwort: Arbeitsprogramm der Kommission – nur deklaratorisch ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Blick eher auf das Grundsätzliche lenken. Es ist eine gute Gelegenheit vor der Wahl einer neuen Kommission und vor allem der Wahl eines neuen Europäischen Parlaments, einige grundsätzlichere Überlegungen zum Beispiel zur Struktur der Kommission und zur Struktur des Haushalts, aber auch zur Kompetenzverteilung anzustellen.

Struktur der Kommission. Gunther Krichbaum hat gerade erklärt, die Struktur habe sich bewährt. Hier muss ich in aller Kollegialität klar widersprechen. Der EU-Vertrag sieht – dafür haben die damals Beteiligten hart gekämpft – eine Verkleinerung der Kommission vor. Ist das nicht mehr unsere Meinung? Das steht aber im Vertrag. Seit dem 1. November 2014 hätte das auch so sein müssen, wenn nicht einige wenige Staaten dem widersprochen hätten. Wir als Freie Demokraten erwarten, dass man hier noch einmal rangeht. Eine Kommission mit 28 Kommissaren – wie auch immer strukturiert – ist zu groß, zu kompliziert und zu schwerfällig.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb wäre es richtig und hilfreich, an die betreffende Passage des Vertrages zu erinnern, die wir aus guten Gründen aufgenommen haben. Wir brauchen eine effizientere Kommission. Es stimmt, dass der amtierende Kommissionspräsident dafür einiges getan hat. Aber es reicht uns noch nicht.

Kollege Link, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Krichbaum?

Gerne.

Verehrter Kollege Link, ich weiß natürlich nicht nur um den Vorschlag der FDP, die Kommission zu verkleinern, sondern auch, dass es so tatsächlich im Vertrag von Lissabon steht.

Aber: Hat man sich in der FDP einmal damit auseinandergesetzt, dass wir Irland bei dem damaligen Referendum in die Hand versprochen hatten, dass dieses Land seinen Kommissar wird behalten können? Es klingt zwar vordergründig gut, die Kommission zu verkleinern, und häufig wird mit Einsparungen argumentiert. Aber wir müssen auch wissen, dass der Kommissar gerade für vermeintlich kleinere Mitgliedstaaten eine enorme Bindungskraft zwischen Brüssel und den jeweiligen Hauptstädten – um nicht zu sagen: dem jeweiligen Land – hat. Das wird von unserer Seite oft unterschätzt, zumal wir in Deutschland aufgrund unserer geografischen Lage verwöhnt sind. Wir befinden uns mitten in Europa und relativ nah an Brüssel, aber es gibt Länder, die geografisch ganz woanders liegen, für die Brüssel weit weg ist. Da fungiert ein Kommissar gewissermaßen auch als Botschafter eines Landes.

Ich glaube, genau diese Dinge darf man nicht unterschätzen, auch wenn ich weiß, dass ein solcher Vorschlag zur Verkleinerung der Kommission innerhalb der Bundesregierung auf große Gegenliebe stößt.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Krichbaum, natürlich würden sich sehr viele Mitgliedstaaten wünschen, einen nationalen Kommissar zu entsenden. Nur: Es ist zum Glück nicht so, dass der Kommissar das Eigentum eines Staates ist oder dass er der offizielle Vertreter ist. Es ist gut, dass das nicht so ist. Wir wollen eigentlich dahin kommen, dass die Kommission nicht mehr aus rein nationalen Vertretern, die sich nur ihrer nationalen Herkunft verpflichtet fühlen, zusammengesetzt ist, sondern dass die Kommissare das gesamte Europa vertreten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Das ist für uns ein entscheidender Punkt.

Wir treten auch weiterhin für die Verkleinerung der Kommission ein – nicht, weil wir sparen wollen, sondern weil wir es für wesentlich effizienter halten – danke für die Frage –, in diesem Zusammenhang über bessere Rechtsetzung zu reden. Mehr Kommissare heißt auch: mehr Kommissare, die im eigenen Bereich Richtlinien erlassen wollen. Das führt, offen gesagt, zu mancher Richtlinie, die vielleicht besser dort geblieben wäre, wo sie herkommt, nämlich im Ideenpool eines Kommissars.

Je mehr Portfolios Sie haben, desto mehr wird der Wunsch wachsen, auch im eigenen Bereich Recht zu setzen. Und das führt uns wieder zu den vielen Problemen, bei denen wir dann – Stichwort „Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit“ – Überregulierung haben. Also: Weniger ist mehr. Das ist für uns ein ganz wichtiges Prinzip. Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung, dass diese Passage des Lissabonner Vertrags umgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP)

Die Kommission wäre gut beraten, dieses Thema anzugehen. Es wäre schön, wenn die Bundesregierung nach der Wahl die Initiative ergreifen könnte, noch mal darüber zu reden. Ich weiß, das ist schwierig, aber Sie kriegen so etwas, wenn überhaupt jemals, nur nach einer Wahl und in der Phase einer neuen Kommissionsbildung durch, ansonsten ist die Chance für fünf Jahre wieder vorbei. Es ist schwierig; das wissen wir, völlig klar. Aber es wäre jetzt eine wichtige Gelegenheit.

Es wäre auch eine Gelegenheit, das Thema „gemeinsames Verständnis von Rechtsetzung“ anzugehen. Der sehr spannende Bericht der Taskforce für Subsidiarität, die Kommissar Timmermans und Kommissionpräsident Juncker eingesetzt hatten, ist leider viel zu wenig gelesen worden. Er beinhaltet spannende Ausführungen über die Frage, wie das, was auch im Vertrag drinsteht – nämlich Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit –, eigentlich gelebt werden soll.

Uns fehlt – auch darauf ist hingewiesen worden – ein gemeinsames Verständnis von Subsidiarität. Wenn Sie so wollen: Es fehlt uns auch ein gemeinsames Prüfraster für die juristischen Feinheiten und die Anwendung. Das ist ein Punkt, den wir angehen müssen, auch als Bundestag.

Es wäre wichtig, wenn wir die Anregungen, die aus Politik und Wissenschaft kommen, aufgreifen und den Versuch unternehmen würden, uns als Bundestag zum Beispiel zu einem Prüfraster für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu positionieren. Das erleichtert uns, ein gemeinsames Verständnis für diesen wichtigen Punkt zu finden. Denn wir wollen ja gerade nicht, glaube ich, dass wir in den Bereichen, in denen die Kompetenzen auf der Ebene der Mitgliedstaaten besser aufgehoben sind, eine Überregulierung haben. Gleichzeitig wollen wir aber eine bessere Regulierung. Es geht bei Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nicht um Kompetenzen, es geht vielmehr um bessere Rechtsetzung.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Das große inhaltliche Thema dieses Jahres wird trotz der Wahlen – Sie werden das wahrscheinlich rund um den Gipfel von Hermannstadt noch mal sehr deutlich sehen – die Debatte über den EU-Haushalt sein. Ich glaube, dass die Bundesregierung vorsichtig sein sollte, hier zu früh zu viel Geld zu versprechen. Niemand ist dagegen, dass wir die EU besser und stärker finanzieren. Niemand ist dagegen, insbesondere weil wir in vielen Bereichen neue Aufgaben für die EU haben, gerade im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, der Außen- und Sicherheitspolitik, im Bereich der Forschung, der künstlichen Intelligenz, HORIZON usw. usf. Wir wollen dafür mehr tun, aber dann müssen wir vorher eine vernünftige Ausgabenkritik durchführen.

Es lohnt sich, mal genau in den letzten Bericht des Europäischen Rechnungshofes reinzuschauen. Dort werden detailliert die Fehlausgaben und extremen Probleme im Bereich der Strukturfonds, im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik aufgeführt. Gleichzeitig wird die Tatsache sichtbar, dass wir zu wenig Geld haben für die anderen Bereiche, die ich erwähnt habe, wie zum Beispiel internationales Handeln. Hier müssen wir ran.

Wir können das Thema nicht angehen, indem wir einfach sofort neues Geld bereitstellen, sondern wir brauchen eine solide Ausgabenkritik. Dann können wir im EU-Haushalt für diese neuen Aufgaben Spielräume schaffen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Nord für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322701
Wahlperiode 19
Sitzung 78
Tagesordnungspunkt Arbeitsprogramm 2019 der Europäischen Kommission
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