01.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 78 / Zusatzpunkt 10

Karl-Heinz BrunnerSPD - Aktuelle Stunde/ INF-Vertrag bewahren

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Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Selten ist eine Aktuelle Stunde so aktuell wie diese: Etwa vor einer Stunde hat Mike Pompeo in Washington die Erklärung abgegeben, dass die USA aus dem INF-Vertrag – ich sage bewusst – aussteigen wollen. Er hat die Kündigung ausgesprochen, einen Tag vor Ablauf der Frist und eine halbe Stunde, nachdem die Kanzlerin die Begründung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bereits geliefert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir könnten an dieser Stelle von historischen Augenblicken sprechen. Wir könnten darüber sprechen, wie wichtig allein der INF-Vertrag ist. Wir könnten auch darüber sprechen – wie es die Linke und die AfD gern möchten –, dass das Ende des INF-Vertrags womöglich der Anfang einer neuen Aufrüstungsspirale ist,

(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Nein, gerade nicht!)

der Beginn von weniger Stabilität, der Beginn von mehr Unsicherheit. Ich möchte aber auch darüber sprechen, dass die Möglichkeit besteht, dass dieser Vertrag nach der 60-Tage-Frist in kein neues Regelwerk einfließt, dass dies auch eine Nichtverlängerung des New-START-Abkommens im Jahr 2021 zur Folge haben könnte oder dass dies als das von dem einen oder anderen in der Diskussion noch nicht gehörte, aber bereits leise klingelnde Totenglöckchen für den NVV, den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, anzusehen ist.

Warum sage ich das, meine sehr verehrten Damen und Herren? Weil ich die Bemühungen unseres Außenministers und des Auswärtigen Amts in den vergangenen Wochen gesehen und gemerkt habe.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ein Totalausfall war das!)

Ich habe aber auch ganz deutlich gesehen, dass wir mit einer deutschen Lösung, einer solitären Lösung der Bundesrepublik Deutschland, keinen Erfolg haben werden. Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Unsere Antwort muss Europa sein!

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])

Warum haben die Vereinigten Staaten von Amerika und die Russische Föderation als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, zumindest in diesem Falle, kein Interesse mehr an diesem Vertragswerk? Das wurde bereits vom Kollegen Kiesewetter ausgeführt: weil China, Nordkorea, Pakistan, Indien und auch andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens an Atomwaffen arbeiten. Es hat aber auch damit zu tun, dass die beiden Protagonisten kein Interesse an den multilateralen Verträgen dieser Welt haben, sondern nur bilateral Entscheidungen und Vereinbarungen treffen sowie Verträge schließen wollen.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist für uns in Europa nicht weiter zu ertragen. Wir in Europa waren in den vergangenen Wochen und Monaten dieses Vorspiels bis zum heutigen Tage viel zu stumm, wir haben diese Eskalation zugelassen und nur zugeschaut, weil in Europa der Spaltpilz und die Zentrifugalkräfte dieses Kontinents stärker sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir einige wichtige Punkte berücksichtigen müssen. Wir müssen erstens die sechs Monate, die uns Zeit bleiben – also diesen Zeitgewinn –, dazu nutzen, Europa wieder ins Spiel zu bringen, ein gemeinsames Europa, ein starkes Europa, ein Europa, das mit einer Stimme spricht und als Player auf dem Spielfeld zurückbleibt.

Was müssen wir dazu tun? Wir müssen zweitens die Zweifel unserer östlichen Partner und Nachbarn ausräumen, dass die Bundesrepublik Deutschland als die wirtschaftlich stärkste und militärisch zweitstärkste Kraft in Europa

(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Der war gut! – Tino Chrupalla [AfD]: Weiter, weiter, weiter! Mit drei Panzern!)

das Schutzbedürfnis nicht sichert, und klarmachen, dass sie den Artikel 5 des NATO-Vertrags nicht nur unterzeichnet hat, sondern auch als Versprechen der Sicherheit unserer Nachbarn ernst nimmt, nicht nur aus Gründen historischen Zweifels, sondern auch aus der Notwendigkeit unserer eigenen Sicherheit.

Wir müssen drittens die Wiederbelebung der sogenannten Verification Commission auf den Weg bringen,

(Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Sehr richtig!)

um auch dort den nuklearen Bereich miteinzubeziehen und die Möglichkeit zu bieten, über die Verifikation einen Schritt weiterzukommen. Denn unser Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss sein, wieder eine verlässliche europäische Sicherheitsstruktur zu erhalten, eine Sicherheitsstruktur, bei der wir wissen müssen, dass, wenn es tatsächlich zu einer Nachrüstung käme, Europa im Zentrum stehen würde. Die Chance für Europa liegt aber nur darin, den Frieden dieses Kontinents zu sichern und unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brunner. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7322788
Wahlperiode 19
Sitzung 78
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde/ INF-Vertrag bewahren
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