14.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 5

Martin PatzeltCDU/CSU - Jahresberichte zur Menschenrechtssituation

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste in unserem Haus! Im Frühjahr 2017 hatte ich ein Gespräch mit dem philippinischen Innenminister. Er verwies, als ich die Achtung der Menschenrechte in seinem Land anfragte, darauf, dass die Drogenkriminalität und die furchtbare Armut im Land solche Maßnahmen und drastischen Mittel erfordern würden. Das erinnerte mich sehr stark an meine Erfahrungen in der DDR, in der die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen mit allen Machtmitteln einer Diktatur – angefangen von der Gehirnwäsche in Kitas und Schulen über strafbewehrte Unterdrückung von Meinungs- und Pressefreiheit bis hin zum Einsperren eines ganzen Staatsvolkes – als notwendig erachtet wurde.

Die Geschichte hat solchen Konzepten auf Dauer nie recht gegeben. Unrecht summierte sich. Machterhalt wurde zum ausschließlichen Motiv politischen Handelns. Menschenrechte können nicht durch die Verletzung von Menschenrechten durchgesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wo Menschenrechte strukturell und nachhaltig verletzt werden, ist nachweislich ein wirtschaftlicher Niedergang, zumindest langfristig, unausweichlich.

In der Sitzung des Menschenrechtsausschusses des philippinischen Parlaments fragte ich die Abgeordneten, ob sie dem Gesetzentwurf für die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Senkung der Strafmündigkeit auf das 12. Lebensjahr zustimmen würden. Da spürte ich die große Angst der Abgeordneten vor dem langen Arm ­Dutertes.

Um wie viel mehr rührten mich Mut und Standhaftigkeit junger intellektueller Menschenrechtsverteidiger in Vietnam an, die Arbeit und Wohnung verloren hatten und der Willkür von Schlägertrupps ausgesetzt waren. Ich konnte mit meinem Diplomatenpass nach dem gemeinsamen Protest vor dem Gerichtsgebäude wieder abreisen, während die vietnamesischen Protestierenden in Busse mit Richtung Gefängnis verladen wurden.

Unermüdlich protestieren Menschen in aller Welt gewaltlos für Menschenrechte. Sie nehmen dafür Repressalien, Inhaftierung und Lager als unausweichliche Konsequenz in Kauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschenrechte gibt es nicht zum Nulltarif. Sie kosten Mut und manchmal auch Verzicht. Wie viel sind wir eigentlich bereit dafür zu investieren?

Mit solchen Erfahrungen schaue ich auf unsere vergleichbar äußerst komfortable menschenrechtliche Situation und bemerke, wie schmal die Kruste unserer in das Grundgesetz und in die europäische Verfassung geschriebenen menschenrechtlichen Überzeugung noch ist.

Nicht selten musste ich in meinen Gesprächen mit Wählern die Grauzonen, ja die Grenzüberschreitungen des Denkens und Fühlens bezüglich der Akzeptanz der Menschenrechte für jeden Menschen gleichermaßen bemerken, insbesondere dann, wenn sich die Angst um das Eigene und die Sicherheit, um Eigentum und Identität ausbreitete und dies aus politischem Kalkül von politischen Mitbewerbern noch massiv und unter Ausnutzung menschenrechtlicher Tabubrüche gefördert wurde.

Der Blick auf die Menschenrechtssituation im eigenen Land verlangt auch eine schonungslose Selbstreflexion; meine Vorredner haben das schon gesagt. Um einige Baustellen aus meiner Sicht anzudeuten: Wie gehen wir mit den Rechten von Kindern, auch von ungeborenen, um, wenn Selbstverwirklichungsinteressen der Eltern das Aufwachsen der Kinder schwerer werden lassen? Welche Antworten geben wir jungen Menschen, wenn sie angesichts der demografischen Entwicklung und einer hemmungslosen Nutzung endlicher Ressourcen durch uns Alte nach ihrer Zukunft fragen? Wie weit überlassen wir das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zukünftig der unbestechlichen Logik digitaler Kalkulationen?

Menschenrechte sind für uns eine andauernde, eine bleibende Baustelle. Sie verlangen zunächst immer den Blick auf und Einsatz für die Schwächeren: Kinder, Pflegebedürftige, sozial Schwache, Andersdenkende, Unangepasste, Fremde. Unsere materiellen Möglichkeiten – unser Reichtum – erlauben uns, materielle Grundbedürfnisse aller Menschen im Land gesetzlich zu sichern. Aber bewegt uns dabei auch die Frage, auf wessen Kosten wir diesen Wohlstand halten, was wir den Ärmsten in der Welt für ihre Rohstoffe, Produkte und Dienstleistungen zu zahlen bereit sind? Sind wir uns bewusst, dass die Verwirklichung von Menschenrechten in aller Welt nicht von unserer ständigen Ermahnung, sondern in entscheidendem Maße von der Sicherung der Grundbedürfnisse und einem Minimum an Bildung der Menschen in der Welt abhängt?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dass uns die menschenrechtliche Situation der vielen Armen in einer sich mehr und mehr vernetzenden Welt einholen wird, ist schon an der zunehmenden Migration, den Asylbegehren und dem Zusammenbrechen bisher lukrativer Märkte sichtbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen unsere menschenrechtlichen Überzeugungen nicht wie eine Monstranz vor uns hertragen und im Gefolge dieser Prozession für die eigenen Baustellen und für die Verantwortlichkeiten in der Welt blind bleiben. Deshalb hätte es uns gefreut, wenn in dem Bericht des DIMR auch mehr auf die internationale Situation abgehoben worden wäre, allein schon wegen unserer eigenen Verantwortlichkeiten.

(Beifall des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Für uns Deutsche sollten die Menschenrechte zum genetischen Code unseres Denkens und Handelns werden. Nach unserer historischen Erfahrung kann der zeitlich rasante Rückfall in furchtbare Barbarei eine neue nationale Identität wachsen lassen, die weit über die Sackgasse sich einigelnder Nationalismen hinausweist – Großbritannien und die USA lassen grüßen –: Deutschland für die eine Welt, in der Menschenrechte eine Chance haben! Entwicklungspolitisch gehen wir mit unseren Erfahrungen und unserem Leistungsvermögen vorneweg. Wir sind um die Menschenrechte in aller Welt wie bei uns selber bemüht – nicht allein durch Forderungen und Erwartungen an andere, sondern durch tatsächliche Hilfe, die mehr ist als ein Feigenblatt. Auf unser Land schaut die Welt viel mehr, als es uns bewusst wird. Sie wird unsere Schwachstellen, unsere Brüchigkeit und Halbherzigkeit genauso erkennen wie unsere beispielgebenden Taten.

Unsere Fraktion nimmt den Bericht zur Kenntnis und wird den Anträgen der Fraktionen der Linken, der Grünen und der FDP nicht zustimmen.

Kollege Patzelt, achten Sie bitte auf die Zeit.

Fernab von schwer zu verwirklichenden Maximalforderungen, Utopien und Ideologien wollen wir beharrlich Schritt für Schritt auf dem Weg bleiben, beispielweise mit dem Nationalen Aktionsplan aus 2014.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Matern von Marschall das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7325683
Wahlperiode 19
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Jahresberichte zur Menschenrechtssituation
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