Johann SaathoffSPD - Kohleausstieg
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Lektüre der Anträge von ganz links bis fast ganz rechts kann man feststellen, dass es Zustimmung zum Ergebnis der Strukturwandelkommission gibt, und das ist doch erst mal etwas Positives.
Man kann nicht wegdiskutieren, Frau Kollegin Baerbock, dass das auch ein Stück weit der Erfolg der SPD ist; denn wir haben diese Kommission in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen. Das Ergebnis tragen wir, jedenfalls auf der demokratischen Seite, gemeinsam. Darauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der SPD)
Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass es sich um ein ausgewogenes Ergebnis handelt
(Lachen des Abg. Martin Hebner [AfD])
und dass ihm ein breiter gesellschaftlicher Konsens zugrunde liegt. Darüber kann man noch so sehr lachen; am Ende ist es dieser breite gesellschaftliche Konsens, der dafür sorgen wird, dass diese schwierige Frage politisch auch umgesetzt werden kann.
(Beifall bei der SPD)
Umsetzen müssen wir das. In Ostfriesland würde man sagen: Well an Wunner lööft, is een, de in de Steerns kiekt un in’t Schloot löppt.
(Zurufe von der AfD: Oh!)
Mit anderen Worten: Wir haben richtig Arbeit vor uns. Mit dieser Arbeit wollen wir uns beschäftigen.
Mit dieser Arbeit haben Sie sich auch in Ihren Anträgen beschäftigt. Die FDP findet: Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist eine „Chance, Deutschland zum Weltmarktführer bei der Energie- und Umwelttechnologie zu machen“.
(Stephan Brandner [AfD]: Welche denn?)
Ich finde, damit haben Sie recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig finden Sie aber auch, dass eine Gefährdung für „die Konsolidierung der deutschen Staatsfinanzen“ vorliegt. Damit, finde ich, haben Sie nicht recht, und Sie müssten sich dann schon entscheiden, ob Sie das nun als Chance oder Risiko sehen wollen.
(Beifall bei der SPD)
Auf jeden Fall setzen Sie auf CCS-Technik. Für die Menschen, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigen, sage ich: Das heißt, CO 2 wird aus Abgasen herausgefiltert und dann in den Boden verpresst – in der Hoffnung, dass das dann auch im Boden bleibt. Keiner weiß, wie teuer das tatsächlich ist. Vor allen Dingen weiß keiner, welche Umweltauswirkungen das hat. Da gilt das Prinzip Hoffnung, meine Damen und Herren.
Die AfD befürchtet hohe Strompreise. Das haben wir gerade gehört.
(Stephan Brandner [AfD]: Herr Woidke auch!)
Ich habe als Kind immer gehört: Angst machen gilt nicht. – Das ist wieder mal Angstpolitik. Es gibt unabhängige Untersuchungen dazu. Die Preise könnten tatsächlich ansteigen – Sie haben recht – um 0,2 bis 0,4 Cent pro Kilowattstunde. Das entspricht ungefähr 1 Prozent des normalen Strompreises. Das können Sie locker über einen Anbieterwechsel kompensieren. Das können Sie locker mit dem, was die Kommission vorgeschlagen hat, kompensieren. Sie hat vorgeschlagen, dass die Netzentgelte gesenkt oder die Stromsteuer angepasst werden soll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Saathoff – ich habe die Uhr angehalten –, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hilse?
Nein.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Ich finde besonders interessant: Sie wollen CO 2 -Zertifikate kaufen und löschen, ohne dabei zu sagen, wer das eigentlich bezahlen soll. Am Ende werden es auch wieder die Stromkunden sein, die das bezahlen müssen – mal abgesehen davon, dass das, was Sie vorschlagen, europarechtlich extrem fraglich ist.
Sie sagen: Braunkohleverstromung hätte es eh nur bis 2045 und danach nicht mehr gegeben. Dabei lassen Sie völlig außer Acht, dass sich diese Kommission nicht nur damit beschäftigt hat, wann das Ende der Braunkohleverstromung eintritt. Sie hat sich vielmehr vor allen Dingen damit beschäftigt, was mit den Menschen in diesen Regionen passiert und wie der Strukturwandel abgefedert werden kann.
(Beifall bei der SPD)
Das scheint Ihnen völlig egal zu sein.
Sie klagen, dass nach Ende der Braunkohleförderung – das ist jetzt wirklich spannend – die Erhöhung der Abhängigkeit von Energieimporten eintritt. Der größte Primärenergieträger in Deutschland ist Öl – um das einmal klar zu sagen –, und das produzieren wir nicht in Deutschland. Wenn Sie in dieser Frage wirklich auch noch eine nationale Unabhängigkeit anstreben, dann müssen Sie sich massiv für erneuerbare Energien einsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Konsens wird darüber hinaus als Planwirtschaft bezeichnet. Das ist keine Planwirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein breiter Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen, und der ist nicht kleinzureden, sondern er ist mitzutragen und umzusetzen. Das gebietet auch die Achtung vor den Mitgliedern der Kommission. Hier geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch um Anstand und um Respekt.
(Beifall bei der SPD)
Es geht auch um Planungssicherheit für die Regionen selber. Denn die haben überhaupt nichts davon, wenn man diesen Konsens wieder zerredet. Sie haben vielmehr einen Anspruch darauf, dass wir ihn auch umsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben viel Arbeit vor uns – keine Frage. Aber man sieht an den Anträgen auch, dass es eine breite Bereitschaft zur Mitarbeit gibt, von ganz links bis kurz vor ganz rechts. Wir müssen alle möglichen Gesetze im Energiebereich anpassen – das EEG, das den Ausbaupfad beschreiben soll, inklusive der Entwicklung der Akzeptanz, die Netzentwicklungspläne, das Netzausbaubeschleunigungsgesetz, die Bundesbedarfsplangesetze –, und wir müssen eine ganze Abgaben- und Umlagenreform durchführen, damit die Bezahlbarkeit nach wie vor im Griff gehalten wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Arbeit, die wir zu tun haben, ist unerlässlich.
Gut ist, dass wir auch vorhaben, alle drei Jahre eine Zwischenüberprüfung unserer Ziele vorzunehmen, damit wir nicht am Ende des Prozesses merken, dass wir vielleicht in Schwierigkeiten sind.
Am Ende lassen Sie mich sagen: Sie reden immer alle miteinander – vor allen Dingen auf der äußerst rechten Seite – davon, dass es teuer wäre, die Energiewende einzuleiten. Keine Energiewende, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre die allerteuerste Lösung.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Karsten Hilse das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7325697 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg |