Oliver Wittke - Kohleausstieg
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eine Vorbemerkung und danach einige Punkte.
Zuerst die Vorbemerkung. Da dies heute die erste Debatte in diesem Hohen Haus nach der Übergabe des Abschlussberichtes der Kommission ist, möchte ich wiederholen, was ich schon in der Aktuellen Stunde vor 14 Tagen hier an dieser Stelle gesagt habe: Ich finde, es ist eine grandiose Leistung, dass es gelungen ist, über die gesellschaftlichen Gruppen hinweg – von Umweltverbänden über Gewerkschaften bis zu Arbeitgeberorganisationen, über die Wissenschaft bis hin zu den Betroffenen vor Ort – einen weitestgehenden Konsens herbeizuführen. Ehrlich gesagt, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Ich will deshalb auch im Namen der Bundesregierung den 28 Kommissionsmitgliedern noch einmal ganz herzlich dafür danken, dass sie das zustande gebracht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Saathoff, wir können jetzt über die Urheberschaft und die Idee lange streiten. Sie haben gesagt, die SPD habe das in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Ich könnte jetzt sagen, Peter Altmaier hat auf seinem Computer zu Hause den Einsetzungsbeschluss oder zumindest den Entwurf dafür selbst getippt. Ich finde, es war ein großes Gemeinschaftswerk dieser Koalition, das hinbekommen zu haben. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass wir den einen oder anderen in diesem Hause überrascht haben; denn Grüne, FDP und andere haben es nicht für möglich gehalten, was wir hinbekommen haben. Von daher ist es eine gute Basis für die Beratungen in den nächsten Wochen und Monaten in diesem Hohen Haus. – So viel als Vorbemerkung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will nun Punkte ansprechen, die mir ganz besonders wichtig sind.
Im Antrag der Grünen ist von „unverzüglich“ und „schnell“ die Rede, also von Eile. Ja, wir müssen die Pläne jetzt zügig umsetzen – das stimmt –, ja, wir müssen die Beschlüsse zügig angehen. Aber die Reihenfolge ist auch klar – das haben wir immer gesagt; das hat auch der Bundeswirtschaftsminister immer ausgeführt –: Wir reden zuerst über Strukturwandel und über die Menschen. Wir reden zuerst über die Arbeitsplätze und über das, was neu entstehen soll, und dann werden wir zeitnah auch über den Ausstieg aus der Braunkohle reden und werden auch die Steinkohle mit einbeziehen. Das muss die Reihenfolge sein. Die Menschen müssen Verlässlichkeit bei dieser Bundesregierung spüren, damit sie wissen, wir lassen sie nicht alleine.
Wenn ich das ehrlich sagen darf, Frau Baerbock: Sie haben hier gerade viel über Ausstiegsdaten gesprochen und haben gesagt: Das muss alles noch viel schneller gehen. – Es wäre schön gewesen, wenn Sie mehr über die Menschen gesprochen hätten, die wir bei diesem Prozess nämlich mitnehmen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Wo ich gerade beim Zeitplan bin, will ich hierzu einige Eckpunkte nennen. Das Sofortprogramm werden wir im nächsten Monat in Kraft setzen. 150 Millionen Euro stehen für strukturverbessernde Maßnahmen in den Kohlerevieren zur Verfügung. Wir haben ein Bündel an Vorschlägen von den Ministerpräsidenten der Kohleländer bekommen. Diese müssen schnell und sichtbar umgesetzt werden, damit die Menschen sehen, dass wir ernst machen und sagen: Erst kommen neue Arbeitsplätze, und dann kommt der Ausstieg. Wir lassen euch dabei nicht alleine.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Krischer?
Ja, gerne. Von Herrn Krischer immer.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
– Wir haben den gleichen Vornamen und kommen aus dem gleichen Bundesland. – Also bitte.
Herzlichen Dank, Herr Wittke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Bei aller Wertschätzung, mich wundert schon ein bisschen, dass der Minister anwesend ist, aber nicht zu diesem Thema redet. Denn Sie haben gerade ausgeführt, dass er den Kommissionseinsetzungstext höchstselbst am Frühstückstisch auf seinem Laptop getippt hat; es gibt viele Dinge, die Herr Altmaier zu Hause getippt hat, die die Welt schon beschäftigt haben. Aber es ist natürlich Ihre Sache, dass hier nicht der Minister redet, sondern Sie.
Sie haben vorhin von den Menschen gesprochen, die Klarheit brauchen. Da bin ich völlig bei Ihnen. Das muss passieren. Aber ist Ihnen bekannt – Sie kommen ja aus Nordrhein-Westfalen –, dass es auch Betroffene gibt, die keinen Tarifvertrag haben, die keine IG-BCE-Mitgliedschaft haben, die heute angesichts dieses Kommissionsergebnisses nicht wissen, ob sie noch in ihrem Haus bleiben können oder ob sie vertrieben werden? Wie gedenkt die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass es da schnell Klarheit gibt?
Es kann nicht so sein – so haben Sie das gerade dargestellt –, dass wir erst nur über die Strukturmaßnahmen reden – darüber muss man natürlich reden –, sondern wir müssen gleichzeitig auch über die Abschaltung von Kraftwerkskapazitäten und das Ende der Tagebauplanung sprechen. Denn erstens wartet die Klimakrise nicht, und zweitens brauchen auch die Betroffenen ohne Tarifvertrag Klarheit. Davon gibt es Tausende im rheinischen Revier und in Ostdeutschland. Sie müssen von Ihnen endlich ein klares Signal bekommen. Dieses Signal hat es von der Bundesregierung bisher nicht gegeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Kollege Krischer, natürlich hat es dieses Signal gegeben, und nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den entsprechenden Landesregierungen. Sie wissen, dass die Braunkohleplanung keine Bundesangelegenheit ist, sondern dass die Braunkohlepläne in den einzelnen Bundesländern erarbeitet werden müssen. Sie wissen auch, dass diese Prozesse Zeit in Anspruch nehmen werden. Wenn ich mir dann noch vorstelle, dass gegen diese Verfahren von wem auch immer geklagt werden könnte – Sie haben ja große Erfahrungen damit, gegen Infrastrukturprojekte zu klagen –, wage ich nicht, schon heute das genaue Datum zu nennen, wann wer welches Haus verlässt. Wir werden auch Zeit benötigen, um beispielsweise den Braunkohleplan, den der nordrhein-westfälische Landtag mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen erst vor drei oder vier Jahren geändert hat, einer erneuten Änderung zu unterwerfen. Diese Zeit brauchen wir. Darum streuen Sie den Menschen Sand in die Augen, wenn Sie ihnen sagen, dass das jetzt ganz schnell geht und man ihnen nächste Woche sagen kann, was passiert.
Wer glaubt, den Menschen gerichtsfest und sicher sagen zu können, wann was passiert, der betreibt Schindluder mit dem Vertrauen, das die Menschen in uns setzen. Sie wecken da Erwartungen, die Sie am Ende nicht erfüllen können. Das wissen Sie ganz genau. Das können Sie auch nur tun, weil Sie nicht in der Verantwortung stehen. Als Sie in Nordrhein-Westfalen noch selbst Braunkohlepläne gemacht haben, haben Sie sich anders verhalten, als Sie es hier im Deutschen Bundestag tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich will noch einige Bemerkungen zum Maßnahmengesetz machen. Wir werden Ende April die Eckpunkte für das Maßnahmengesetz vorlegen. Der Referentenentwurf soll dann im Mai vorliegen, sodass wir beispielsweise ein Sofortprogramm für unternehmerische Investitionen für das Jahr 2020 aufsetzen können. Diese Maßnahmen können dann schon 2020 und 2021 laufen. Ich weiß, dass auch das ein ganz wichtiges Signal ist.
Wir haben im Übrigen schon eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die in den Anträgen gefordert werden. Die FDP fordert beispielsweise, dass wissenschaftliche Institute in die Braunkohlerückzugsgebiete gehen. Ist Ihnen nicht zur Kenntnis gelangt, dass das DLR-Institut für CO 2 -arme Industrieprozesse in der Lausitz angesiedelt werden soll?
(Dr. Martin Neumann [FDP]: Werden soll!)
Dies wurde kürzlich beschlossen. Haben Sie nicht mitbekommen, dass das DLR-Institut für energieeffiziente Antriebe in der Luftfahrt nach Cottbus geht? Haben Sie nicht mitbekommen, dass das Fraunhofer-Institut für Energieinfrastruktur nach Jülich geht? Haben Sie nicht mitbekommen, dass die Förderbekanntmachung zu Reallaboren in der Energiewende auf den Weg gebracht worden ist? Das alles sind Maßnahmen, die wir schon auf den Weg gebracht haben. Das heißt, Schnelligkeit müssen Sie von uns nicht einfordern. Vieles von dem, was Sie in Ihren Anträgen fordern, ist bereits erfüllt worden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch eine Bemerkung zu dem Antrag der Grünen machen. Er ist ja gerade von Frau Baerbock als schlank bezeichnet worden.
(Johann Saathoff [SPD]: Dünn!)
Man könnte ihn auch als dünn bezeichnen; das ist wahrscheinlich der bessere Ausdruck. Mich hat geärgert, dass Sie in Ihrem Antrag kein Wort zum Strukturwandel geschrieben haben, dass Sie kein Wort zu Arbeitsplätzen geschrieben haben und dass Sie kein Wort zur Zukunft der Reviere geschrieben haben. Stattdessen haben Sie Ihren Fokus allein darauf gerichtet, wie man noch schneller aus der Kohle aussteigen kann, wie man noch mehr CO 2 einsparen kann. Das heißt, für Sie ist das keine Strukturwandelkommission gewesen. Sie schreiben ja auch in Ihrem Antrag, es sei eine Kohlekommission gewesen. Das war sie aber nicht. Es war eine Strukturwandelkommission. Sie denken nicht an die Menschen. Wir denken an die Menschen. Das ist der Unterschied.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lesen Sie einmal den Text!)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rainer Kraft für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7325702 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg |