Bernhard DaldrupSPD - Bekämpfung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zu diesem Tagesordnungspunkt zwei Anträge vorliegen, von denen ich meine, dass sie sich mit einem wichtigen Thema seriös auseinandersetzen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und deswegen diskutiere ich darüber auch so.
Wir haben eben Ihren Beitrag gehört, Herr Spangenberg. Es war zwar nicht so viel zu verstehen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
aber Sie haben irgendwie mit Sozialneid angefangen und dann ein Bild von Gesellschaft gezeichnet, das wiederum das, was ich schon vorher wusste, wieder mal bestätigt: Sie sind dieser Gesellschaft eigentlich fremd. Sie verstehen sie nicht.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es gut, dass das Thema heute aufgegriffen wird. Obdach- oder Wohnungslosigkeit ist individuell eine ganz dramatische Situation. Das ist allerdings keineswegs nur sozusagen auf Wohnungslosigkeit zu reduzieren, aber es ist ganz zweifellos das Hauptthema. Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit macht Armut in diesem Land sichtbar. Wir sehen sie auf den Straßen unserer Städte. Deswegen ist es richtig, dass wir uns auch damit beschäftigen.
Ja, die Zahlen steigen; das stimmt. Das wissen wir auch ohne überprüfbare Statistiken. In einigen Ländern haben wir so was allerdings. In Nordrhein-Westfalen haben die Sozialdemokraten dafür gesorgt, dass es so etwas gibt.
Aber ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, die Aussage „Die Bundesregierung sieht seit Jahrzehnten untätig zu“ entwertet ein bisschen die Ernsthaftigkeit der Debatte, die wir zu dem Thema führen. Ich glaube, das ist nicht richtig.
Die Frage muss lauten: Wer muss eigentlich etwas tun? Was muss getan werden, und reicht es? Wohnungslosigkeit hat nämlich viele Ursachen, bei deren Bekämpfung meines Erachtens – das steht auch im Antrag der Grünen unter dem Begriff „Primärprävention“ – der vorsorgende Sozialstaat eine große Rolle spielt, vielleicht manchmal sogar mehr als der reparierende oder reagierende.
Wir haben heute Morgen gehört, was Franziska Giffey zu dem Starke-Familien-Gesetz gesagt hat. Wir haben gehört, dass es einen höheren Kinderzuschlag und mehr Geld im Bereich von Bildung und Teilhabe geben soll; 1 Milliarde Euro gegen Kinderarmut. Das alles gehört dazu. Bei anderen Altersgruppen gehört eine erhöhte Grundrente dazu.
(Beifall bei der SPD)
Das sind die Bedingungen für den vorsorgenden Sozialstaat, um den wir uns kümmern müssen, wenn wir darüber reden.
Zuständig – das ist aber kein Wegschieben; überhaupt nicht – sind auch Länder und Kommunen, selbstverständlich, wie auch die Kreise. Wenn die Grünen sagen, man müsse einen Dialog beginnen, dann sage ich, und ich weiß, wovon ich rede: Diesen Dialog gibt es schon lange und intensiv. – Und ich weiß, dass angespannte Wohnungsmärkte dazu führen, dass sich Städte und Gemeinden mit viel Engagement, viel Einsatz und im Übrigen auch mit viel Geld um die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit kümmern.
Es gibt kaum eine Stadt, die sich nicht wirklich umfassend darum kümmert, Wohnungsnot zu bekämpfen. In München geht es sogar so weit, dass nicht nur leerstehende Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden, sondern auch Pensionen angemietet werden, um Angebote zu machen. Es gibt eine ganz kompetente und komplexe Sozialberatung dazu, wie es sie beispielsweise auch in Frankfurt und Hannover gibt, wo alle Möglichkeiten genutzt werden.
(Beifall der Abg. Kerstin Tack [SPD])
Ich kann Ihnen auch Duisburg nennen mit seinen 108 Häusern in den statistischen Bezirken, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Es gibt viele, viele gute Geschichten, auch in Dortmund beispielsweise.
Aber am Schluss heißt es trotzdem: Trotz höchster Not lassen sich nicht alle helfen. Aber der Anspruch bleibt: Integration in das qualifizierte Hilfesystem ist unser Anspruch dabei.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist also keineswegs so, wie in dem Antrag zu lesen war. Nicht soziale Kälte, sondern Engagement, gesetzlich wie ehrenamtlich, prägt die Haltung von Staat und Gesellschaft in diesem Land, jedenfalls gegenüber Menschen, die wohnungslos sind.
Ich will aber gar nicht davon ablenken: Wohnungsnot hat in erster Linie mit Wohnungsmangel zu tun. Deswegen sage ich Ihnen: Wir nehmen das Recht auf Wohnen ernst, indem wir erstens Mieterinnen und Mieter besser schützen, nämlich mit einem Mietrechtsanpassungsgesetz, das hier thematisiert worden ist, indem wir zweitens das Wohngeld deutlich erhöhen und uns der Aufgabe stellen, indem wir drittens Mietspiegel anpassen, indem wir viertens mit unglaublich viel Geld soziale Wohnraumförderung betreiben und indem wir uns fünftens um Stadtentwicklung, Städtebauförderung und soziale Quartiere kümmern, um auf diese Weise Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit vorbeugend zu vermeiden.
Trotzdem freue ich mich auf die Beratung der Anträge.
Kollege Daldrup!
Frau Präsidentin, ich wollte nur noch diesen Satz sagen.
Es ist alles okay. Ich will nur nicht, dass Ihre Kollegin Ihnen böse wird, wenn ich ihr Ihre Redezeit anrechne.
(Beifall bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Das war ein starkes Argument!)
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Hagen Reinhold das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7325821 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit |