14.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 80 / Zusatzpunkt 8

Karsten MöringCDU/CSU - Bekämpfung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Kühn recht dankbar dafür, dass er noch mal darauf hingewiesen hat, dass wir ein Menschenrecht auf Wohnraum haben. Die Debatte, die wir heute führen, muss durchaus von Ernsthaftigkeit gezeichnet sein, weil es hier um individuelle Schicksale geht, mit denen man nicht einfach spielen kann. Man sollte aus denen aber auch nicht unbedingt politischen Honig saugen, wie wir es vorhin gehört haben,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU] und Ulli Nissen [SPD])

wie es aber leider auch in dem einen oder anderen Teil der vorliegenden Anträge geschieht.

Die Frage, wer welche Aufgabe zu erfüllen hat, ist nicht einfach so wegzuschieben. Wir haben vom Kollegen Daldrup und von meiner Kollegin Weisgerber vorhin gehört, was auf der Ebene des Bundes alles gemacht wird, um dieses Problem zu lösen. Das ist wirklich viel. Im Antrag der Grünen steht, dass die Primärprävention zu stärken ist, also dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum und mehr Geld maßgeblich sind, um der Wohnungslosigkeit entgegenzutreten. Mehr Mittel bereitzustellen, ist nicht unser Problem. Unser Problem liegt woanders, nämlich bei der Umsetzung, die in den Ländern und in den Kommunen passieren muss.

Liebe Grüne, ich appelliere an Sie – Sie sitzen in genug Landesregierungen und in genug Kommunalregierungen –: Sorgen auch Sie in diesen Bereichen dafür, dass ausreichend Bauland zur Verfügung gestellt wird, damit auch gebaut werden kann. Denn – das ist schon gesagt worden –: Das ist unser Engpass. – Da gibt es eine Aufgabe, die auch Sie erfüllen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite Punkt, an dem Sie mitwirken können: Machen Sie sich doch mal stark dafür, dass wir die Grundgesetzänderung durchkriegen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

damit wir die Länder weiterhin dauerhaft bei der sozialen Wohnraumförderung unterstützen können. Das ist doch die Voraussetzung dafür, dass das Problem besser angegangen werden kann.

Zum Antrag der Linken, in dem – Herr Kühn, Sie haben es auch gefordert – eine Wohnungsnotfallstatistik verlangt wird: Es ist doch sichtbar und erkennbar, dass es sich um ein großes Problem handelt. Wozu brauchen wir noch mehr Zahlen? Nordrhein-Westfalen – Herr Daldrup hat darauf hingewiesen – hat seit Jahren eine Wohnungslosenstatistik, die auch die jetzige Regierung fortführt. Hinter ihr versteckt sich keiner; sie macht vielmehr die Dimension dieses Problems deutlich. Es geht nunmehr darum: Was muss man tun? Es gibt einige interessante Aspekte – darauf ist schon hingewiesen worden –, die wir in den Ausschussberatungen noch mal vertiefen müssen. Es gibt aber auch welche, die so klingen, aber in der Durchführung sehr ambivalent sind, und einige sehr populistische Forderungen. Nun ist es sehr schön, zu fordern: Zwangsräumungen müssen verboten werden. Es ist sehr schön, zu fordern: Schufa-Auskünfte dürfen nicht erfragt werden.

Ich will Ihnen eine Geschichte aus meinem Wahlkreis erzählen, bei der die Kehrseite dieser Forderungen zum Tragen kommt. Ein Ehepaar hat ein Haus mit vier Wohnungen geerbt und vermietet diese. Es handelt sich um eine mittlere Wohnlage in ordentlichem Zustand, keine besonders hohe Miete; alles ganz ordentlich, so wie wir uns das von privaten Vermietern wünschen. In den letzten zehn Jahren haben sie bei der Neubelegung ihrer Wohnungen dreimal Mietnomaden gehabt: einmal einen, den sie einigermaßen glücklich wieder losgeworden sind. Das nächste Mal war fast existenziell; da waren es zwei, und es ging einmal über Monate, in einem Fall sogar über Jahre. Das führte so weit, dass die Kredite für das Haus nicht mehr bezahlt werden konnten. Das Ehepaar musste Erbauseinandersetzung durchführen und stand kurz vor der Zwangsversteigerung.

(Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Auch das muss man berücksichtigen. Wir können doch kein Interesse daran haben, dass die Möglichkeiten für Vermieter – da geht es mir nicht um die großen Wohnungsunternehmen; die haben andere Möglichkeiten –, also vor allen Dingen für die vielen Vermieter mit einer mittleren Anzahl von Wohnungen, die ihren Beitrag zur Wohnungsversorgung leisten und das ordentlich tun, eingeschränkt werden. Auch deren Möglichkeiten müssen gesichert bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Magnitz [AfD])

Also, so einfach geht es nicht.

Trotzdem: Die Probleme sind groß. Ich möchte an dem Beispiel meiner Stadt Köln ein paar Punkte dazu sagen, wie in einer Kommune dieses Problem geregelt werden kann.

Die Stadt Köln hat 10 000 Wohnungen, für die sie das Belegrecht hat. Diese befinden sich zum Teil in eigenen Gesellschaften, zum Teil sind das angekaufte Rechte. Diese Wohnungen werden benutzt, um Wohnungsnot zu verhindern. Mieter können sich selbst auf diese Wohnungen bewerben. Sie müssen nicht hingehen und sagen: „Weis mir eine Wohnung zu“, sondern sie können sich dort eine suchen, was im Hinblick auf die Würde der Betroffenen nicht völlig ohne Sinn und Verstand ist. Ferner gibt es eine Reihe von Wohnungen, die für Notfälle freigehalten werden, in die man kurzfristig Leute reinsetzen kann. Da sind auch freie Wohnungsgesellschaften dabei, also nicht nur städtische. Das ist der eine Punkt.

Ergänzt wird das um niederschwellige Angebote, um Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Niederschwellige Angebote heißt: Da können Leute tagsüber rein, sich aufwärmen, da können sie was essen, da können sie Wäsche waschen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Anlaufpunkten. Das kostet zwar alles Geld, es ist aber gut investiertes Geld.

Außerdem gibt es Winterschlafplätze mit geheizten Schlafmöglichkeiten, damit keiner im Winter auf der Straße liegen und erfrieren muss. Wenn trotzdem welche auf der Straße liegen und erfrieren, dann hat das auch mit der individuellen Situation Einzelner zu tun: mit psychischen Problemen, mit Hunden – für die gibt es übrigens auch eigene Plätze –, mit Krankheiten, mit Unverträglichkeiten, mit Psychosen, mit Angstzuständen, wenn man in geschlossenen Räumen oder mit anderen Leuten zusammen ist. All diese Dinge hindern viele daran, das Angebot anzunehmen. Dafür gibt es dann Möglichkeiten zur gesundheitlichen Vorsorge im Gesundheitsamt der Stadt Köln, wo Angebote bis hin zur psychischen Betreuung vorgehalten werden.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ergänzt um ehrenamtliche Tätigkeit – der Dank ist schon ausgesprochen worden, die Wiederholung kann ich mir sparen; ich finde aber richtig, dass wir das noch mal deutlich machen –, sind die Möglichkeiten, die eine Kommune hat: Zuwendungen, personeller Einsatz, materielles Vorhalten. Das ist der Kern zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit – vorausgesetzt, dass wir es schaffen, das Wohnungsangebot so groß zu machen, dass man auch eine Wohnung findet, wenn man sie braucht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel Föst [FDP])

Abschließend hat nun Ulli Nissen für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7325824
Wahlperiode 19
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Bekämpfung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine