Jana SchimkeCDU/CSU - Bekämpfung der Altersarmut
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man hat schon den Eindruck, dass wir uns in diesen Tagen in der Rentendebatte in einem Überbietungswettbewerb befinden. 15 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent Freibetrag in der gesetzlichen Rente – das sind die Vorschläge, die im Raum stehen. Es geht im weitesten Sinne immer darum: Was ist in unserer Gesellschaft gerecht? Was ist an unserem Rentensystem gerecht? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie daran erinnern: Denken Sie bei der Frage, was gerecht ist, bitte auch an diejenigen, die all das bezahlen müssen:
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
an die Beitragszahler, an die Steuerzahler in unserem Land.
Stichwort: Freibetrag in der gesetzlichen Rente. Hier sind verschiedene Zahlen im Umlauf. Ich kann nur zu einem mahnen, nämlich daran zu denken: Je höher der Freibetrag sein würde oder nach Ihrer Auffassung sein sollte, desto teurer würde das Ganze, und – das sage ich auch – desto ungerechter würde es. Sie unterstützen damit natürlich Bedürftige umso mehr, während all jene, die knapp über der Grundsicherung liegen und am Ende vielleicht auch mehr gearbeitet haben – es ist hier ja heute schon mehrfach ausführlich dargestellt worden –, mit der gleichen Rente nach Hause gehen.
Wir müssen uns eines vor Augen führen: Das, was wir gerade partei- und fraktionsübergreifend hier im Deutschen Bundestag diskutieren, ist etwas, was irgendwo in unserem gesetzlichen Rentenversicherungssystem neue Verwerfungen und neue Ungerechtigkeiten produzieren wird. Eine Debatte darüber wird es geben – so oder so.
Meine Damen und Herren, wenn wir über die ganze Frage der Steuerfinanzierung reden – versicherungsfremde Leistungen sollen ja steuerfinanziert werden –, möchte ich nur daran erinnern, dass die gesetzliche Rente damit immer mehr zum Spielball der Politik wird. Steuern rauf, Steuern runter – das ist eigentlich bisher nicht Bestandteil unserer gesetzlichen Rentenversicherung. Wir haben das Versicherungsprinzip und sollten uns auch bei den anstehenden Reformen immer daran orientieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da die AfD nicht wirklich viel in ihrem Antrag stehen hat, will ich einfach mal ein paar Sätze zum Antrag der FDP sagen, der ein bisschen mehr Diskussionsstoff zu bieten hat. Sie üben sich ja sehr stark in der Ausweitung der sogenannten Ausnahmen: Immer mehr soll anrechnungsfrei sein; künftig sollen es alle privaten und freiwilligen Vorsorgeformen sein. Das ist etwas, mit dem man das Bedürftigkeitsprinzip in unserer Gesellschaft immer mehr außer Kraft setzt. Man leistet als Staat Hilfe, wo Hilfe eigentlich gar nicht erforderlich ist.
(Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])
Wir sollten uns schon die Frage stellen, ob es das ist, was wir wollen, ob wir uns den Sozialstaat der Zukunft so vorstellen.
Ein Satz, liebe Kollegen von der FDP, zum Thema Kinder. Unser Sozialstaat ist so aufgebaut, dass wir sagen: Bevor jemand, der auf Unterstützung angewiesen ist, eine staatliche Leistung erhält, muss die Familie einspringen,
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das ist katholische Soziallehre! Das passt zur CDU!)
werden bestimmte Dinge wie das Einkommen und das Vermögen geprüft. Bei Ihrer Grundsicherung im Alter wäre es so, dass Kinder nur dann herangezogen werden, wenn sie mehr als 100 000 Euro Jahreseinkommen haben. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich schaue jetzt mal Sie alle hier an. 100 000 Euro Jahreseinkommen entsprechen ungefähr dem, was wir jährlich an Diäten erhalten. Liebe Kollegen der FDP, wären Sie mit Ihren Diäten nicht bereit, Ihre Eltern zu unterstützen, wenn sie bedürftig sein sollten? Ich frage mich, welche Kinderstube Sie haben und welche Motivation dahintersteht, diese Forderung in Ihrem Antrag so zu formulieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch beim nächsten Punkt kläre ich Sie gerne auf. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass das angemessene Eigenheim bei der Bedarfsprüfung künftig nicht mehr einbezogen wird. Schauen Sie ins SGB XII – das ist immer lohnenswert –: Es wird schon heute nicht mehr angerechnet.
Noch ein letzter Satz zum Thema „Verschmelzung von Grundsicherung und Rente“. Ich kann nur davor warnen, das Solidarprinzip und das Versicherungsprinzip in unserem Lande zu verschmelzen. Die gesetzliche Rentenversicherung hätte auf einen Schlag die Aufgabe, die Bedürftigkeit von Menschen zu prüfen. Das macht sie bis zum heutigen Tag nicht. Das ist eine Aufgabe, mit der sie sicherlich überfordert sein würde, die nicht leistbar ist.
Noch ein Punkt. Herr Vogel, sind Sie sich sicher, dass wir in zehn Jahren nicht vor derselben Situation stehen und die Leute sagen: „Hm, ich muss zur Rentenversicherung; ich bin bedürftig“? Wir diskutieren über das Stigma Grundsicherung oder das Stigma Hartz IV oder was auch immer. Dass wir das mit der Grundrente umgehen können, ist, glaube ich, ein Trugschluss.
Kollegin Schimke, jetzt muss ich die Interessen des Kollegen Straubinger zumindest andeuten. Sie reden demnächst auf seine Kosten.
Ich komme zum Schluss. – Ich halte es mit einem Satz des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der sagte: Zu fordern sind mehr Nachhaltigkeit, Folgerichtigkeit und Rationalität in der Sozialpolitik. – Dafür sollten wir uns einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat nun Bernd Rützel das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7325857 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung der Altersarmut |