15.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 81 / Tagesordnungspunkt 9

Klaus MindrupSPD - Rechtsbehelfe in Umweltangelegenheiten

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion legt hier einen Gesetzentwurf zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vor, der die Voraussetzungen an die Anerkennung von Umweltverbänden verschärfen soll. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, eine vermeintliche Gefahr des Missbrauchs des Verbandsklagerechts in Umweltangelegenheiten auszuschließen.

Ich könnte mich jetzt kurz fassen und sagen: „Das ist alles Unsinn“; aber damit würde ich es der AfD zu einfach machen. Deswegen habe ich ein bisschen genauer hingeschaut,

(Zuruf von der AfD: Vielen Dank!)

was hinter dem Antrag steht.

Der Antrag basiert erst einmal auf dem falschen Gerücht, wir würden in Deutschland schärfere Umweltvorschriften als in anderen Ländern haben und wir würden Umweltschutzorganisationen in Deutschland stärkere Rechte als in anderen Ländern einräumen. Das stimmt nicht. Deswegen muss ich noch etwas zu dem Rechtsrahmen sagen, der hier dahintersteckt. Rechtsrahmen und Voraussetzung für dieses deutsche Recht ist die Århus-Konvention, die 1998 in Dänemark unterschrieben wurde. Deutschland hat sie allerdings erst nach der rot-grünen Regierungsübernahme 1998 ratifiziert, als letzter EU-Vertragsstaat. Da sieht man schon, dass dahinter ein gewisser Sprengstoff steht.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

Die Århus-Konvention ist die einzige internationale Vereinbarung im Umweltschutz, die auch Bürgerinnen und Bürgern und Nichtregierungsorganisationen Rechte verleiht. Es gibt keinen anderen internationalen Vertrag, der das tut. Deswegen ist das eine ganz wichtige Konvention.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für diese Konvention haben sich vor allen Dingen die Bürgerbewegten aus den osteuropäischen Ländern und der ehemaligen DDR eingesetzt; sie haben das aus ihrer Erfahrung der Unterdrückung heraus gemacht. Wer jetzt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einschränken will, die uns dieses Erbe überlassen haben, der tritt das Erbe der friedlichen Revolution mit Füßen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse [AfD]: So ein Schwachsinn! Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Weiterhin liegt dem Vorschlag der Fraktion der AfD die Annahme zugrunde, dass die Anerkennungsregeln für Umweltverbände in Deutschland zu weit gefasst seien. Das Gegenteil ist der Fall. Die Anerkennungsregeln für Umweltverbände sind in Deutschland mit die stärksten in der EU. Es gibt andere Länder, die überhaupt keine staatliche Zulassung für Klagerechte verlangen. Deswegen steht der Vorschlag der AfD weder mit völkerrechtlichen noch mit europarechtlichen Rahmenbedingungen im Einklang.

Es ist sogar anders: Die Frage, ob die geltenden strengen Anerkennungsvoraussetzungen in Deutschland überhaupt mit der Århus-Konvention übereinstimmen, ist strittig. Es gibt gerade ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil unsere Anerkennungsverfahren zu streng sind, weil wir zum Beispiel Stiftungen nicht zulassen. Der Beschwerdeausschuss der internationalen Konvention hat schon getagt, und es sieht so aus, als würden wir das Verfahren verlieren. Auch die Europäische Kommission sagt, unser Recht erfülle dort nicht die internationalen Rahmenbedingungen. Es ist also genau andersherum, als Sie es hier erzählen. Die 7. Vertragsstaatenkonferenz wird 2021 tagen. Ich nehme an, dass wir hier als Gesetzgeber wieder etwas zu tun haben werden: Wir werden dieses Recht anpassen müssen, wenn wir nicht anschließend wieder ein Strafverfahren von der EU bekommen möchten. Das ist die Wahrheit: Wir sind eben nicht die Vorreiter in dem Fall, sondern wir müssten mehr tun – ganz im Gegensatz zum dem, was Sie hier sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme also zu einem ersten Zwischenfazit: Der AfD geht es um nichts anderes als um die Einschränkung von Bürgerrechten.

(Karsten Hilse [AfD]: So ein Blödsinn, echt!)

Wir können hier auch ganz offen reden – Sie haben es ja in Ihrer Rede getan; aber Sie haben es in dem Gesetzentwurf nicht getan –: Ihnen geht es um die Deutsche Umwelthilfe.

Herr Kollege Mindrup – –

Nein.

Moment! Lassen Sie mich erst mal fragen! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spaniel?

Die Antwort bleibt Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke.

Also, es geht um die Deutsche Umwelthilfe; das ist ja hier eben auch gesagt worden. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn die Deutsche Umwelthilfe von Migrantinnen und Migranten gegründet worden wäre; das als kleine Nebenbemerkung hier.

(Beifall der Abg. Cansel Kiziltepe [SPD])

Es geht Ihnen gar nicht darum, Lösungen für ein reales Problem zu finden. Mir ist nicht bekannt, dass die Deutsche Umwelthilfe Software von Autos manipuliert hätte. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Deutsche Umwelthilfe Autos verkauft hätte, die dreckiger sind als versprochen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mir gefällt an der Deutschen Umwelthilfe auch nicht alles; das kann ich Ihnen sagen. Aber die Deutsche Umwelthilfe hat ihre Rechte wahrgenommen, die ihr unser Gesetz gibt, und sie hat vor Gericht fast überall gewonnen; das muss man doch zur Kenntnis nehmen.

Was wollen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf? Es geht Ihnen gar nicht darum, hier Lösungen zu finden, sondern Sie wollen ablenken von den realen Problemen. Wir müssen die Luft in unseren Städten sauberer machen; das ist doch vollkommen klar. Darauf haben vor allen Dingen die einen Anspruch, die Probleme haben: Das sind die Asthmatiker und die kleinen Kinder. Wir müssen doch eine Politik machen, die die schützt, die zu schützen sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und wir müssen natürlich klar sagen, was wir machen müssen: Wir brauchen eine bessere Verkehrspolitik; das ist völlig unstrittig. Es gibt ja Beschlüsse der Bundesregierung, die da in die richtige Richtung gehen: Stärkung des Umweltverbundes, Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und wir brauchen saubere Autos, um unsere Gesundheit zu schützen – ganz egoistisch –, aber wir brauchen auch saubere Autos, weil in der Welt zukünftig nur noch saubere Autos verkauft werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wissen die Kolleginnen und Kollegen in den Werken auch; sie wissen, dass unsere ganze Exportindustrie daran hängt, dass wir das schaffen.

Aber wir brauchen auch Nachrüstung; vollkommen klar, das haben wir als SPD immer gesagt. Da sind die Automobilindustrie und der Bundesverkehrsminister in der Pflicht. Ich kann Ihnen sagen: Mit dieser Strategie werden wir die Grenzwerte wieder einhalten und beides schaffen: die Verbraucherrechte schützen – die von Ihnen immer zitierten Menschen, die wenig Geld haben, schützen – und die Gesundheit schützen. Das geht nämlich zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt möchte ich noch einen weiteren Aspekt beleuchten: was ich hier wiederfinde an Prinzipien bei der AfD. Sie bedienen wieder das Sündenbockprinzip. Es wird an der Stelle ganz verschlagen, wo Sie sagen, es gibt internationale Mächte – ich weiß gar nicht, wer das sein soll –,

(Karsten Hilse [AfD]: Wir wissen es!)

die sich jetzt quasi der Umweltschutzorganisationen bedienen, um unser Land zu schädigen. – Dafür müssten Sie einen Beleg bringen. Das tun Sie aber nicht.

Es ist ganz klar gesetzlich ausgeschlossen, dass die Umweltschutzorganisationen durch Klagen eigene Vorteile haben; dann müssten sie auch den Weg vor die Gerichte antreten. Das tun sie aber nicht. Die AfD will das Problem also gar nicht lösen. Das Missbrauchspotenzial, das Sie ansprechen, ist gar nicht gegeben. Diese Verbreitung von Verschwörungstheorien ist gefährlich, weil sie die Stimmung in unserem Land vergiftet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Ihre Stimmung!)

Als ich Ihren Gesetzentwurf gelesen habe, habe ich mir die Frage gestellt: Wer ist denn als Nächstes dran? Die unabhängigen Gerichte,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

die die Deutsche Umwelthilfe bestätigen? Die Anwälte, die das machen? Die Gewerkschaften? Unabhängige Forschungsinstitute? Wenn man Ihre Reden hört, braucht man nicht viel Fantasie, um diese Liste zu verlängern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen in unserem Land erkennen, was hier gerade passiert: Sie treten die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Füßen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: So ein Blödsinn!)

Wenn Sie davon reden, dass hier eine Umweltschutzorganisation Spenden offenlegen soll, dann fangen Sie doch erst mal bei sich selber an!

(Beifall bei SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Schämen Sie sich! So ein Stuss!)

Ich kann Ihnen eines sagen: Wir werden Sie damit nicht durchkommen lassen. Die Menschen in diesem Land erkennen, welch Geistes Kind Sie sind.

Danke schön.

(Beifall bei SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Geben Sie mal Ihre Zeitungen ab!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Dr. Dirk Spaniel, AfD, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7325930
Wahlperiode 19
Sitzung 81
Tagesordnungspunkt Rechtsbehelfe in Umweltangelegenheiten
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