Thomas SeitzAfD - Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An dem dringenden Reformbedarf bei Regierungsbefragung und Fragestunde gibt es keinen Zweifel, was schon 2013 der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert bei aller präsidialen Zurückhaltung sehr deutlich festgestellt hat – Zitat –:
Dass weder die Regierungsbefragung noch die Fragestunde in ihrer bisherigen Struktur das Glanzstück des deutschen Parlamentarismus darstellen, ist inzwischen ein breiter Konsens. Deswegen sollten wir in der Lage sein, beides in einer lebendigeren, die Aufgaben des Parlaments gegenüber der Regierung akzentuierenden Weise neu zu regeln.
Es ist für mich unverständlich, weshalb die Regierungsfraktionen heute, sechs Jahre danach, versuchen, eine Änderung durchzudrücken, die nur verschlimmbessert.
Die Fragestunde wollen Sie lediglich verkürzen. Wir als AfD sind stattdessen für einen vollständigen Wegfall. Es ist schlichtweg Ressourcenverschwendung, wenn das Plenum lauschen soll, wie Parlamentarische Staatssekretäre schriftliche Antworten auf vorab eingereichte schriftliche Fragen vorlesen.
(Beifall bei der AfD)
Diese Fragestunde ist in der Praxis genauso unattraktiv, wie es sich in der Theorie anhört. Kein Wunder also, dass gerade die Unionsfraktion mit Abwesenheit glänzt! Ein Kollege aus meiner Fraktion hat es vor einem Jahr bei einem Zwiegespräch auf den Punkt gebracht: Das ist Verschwendung von kostbarer Lebenszeit.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nichts dagegen, wenn Sie nicht mehr teilnehmen!)
Dem Fragerecht der Abgeordneten ist mit der Zulassung einer höheren Zahl an schriftlichen Einzelfragen und der Abschaffung der Fragestunde jedenfalls deutlich besser gedient.
Beim zweiten Regelungskomplex, der Regierungsbefragung, sieht es allenfalls geringfügig besser aus. Wenn nicht gerade mein Kollege Brandner den Außenminister mit peinlichen Fragen zur Verquickung von Amt und Privatleben quält,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das war aber ganz schlimm, Sportsfreund!)
ist auch dieses Geschehen zumeist so spannend, wie es die fast leeren Sitzreihen am Mittwoch um 13 Uhr annehmen lassen. Auch hier Abstimmung mit den Füßen!
(Beifall bei der AfD)
Dabei gehört das Recht der Legislative, von der Exekutive vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit Rechenschaft einzufordern, zu den Grundpfeilern der repräsentativen Demokratie. Und was wird uns präsentiert? Dreimal im Jahr sollen wir in Zukunft den Bundeskanzler hier zu sehen bekommen, und in den anderen Sitzungswochen kommt ein Minister in einer, wie es wörtlich heißt, zuvor festgelegten Reihenfolge. Falls sich also zwischen Pakistan und Indien gerade ein Atomkrieg anbahnt, spricht der Bundestag mit Frau Klöckner über die Finessen des Weingesetzes. Und warum? Weil die Bundesregierung ein Jahr vorher beschlossen hat, dass genau in dieser Plenarwoche die Frau Ministerin Klöckner an der Reihe ist. Ernsthaft? Ein noch effektiveres Mittel, um die letzten interessierten Bürger von der Liveübertragung zu vertreiben, ist kaum vorstellbar.
(Beifall bei der AfD)
Wenn es heißt, dass mindestens ein Mitglied der Bundesregierung anwesend sein muss, dann wissen Sie genau, dass das in der Praxis mit „nur ein Minister ist anwesend“ übersetzt werden wird. Eine schlechte Praxis wollen Sie jetzt zum förmlichen Binnenrecht des Parlaments erheben. Jeder von den Oppositionsfraktionen vorgelegte Gegenentwurf ist besser als das, was uns die Regierung hier zumutet. Ja, ich vermute, dass diese Regelung aus dem Kanzleramt kommt; denn: Was wäre das für ein Selbstverständnis des Parlaments, meine Damen und Herren von SPD und Union? Sind Sie Abgeordnete oder Hofschranzen?
(Beifall bei der AfD)
Welches Parlament macht sich denn freiwillig so klein, dass es sich von Frau Merkel vor Ostern, vor der Sommerpause und vor Weihnachten huldvoll nach Hause schicken lassen möchte? Nicht mit uns! Nicht mit der AfD!
Der Antrag der AfD-Fraktion greift dagegen das Vorbild des britischen Unterhauses auf.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super Idee! – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Sieht man ja, wie erfolgreich die sind!)
Mit Ausnahme der Volksabstimmung über den Brexit ist auch in Großbritannien sicherlich nicht alles vorbildlich; aber es hat unbestreitbar eine herausragende parlamentarische Tradition und Streitkultur hervorgebracht.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Eher Schreikultur!)
Unser Gesetzentwurf verpflichtet den Bundeskanzler und drei Minister zur Anwesenheit. Welche Minister das sind, entscheidet das Parlament und nicht die Regierung.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Aber da wird nicht abgelesen, im britischen Parlament! Nicht wie Ihre Rede!)
– Stellen Sie ruhig eine Frage! – Eine thematische Einengung der Fragen gibt es genauso wenig wie eine Bindung des Bundeskanzlers an die Tagesordnung der Kabinettssitzung. Insgesamt soll das Format der Regierungsbefragung flexibler werden und dauert bei einem Verzicht der Regierungsfraktionen auf eigene Fragen netto unter einer Stunde, andernfalls eben länger; das können die Regierungsfraktionen selbst entscheiden.
Meine Damen und Herren, dieses Parlament verdient eine echte Regierungsbefragung, die von der Öffentlichkeit auch wahrgenommen und geschätzt wird. Wir haben Ihnen dazu eine Vorlage geliefert. Sie haben die Möglichkeit, dem zuzustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Ganz bestimmt nicht! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Das werden wir nicht tun!)
Das Wort hat Carsten Schneider für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7329025 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages |