Marco BuschmannFDP - Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition brüstet sich hier mit einem scheinbaren Riesenerfolg, aber wenn man ganz ehrlich ist, entpuppt sich das doch bei näherem Hinsehen ganz schnell als Scheinriese. Schlimmer noch: Es ist nicht nur ein Scheinriese. Sie tragen mit Ihrem Entwurf zur Selbstverzwergung des Parlaments bei, wenn Sie genauer hineinschauen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Natürlich ist es gut, wenn die Frau Bundeskanzlerin in die Regierungsbefragung kommt. Das hatten wir allerdings schon auf dem Vereinbarungsweg erreicht. Natürlich ist es gut, wenn wir mehr Zeit in der Regierungsbefragung haben. Aber der Herr Bundestagspräsident hat sie ja häufig schon im Rahmen seines Ermessens verlängert. Es ist gut, dass wir das jetzt aufgeschrieben haben, aber das ist nicht der große Durchbruch. Aber die Selbstverzwergung, die Sie vorantreiben, ist wirklich ein starkes Stück. Das macht es uns unmöglich, der Sache zuzustimmen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will Ihnen das erläutern. Der Deutsche Bundestag hat zwei Aufgaben: Zum einen ist er demokratisch gewählter Gesetzgeber. Um gutes Recht zu liefern, brauchen wir Zeit. Wir brauchen Detailkenntnisse, und dafür haben wir die erste, die zweite und dritte Lesung und die Ausschussberatungen. Aber der Deutsche Bundestag hat auch eine andere Aufgabe, und zwar als Repräsentant des Volkes gegenüber der Regierung zu wirken. Da muss es möglich sein, schnell, spontan, emotional und meinetwegen auch einmal konfrontativ die Dinge auf den Punkt zu bringen, die den Leuten auf den Nägeln brennen. Das machen Sie mit Ihren Vorschlägen nicht besser, das erschweren Sie. Und das ist eine Selbstverzwergung des Parlaments.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bislang ist es unser Anspruch, dass hier Fragen von Ministern selber beantwortet werden. Nur ausnahmsweise ist die Beantwortung durch Parlamentarische Staatssekretäre möglich. Warum? Bei allem Respekt vor ihnen; aber sie sind die Boten ihrer Herren. Dass wir als Repräsentanten des Volkes im Regelmodell mit den Boten vorliebnehmen müssen statt mit den Ministern, das ist Selbstverzwergung des Parlaments.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Dass demnächst über Monate hinweg festgeschrieben wird, welcher Minister oder welche Ministerin überhaupt noch hierherkommt, führt faktisch dazu, dass die Themenhoheit über die Regierungsbefragung in Wirklichkeit allein bei der Regierung liegt. Denn was wird passieren, was ein PSt da sitzt und wir etwas ganz Aktuelles fragen? Der wird nichts anderes antworten außer: Da ist noch Rücksprache mit der Hausleitung oder Rücksprache mit der Regierung erforderlich. – Dann wird nur eine Person dazu sprechen können, ein Minister oder eine Ministerin. Und deren Themen werden wahrscheinlich gerade nicht zufällig diejenigen sein, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Das ist Selbstverzwergung des Parlaments, was Sie da betreiben.
(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das dritte Mal jetzt!)
Und das Letzte: Selbst bei den guten Dingen, die Sie tun, schaffen Sie es, die Selbstverzwergung des Parlaments voranzutreiben.
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Jetzt ist es langsam gut!)
Ihre eigenen Sachverständigen haben in der Anhörung gesagt, dass die Frau Bundeskanzlerin nicht dann, wenn es Sinn macht, sondern immer in der letzten Sitzungswoche vor den Osterferien, den Sommerferien und den Weihnachtsferien ins Haus kommt, sei die
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Selbstverzwergung!)
huldvolle Entlassung des Parlaments in die Ferien durch die Regierungschefin. Das ist vorkonstitutionelles monarchisches Hofzeremoniell und, wie ich sagen würde, eine Selbstverzwergung des Parlaments.
(Beifall bei der FDP und der AfD)
Dabei machen wir nicht mit.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In Zeiten, in denen das Parlament unter Druck steht, sollten wir uns nicht kleinmachen, sondern selbstbewusst gegenüber der Regierung auftreten. Dafür haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. Ich halte es für keine Zumutung, wenn hier einmal in der Sitzungswoche jeder Minister und jede Ministerin für die Fragen, die den Menschen auf den Nägeln brennen, für die Repräsentanten des Volkes hier zur Verfügung stehen. Das ist der Anspruch eines selbstbewussten Parlaments, und den sollten wir formulieren.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Friedrich Straetmanns für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7329027 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages |