Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der viel zu früh verstorbene Publizist Roger Willemsen sagte 2014 nach einjähriger Begutachtung im Hohen Hause, die Fragestunde im Bundestag habe etwas von einem höfischen, toten Ritual. So ganz unrecht hatte er nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist höchste Zeit, dass wir heute über verschiedene Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages beraten. Diese hat nämlich weitreichende Konsequenzen dafür, ob wir uns hier in Inszenierungen erschöpfen oder ob uns eine ernstzunehmende Kontrolle der Regierung ermöglicht wird. Die Regierungsbefragung und die Fragestunde in ihrer heutigen Form erfüllen diesen Zweck nicht. Wenn Sie von der Regierung nun festschreiben wollen, dass jeweils nur ein Regierungsmitglied pro Fragestunde anwesend sein muss, dann wird ein Großteil der Antworten auf Staatssekretärinnen und Staatssekretäre abgewälzt, die uns vorgefertigte Antworten vortragen. Von einer wirklichen Debatte mit Regierungsverantwortlichen aus der ersten Reihe kann hier nicht die Rede sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn wir außerdem die Entscheidung darüber, ob weitere Ministerinnen und Minister erscheinen und antworten, Ihnen überlassen, verkommt ein wichtiges Kontrollinstrument des Parlaments zum weiteren Mittel der Selbstinszenierung dieser Regierung, besonders dann, wenn der Ablauf der Fragerunden in ein solch enges Korsett gezwängt wird, wie Sie das vorhaben. Zu diesem Ergebnis kamen Ihre eigenen Sachverständigen in der entsprechenden Anhörung. Warum laden Sie diese denn ein, wenn Sie sich letztlich nicht für deren Ausführungen interessieren?
Einen weiteren Aspekt sollten wir uns zu Herzen nehmen: Immer wieder weist die Forschung anhand unterschiedlicher Symptome darauf hin, dass die repräsentative Demokratie in einer Vertrauenskrise steckt. Wählerinnen und Wähler haben das Gefühl, dass Dinge nicht ausreichend erklärt werden. Es muss doch in Ihrem ureigenen Interesse liegen, dass Sie von den Regierungsfraktionen Ihr Handeln erklären und Ihre Vorhaben hier breit diskutiert werden können. Stellen Sie sich den kritischen Nachfragen des Parlaments! Davon lebt Demokratie, und deshalb fordert meine Fraktion, Die Linke, genau das mit unserem Antrag ein.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])
Ganz besonders haftet aber auch der EU der Geruch der Hinterzimmerpolitik an. Ein Demokratiedefizit wird seit eh und je gegen Entscheidungen auf europäischer Ebene ins Feld geführt. Genau deshalb schlägt meine Fraktion, Die Linke, eine Sonderregelung für die Wochen vor den Sitzungen des Europäischen Rates vor. Bei einer „Befragung zu Europa-Themen“ soll die Bundesregierung sich den Fragen zu diesem Themenkomplex stellen,
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das gehört doch in das Europaparlament!)
um die Leitlinien der deutschen EU-Politik klarzumachen. Wir brauchen mehr Transparenz in diesem Haus, ganz besonders in Sachen EU.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch das, was an Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, zunächst mal als Schritt in die richtige Richtung erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ausdruck Ihrer Geringschätzung des Parlaments. Ähnlich wie in unserem Antrag – dort wären es vier Mal – soll sich die Bundeskanzlerin drei Mal im Jahr persönlich unseren Fragen stellen. Doch die Termine, die Sie vorschlagen, nämlich die Wochen vor Ostern, vor der Sommer- und der Weihnachtspause, zeigen deutlich, dass es Ihnen nicht um Auskunft über Regierungsplanungen geht. Sie wollen damit eine weitere Gelegenheit schaffen, bereits vollzogenes Handeln durch Ihre rosarote Brille zu präsentieren. Uns geht es aber darum, mögliche Fehlplanungen frühzeitig aufzudecken. Es muss um ernsthafte Regierungsvorhaben gehen, und eben nicht darum, welche Farbe die Ostereier in diesem Jahr haben werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wie haben mit der Reform von Regierungsbefragung und Fragestunde die Chance und die Verpflichtung, den Bundestag attraktiver und lebendige Diskussionen sichtbar zu machen. Vertrauen in unsere Arbeit gewinnen wir nur zurück, wenn Streitlinien deutlich werden und eine offene, demokratische Diskussion geführt wird. Deswegen empfehle ich Ihnen: Stimmen Sie für unseren Antrag!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Britta Haßelmann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7329029 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages |