21.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 83 / Tagesordnungspunkt 16

Lothar BindingSPD - Moderne Unternehmensbesteuerung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Katja Hessel hat viel über Wettbewerbsfähigkeit gesprochen, und das ist auch für uns ein wichtiges Moment – auch bei der Steuerreform.

Wir haben 2008 ja eine ziemlich große Steuerreform gemacht, die ohne die FDP funktioniert hat, und ich war ja auch bei der sehr großen Steuerreform Anfang des Jahrtausends mit riesigen Systemwechseln dabei, was im Wesentlichen ebenfalls ohne die FDP funktioniert hat. Auch die kommende Steuerreform wird ohne die FDP funktionieren müssen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil es nicht genügt, auf Podien nur die Wünsche der einzelnen Lobbyisten aufzuschreiben.

(Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe)

– Genau das ist dieser Wünsch-dir-was-Katalog, den die FDP jetzt aufgeschrieben hat. Das sind im Wesentlichen unzusammenhängende Punkte. Einige sind gut, einige sind schlecht, einige sind kontraproduktiv, es ergibt aber kein Ganzes, und die gesamte digitale Zukunft ist völlig vergessen worden. Das ist also ein Sammelsurium von Punkten, die nicht geeignet sind, eine Reform zu ergeben.

Die Wettbewerbsfähigkeit ist wichtig. Sie haben aber, meine ich, einen kleinen logischen Fehler gemacht und immer nur über Steuersätze gesprochen. Steuersätze sind aber noch nicht mal die halbe Wahrheit, und mit nur ein paar Prozent der Wahrheit kommt man nicht am Ende an.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie haben vorhin interessanterweise ein Ranking angesprochen. Ich habe auch geguckt, wo Deutschland steht. Das Weltwirtschaftsforum hat die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland untersucht. Die Anmutung des FDP-Antrags ist: Da muss Deutschland ziemlich weit hinten liegen, und in Zukunft wird alles noch viel schlechter werden. Der Antrag suggeriert, dass für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland in erster Linie der Steuer tarif entscheidend ist.

Sie haben vorgetragen, Deutschland sei mit einem Unternehmensteuersatz von 30 Prozent ein Hochsteuerland in der OECD.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Über 30 Prozent!)

Welches Drama! Aber, Überraschung: Der Global Competitiveness Report sagt uns, dass Deutschland auf Platz 3 steht, und zwar nach Singapur und den USA.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

– Jetzt könnten eigentlich alle klatschen, weil das ein Riesenlob für unsere Wirtschaft ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Anders als die FDP in ihrem Antrag berücksichtigt das Weltwirtschaftsforum in seiner Analyse interessanterweise nicht nur Tarife, sondern auch die Stabilität des Systems – ein ganz wichtiger Faktor –, die Freiheit der Presse – auch ein ganz wichtiger Faktor; das mag nicht allen gefallen –, die Qualität öffentlicher Güter, das Bildungsniveau, die innere Sicherheit und die Verkehrsinfrastruktur. Interessanterweise hängen die meisten Dinge, die unseren Wirtschaftsstandort so mächtig machen, davon ab, dass wir gute Steuereinnahmen haben; denn die sind Voraussetzung dafür, dass wir all das tun, was uns im Ranking nach oben bringt, und das ist sehr gut.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Danyal Bayaz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Katja Hessel [FDP]: Die Infrastruktur ist schlecht!)

Der Vergleich mit den USA ist nur dann gut, wenn man auch die Parametervielfalt, die wir in den USA finden, und nicht nur die Steuersätze vergleicht. Sie haben ja sogar gesagt, in den USA gehe es bis auf 21 Prozent herunter. Selbst das ist nicht korrekt. Das ist nämlich nur die State Corporate Tax. Hinzu kommt noch die Federal Tax.

Wir wissen: In Iowa geht es bis 29 Prozent hoch, und es gibt auch einen Staat, der bei 21 Prozent liegt. Übrigens: Wenn Sie recht hätten, dann dürfte es in bestimmten Staaten innerhalb der USA ja gar keine Unternehmen mehr geben; denn innerhalb der USA würden alle Unternehmen ja dahin gehen, wo es billig ist. Komischerweise gibt es aber in allen Staaten der USA Unternehmen, obwohl einzelne Staaten besonders günstige Tarife haben.

Der Tarif ist aber eben immer nur die halbe Wahrheit. Deshalb ist auch dieser Vergleich mit den USA und den 21 Prozent nicht seriös.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir erkennen jetzt, dass derjenige, der Steuersysteme betrachtet und sich nur auf den Tarif konzentriert, einen fundamentalen Fehler macht. Es kommt auf das gesamte System an.

Ich möchte das einfach sagen: Wenn ich mit Leuten rede, die gar nichts mit der Steuer zu tun haben, dann frage ich immer, wie groß der Raum ist, in dem wir uns befinden. Sie antworten dann zum Beispiel: 300 Quadratmeter. Ich frage dann: Super, aber warum haben Sie „Quadratmeter“ und nicht „Meter“ gesagt? Die FDP sagt nämlich immer, der Raum sei zum Beispiel 12 oder 14 Meter groß. Ich sage dann: Nein, er ist nicht 12 Meter groß, sondern es geht um Quadratmeter, und die Steuer ist auch eine Fläche, die sich durch Prozentsatz – das ist der Tarif – mal Bemessungsgrundlage ergibt. Wenn Sie die Bemessungsgrundlage nicht nennen, dann machen Sie einen fundamentalen Fehler. Sie beschreiben dann die Fläche eines Raumes mit 12 oder 14 Metern, womit Sie nichts gesagt haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie nennen ein weiteres Argument: Sie sagen: Die Steuerreform ist schon zehn Jahre her. – Ja, aber sie war gut und hat zehn Jahre lang gehalten, und im Moment ist sie immer noch sehr gut. Es gibt sogar ganz viele Elemente aus einer früheren Reform, die schon 15 Jahre alt und immer noch gut sind.

Der Herr Haas von BASF hat heute gesagt: Die letzte große Steuerreform war 2008. Das war das letzte Mal, dass die Steuern gesenkt wurden. Wir brauchen eine neue Reform. – Er meint aber nur Steuersenkungen. Auch das ist zu kurz gegriffen; denn „Steuersenkungen“ heißt: Verschlechterung der Randbedingungen, unter denen wir hier leben, unter denen Unternehmen hier tätig sind, unter denen ausländische Unternehmen hier investieren usw.

Deshalb ruinieren wir mit dieser Art der Steuersenkung, an die Sie denken, unsere Basis. Bei uns ist es umgekehrt: Wir sichern unsere Zukunft.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan ­Ruppert [FDP]: Das nimmt skurrile Formen an!)

Das Wort hat der Kollege Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7329044
Wahlperiode 19
Sitzung 83
Tagesordnungspunkt Moderne Unternehmensbesteuerung
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