Paul LehriederCDU/CSU - Nationale Tourismusstrategie
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Seit mehreren Jahren boomt der Tourismus in Deutschland. Wir haben beständig Zuwächse – der Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen – bei Gästeübernachtungen, die im letzten Jahr erneut um 4 Prozent auf immerhin nunmehr aktuell 477 Millionen gestiegen sind.
(Stephan Brandner [AfD]: Da ist die AfD bestimmt schuld!)
Deutschland ist nicht nur bei Auslandsreisen weltweit mit an der Spitze, sondern wird auch als Reiseziel immer attraktiver. Deshalb ist es gar nicht verkehrt, jetzt im unmittelbaren Vorfeld der ITB über die Themen „Tourismus“ und „Tourismusstrategie“ hier im Bundestag zu debattieren.
Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass wir die Chancen der Branche für die wirtschaftliche Entwicklung und ihr Potenzial in vielen Bereichen noch nicht ausgeschöpft haben und vor einer Reihe von Herausforderungen stehen, auch durch die zunehmende internationale Konkurrenz. Deshalb haben wir in der Großen Koalition eine nationale Tourismusstrategie des Bundes vereinbart, um die Rahmenbedingungen für die mittelständisch geprägte Tourismuswirtschaft in Deutschland weiter zu verbessern. Wir wollen die Bundesförderung noch effizienter gestalten, die Belange der Branche in allen Politikbereichen noch besser berücksichtigen und noch mehr Bewusstsein für die große Bedeutung der Tourismuswirtschaft schaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ja, Herr Kollege Dr. Klinge, lieber Marcel, Sie schreiben in Ihrem Antrag einiges, was tatsächlich erwägenswert ist; das gilt im Übrigen auch für den Antrag der Linken – mit Ausnahme des komplett kostenfreien ÖPNV. Das werden wir nicht hinbekommen, Frau Kassner.
(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Schade!)
Sie haben auf jeden Fall hier ausgeführt, was tatsächlich noch einbezogen werden kann. Ich gestehe Ihnen zu, dass wir lieber einige Big Points in die Tourismusstrategie aufnehmen, die wir dann realistisch in den nächsten Jahren berücksichtigen und umsetzen können, als 132 Unterpunkte in dem Positionspapier unseres Koalitionspartners eben geschwind abzuarbeiten. Das werden wir in den nächsten Jahren sicher nicht alles umsetzen können.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Da haben Sie recht!)
Wir werden auch noch mehr tun, als in der Tourismusstrategie steht.
Ich darf Ihnen versichern: Wir hatten diese Woche in unserer AG ein Gespräch zum Wassertourismus. Wir hatten vorgestern die Anhörung zum Kinder- und Jugendtourismus im Ausschuss, Frau Kollegin Kassner. Stichwort: Bürokratieabbau, den Sie in Ihrem Antrag erwähnt haben: Wir hatten letzte Woche mit der ehemaligen Kollegin Mayer-Bonde, jetzt beim Normenkontrollrat, ein Gespräch über Bürokratieabbau und bürokratische Belastungen.
(Dr. Marcel Klinge [FDP]: Aber nicht nur ein Gespräch! Es muss ja auch mal was vor Ort ankommen, Herr Kollege!)
Wir diskutieren auch über Sachen, die jetzt noch nicht unbedingt fixiert sind.
(Unruhe)
– Herr Kollege Klinge, hey, nicht schwätzen, wenn ich mit Ihnen spreche.
(Heiterkeit – Dr. Marcel Klinge [FDP]: Net schwätze, mache!)
Sie dürfen versichert sein, dass wir auch neben der Tourismusstrategie die Belange der im Tourismus Tätigen hier berücksichtigen. Wir diskutieren leidenschaftlich und in großer Sachlichkeit darüber. Wir haben letzte Woche mit dem Staatssekretär Marco Wanderwitz im Heimatministerium über den digitalen Meldeschein gesprochen,
(Dr. Marcel Klinge [FDP]: Nachdem wir eine Kleine Anfrage dazu gemacht haben!)
über die Möglichkeiten, hier Hürden abzubauen und das zu erleichtern. Wir sind da auf einem guten Weg.
Wissen Sie, ich habe aus einigen Ihrer Ausführungen gehört: Sie haben schon noch Phantomschmerzen von der Nacht vom 19. auf den 20. November 2017 – lieber nicht regieren als falsch regieren.
(Abg. Dr. Marcel Klinge [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Er hat eine Frage, Frau Präsidentin.
Wollen Sie die zulassen?
Ja, natürlich.
Ich frage Herrn Lehrieder, ob er zulässt. – Er lässt zu. Herr Dr. Klinge.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich will Ihnen zunächst in einem ganz zentralen Punkt zustimmen: Selbstverständlich hätte der Tourismus in einer Jamaika-Koalition einen völlig anderen Stellenwert gehabt als in der aktuellen Großen Koalition.
(Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Ach, hör mir auf! Da hätten wir noch Spaß gehabt.
Denn in diesem Fall würde die FDP den Wirtschaftsminister oder die Wirtschaftsministerin stellen. Das versteht sich von selbst.
(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)
Sie haben vielleicht noch gut in Erinnerung, dass der zentrale Knackpunkt für das Scheitern eines Jamaika-Bündnisses Ihre notorische Ablehnung eines konsequenten Auslaufens des Solidaritätszuschlags war. Sowohl die Grünen als auch die Union sind uns in diesem zentralen Punkt nicht entgegengekommen. Deswegen möchte ich Sie fragen: Hat sich die Haltung der Unionsfraktion zum Thema „ersatzloses Auslaufen des Solidaritätszuschlages“ in den letzten 16 Monaten geändert?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ich frage dies auch vor dem Hintergrund, dass die FDP-Fraktion erst vor wenigen Wochen eine namentliche Abstimmung zu diesem Thema beantragt hat
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die SPD ist doch dagegen!)
und alle 246 Mitglieder der Unionsfraktion nicht für die ersatzlose Streichung des Solidaritätszuschlags gestimmt haben.
(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Spannend ist, ob die das in Rheinland-Pfalz machen!)
Lieber Kollege Dr. Klinge, ich war nicht in der Verhandlungsgruppe zum Solidaritätszuschlag dabei. Aber wenn wir 90 Prozent abbauen und dies schon fixiert haben, dann ist es eine Legendenbildung, zu sagen, wir hätten uns verweigert, einem Komplettabbau zuzustimmen. Aber Sie wissen selbst – Sie sind neu im Bundestag; alles kann man noch nicht voraussetzen –: Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität. Wenn aus Kostengründen, aus fiskalischen Gründen noch keine 100 Prozent möglich sind, dann fängt man mit 90 Prozent an. Wenn sich dann Spielräume ergeben, weiter abzubauen, dann streben wir das an. Das ist in der Großen Koalition, wie schon gesagt, in guten Händen.
(Lachen bei der FDP)
Das hätte man möglicherweise in einer Jamaika-Koalition auch hinbekommen.
Frau Kollegin Suding, wir haben den Bereich Familie mitverhandeln dürfen. Da war auch nicht immer alles vergnügungssteuerpflichtig; aber wir hätten uns schon zusammengerauft.
(Katja Suding [FDP]: Die CSU wohl weniger!)
Das wäre letztendlich eine Zweckpartnerschaft gewesen, mit der wir für ein paar Jahre gut hätten leben können.
Wir arbeiten daran, den Solidaritätszuschlag komplett abzubauen. Aber die Machbarkeit ist eben immer auch von entsprechenden fiskalischen Aspekten abhängig; das sollten Sie wissen, Herr Kollege Dr. Klinge.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Sebastian Münzenmaier [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege Lehrieder, würden Sie noch eine Frage zulassen?
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein! Nein!)
Selbstverständlich.
Das ist aber dann die letzte.
Wir können ja abstimmen lassen.
Nein, wir stimmen hier nicht ab. Sie sagen Ja oder Nein. Also?
Ja, ich lasse zu. Natürlich, Herr Münzenmaier.
Das ist aber dann die letzte Zwischenfrage bei Ihrer Rede.
Herr Lehrieder, vielen herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich halte die Zwischenfrage auch ganz kurz. – Teilen Sie die Auffassung Ihres Koalitionspartners, der SPD,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja!)
dass wir das Problem der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung nicht mehr politisch lösen, sondern uns auf die Gerichtsurteile verlassen sollten? Ein kurzes Ja oder Nein als Antwort würde mir reichen.
(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja! Das haben wir vereinbart!)
Herr Kollege Münzenmaier, Sie können mir die Antwort nicht vorschreiben. Ob ich Ja oder Nein sage und wie ich die Frage beantworte, ist immer noch meine Sache – Punkt eins.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Punkt zwei. Wir haben hier bereits vor ein paar Monaten auf Ihren Antrag hin über die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung debattiert und uns dazu Gedanken gemacht. Das Ganze ist aus meiner Sicht Sache des Gesetzgebers. Wenn ein Gesetz aus unserer Sicht falsch ist, dann sollten wir uns nicht hinter dem Bundesfinanzhof verstecken. Aber es ist wie in jeder Partnerschaft: Wir brauchen, wie schon gesagt, einen Konsens, und wir diskutieren lebhaft mit unserem Koalitionspartner. Ob wir da irgendwas auf die Reihe bekommen oder ob wir die Entscheidung des BFH abwarten müssen, kann ich Ihnen aber nicht sagen. Mir tut es ein Stück weit um die Reisebüros leid, die mit den erforderlichen Rückstellungen natürlich ein gewisses Damoklesschwert über sich haben. Wir sollten uns überlegen, ob wir kleinen und mittleren Gewerbebetrieben, kleinen Reisebüros, Busunternehmen gerecht werden, wenn wir das Problem nicht lösen. Wir werden daran arbeiten. Aber Sie dürfen versichert sein: Dieses Problem ist bei der Großen Koalition in guten Händen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] – Stephan Brandner [AfD]: Das glaube ich nicht!)
– Dass die AfD nicht viel glaubt, ist mir schon klar.
Meine Damen und Herren, zu den Schwerpunkten. Wir wollen mit der Tourismusstrategie die ländlichen Räume stärken. Die weitere Erschließung von ausländischen Quellmärkten – Stichwort „Incoming-Tourismus“ – ist, glaube ich, auch ein ganz wichtiges Thema. Wir haben die Mittel der Deutschen Zentrale für Tourismus in Frankfurt erhöht, um mehr Gäste für Deutschland zu begeistern. Was die Unterstützung der Branche bei der Digitalisierung angeht, haben Sie in Ihrem Antrag natürlich ein Stück weit recht, wenn Sie fragen: Wie können wir erreichen, dass auch kleine Anbieter im ländlichen Raum die Möglichkeit haben, online ihre Produkte an den Mann zu bringen?
(Dr. Marcel Klinge [FDP]: Besonders wichtig! Ja!)
Bei der Förderung umweltfreundlicher Angebote sowie dem Ausbau der Barrierefreiheit – Stichworte „Tourismus für alle“ und „inklusiver Tourismus“ – gibt es genug zu tun. Wo die Schwerpunkte in der Tourismusstrategie liegen werden, werden wir in den nächsten Wochen lebhaft mit unserem Koalitionspartner und mit der Bundesregierung diskutieren. Lieber Thomas Bareiß – jetzt schwätzt der auch schon wieder –, ich freue mich auf die konstruktive Debatte in den nächsten Wochen. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kollege Lehrieder. Jetzt hören Sie aber auch auf zu schwätzen; denn jetzt kommt die nächste Rednerin.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ich habe mich nur für die Zwischenfrage bedankt, Frau Präsidentin!)
– Jetzt hinsetzen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Nächste Rednerin: Gülistan Yüksel für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7329134 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 84 |
Tagesordnungspunkt | Nationale Tourismusstrategie |