14.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 3

Karl LauterbachSPD - Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal: Ich werde mich in meiner kurzen Rede darauf konzentrieren: Weshalb machen wir dieses Gesetz überhaupt? Was sind die wichtigsten Verbesserungen? Und: Was muss noch gemacht werden, was ist der Ausblick?

Dieses Gesetz sollte, wenn wir einen einfachen Namen wählen wollen – wir bevorzugen ja in letzter Zeit für unsere Gesetze einfache Namen –,

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

„Gesetz zum Abbau von Zweiklassenmedizin“ heißen; denn das ist es, worum es hier geht.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist ein sehr wichtiges Gesetz zum Abbau der in Deutschland vorherrschenden Zweiklassenmedizin.

Wir haben ein gutes Gesundheitssystem – das ist unbenommen –, aber dennoch kommt es zu der Situation, dass trotz der 600 Millionen Behandlungsfälle in den Praxen jedes Jahr – das ist mehr als in jedem anderen europäischen Land – gesetzlich Versicherte oft monatelang auf einen Arzttermin warten müssen. Monatelang!

Das ist eine Fehlsteuerung. Es gibt auch Praxen, die sagen: Unsere Praxis ist zu. Oder sind Sie Privatpatient? – Diese Verhältnisse sind unwürdig für so ein reiches Land wie Deutschland, und diese wollen wir mit diesem Gesetz überwinden.

(Beifall bei der SPD)

Der Hintergrund ist ganz klar: Langfristig brauchen wir eine Bürgerversicherung. Es ist kein Geheimnis, dass wir uns damit in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnten. Wir haben aber vereinbart – dafür sind wir auch dankbar –, dass wichtige Schritte in Richtung einer Bürgerversicherung unternommen werden. Das ist das, was dieses Gesetz leistet. Es bringt uns wichtige Schritte nach vorn in Richtung einer Bürgerversicherung, die langfristig das Ziel ist.

(Beifall bei der SPD – Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann haben Sie Sinn und Zweck des Gesetzes nicht ganz verstanden!)

Zunächst einmal: Weshalb ist es eigentlich für einen neuen Patienten so schwer, einen Termin zu bekommen? Das hat einen ökonomischen Grund. Der ökonomische Grund ist: Der neue Patient bereitet viel Arbeit. Der Arzt kennt ihn noch nicht und muss – hier spreche ich auch als Praktiker – mehr Zeit und Ressourcen investieren, um den neuen Patienten zu versorgen. Jetzt bekomme ich aber für den neuen Patienten so viel wie für einen Patienten, den ich seit Jahren kenne und für den ich sozusagen nur ein Rezept ausstellen muss. Wenn ich Pech habe und mein Budget ausgeschöpft ist, bekomme ich für den neuen Patienten gar kein Geld. Tatsächlich ist das der Hauptgrund, weshalb wir Ärzte die neuen Patienten oft nicht so gerne in der Praxis sehen; denn an ihnen verdienen wir nicht nur nichts, sondern machen zum Teil sogar Verluste. Und das muss sich ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ändern wir mit diesem Gesetz. Daher ist es falsch, wie immer wieder gesagt wurde, dass dieses Gesetz keine Innovation ist, weil dadurch mehr Geld ausgegeben wird. Wenn wir eine derzeit massiv unterbezahlte Leistung für neue Patienten besser bezahlen, sodass die Patienten, die jahrelang Krankenkassenbeiträge zahlen, auch sofort einen Termin bekommen, wenn sie einmal einen Arzt brauchen, dann ist diese höhere Bezahlung auch richtig; denn sie entspricht den Kosten. Das gilt im Übrigen auch in einer Marktwirtschaft.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] – Andrea Nahles [SPD]: Jawohl! Ganz richtig!)

Es ist unbürokratisch gemacht. Über eine einheitliche Nummer, die 116 117, kann man sich einen Facharzttermin oder auch einen anderen Termin vermitteln lassen. Das kann man telefonisch machen oder auch über das Netz, und zwar bundesweit. Der Termin ist spätestens vier Wochen später. Für die Ärzte ist das hoch lukrativ – es ist richtig, was Kollege Gehrke sagte –, weil sie mehr Geld bekommen. Das gönnen wir ihnen, auch als SPD, weil sie mehr Aufwand haben. Natürlich können die Ärzte die Patienten zu den Zeiten einbestellen, die ihnen genehm sind. Wir mischen uns nicht in den Praxisalltag ein.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Aber wir wollen, dass es fünf Stunden offene Praxissprechstunden pro Woche gibt, sodass dort die Patienten hingehen können, die sonst keinen Termin bekommen hätten. Denn was ist die Alternative? Diese Patienten gehen ansonsten in eine Klinik oder Uniklinik, verbrauchen dort sehr viel mehr Geld und sitzen stundenlang herum. Offene Sprechstunden im Umfang von fünf Stunden pro Woche sind einzurichten. Das kann man nicht von heute auf morgen, aber man kann es in den Praxisalltag einbringen. Ich glaube, dass das von den Bürgern gewünscht ist. Wir machen Gesundheitspolitik für die Kranken und für die Bürger, nicht aus der Perspektive zum Beispiel der kassenärztlichen Vereinigungen.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich: Es wird auch dazu kommen, dass wir mehr Ärzte haben, weil wir die Grundbedingungen für Medizinische Versorgungszentren verbessern und viel für Hausärzte machen. Demnächst wird es Hausarztverträge geben, von denen auch der Patient etwas hat, weil er dann zum Beispiel keine Zuzahlungen leisten muss. Der Beitragssatz kann etwas reduziert werden. Es wird eine bessere hausärztliche Versorgung und mehr Medizinische Versorgungszentren geben. Die Blankoverordnungen bei den Physiotherapeuten sind schon erwähnt worden. Langfristig brauchen wir drei Dinge:

Wir brauchen eine Entbürokratisierung. Dabei ist die Telemedizin ein wichtiger Bereich. Wir gehen da einen Schritt mit der gematik.

Wir brauchen mehr Medizinstudenten. Denn mit der Anzahl der Medizinstudenten, die wir derzeit haben, werden wir es nicht schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Abschließend: Wir brauchen eine Bürgerversicherung.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Da haben wir es wieder! Die Bürgerversicherung!)

Wir haben jetzt zwar Verbesserungen, aber diese Verbesserungen werden nur von den gesetzlich Versicherten finanziert. Alle müssten zahlen, auch Beamte und diejenigen, die gut verdienen bzw. ein hohes Einkommen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Christine Aschenberg-Dugnus, FDP, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der FDP)

Personen

Dokumente
Beschlussempfehlung und Bericht
Drucksache 19/8351
a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 19/6337, 19/6436 - Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Michael Theurer , Christine Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/2689 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Krebspatienten die Chance auf eigene Kinder ermöglichen, fertilitätsbewahrende Behandlung zur Regelleistung machen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Robby Schlund, Dr. Axel Gehrke, Detlev Spangenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/3393 - Aussetzung der Budgetierung für Ärzte d) zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/4833 - Ambulante ärztliche Versorgung verbessern, Bürokratie abbauen, Budgetierung aufheben e) zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/6417 - Regionalisierung der Bedarfsplanung, Niederlassungsfreiheit als Regelfall f) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Achim Kessler, Susanne Ferschl, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/4887 - Flächendeckende Versorgung mit Physiotherapie und anderen Heilmitteln sichern g) zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 19/6130 - Bedarfsgerechte Versorgung für alle Patientinnen und Patienten sicherstellen und therapeutische Berufe durch attraktive Arbeits- und Ausbildungsbedingungen aufwerten
von: Ausschuss für Gesundheit

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7334591
Wahlperiode 19
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung
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