14.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 86 / Zusatzpunkt 2

Falko MohrsSPD - Fair Play in der digitalen Wirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war fast ein bisschen erschrocken und müsste eigentlich mit einer Gratulation an die FDP beginnen; denn ich glaube, Sie haben nach meiner letzten Rede tatsächlich eine neue Schallplatte gefunden. Es ist das erste Mal, dass ich einen Digitalantrag Ihrer Fraktion lese, in dem Sie mehr als ein Digitalministerium fordern, womit eigentlich schon die einzige Forderung in Ihrem Antrag erledigt wäre.

(Michael Theurer [FDP]: Sie haben die anderen nicht gelesen!)

Aber, Herr Theurer, dann habe ich mir Ihre Rede angehört und mich gefragt, warum Sie die sieben Minuten, die Sie hatten, so wenig genutzt haben, um die allgemeinen Aussagen in Ihrem Antrag zu konkretisieren. Sie fordern, dass wir dieses Parlament zum Mittelpunkt der Debatte machen, und dann kommen Sie mit diesen Allgemeinplätzen im Antrag und in Ihrer Rede. Ich würde sagen, aus den sieben Minuten haben Sie leider nicht so richtig viel gemacht.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Von Ihren acht Minuten ist auch schon eine um!)

Das ist aber okay; denn wir werden Ihnen mit dem Beitrag von Herrn Heider und unseren an der Stelle gerne helfen. Bleiben Sie ruhig. Sie hatten sieben Minuten. Wenn Sie daraus nichts machen, ist das Ihr Problem.

(Beifall bei der SPD)

Herr Komning, zu Ihnen kann ich nur sagen: Das Einzige, was Sie hier eigentlich noch hätten fordern können, wäre das deutsche iPhone gewesen, mit dem Sie gerne telefonieren würden. Ich weiß gar nicht, mit welchem deutschen Telefon Sie unterwegs sind; aber ganz ehrlich: Diese Schallplatte könnten Sie auch mal austauschen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das eben gehört: Ziemlich genau seit 30 Jahren reden wir über das World Wide Web. Heute sind über 63 Millionen deutsche über 14-Jährige online. Im Jahr 2020 wird es ungefähr 20 Milliarden vernetzte Dinge und Geräte geben. Daran sind erfolgreiche deutsche Unternehmen wie Wirecard oder Freeletics, die gute Bewertungen haben, beteiligt. Das heißt, wir sind in der digitalen Politik und in der digitalen Wirtschaft in Deutschland nicht so schlecht aufgestellt, wie uns manche immer glauben machen wollen.

Aus den Zahlen der letzten 30 Jahre wird aber auch deutlich, dass wir eine drastische, dramatische und rasende Veränderung der Politik und der Wirtschaft erleben. Diese drastische Veränderung zeigt sich auch bei der Frage von Arbeitsplätzen. Wir haben ja gerade in den letzten Tagen bei uns in Niedersachsen, bei mir in Wolfsburg, sehr intensiv diskutiert, dass ein großes Unternehmen, nämlich Volkswagen, vor dem Hintergrund der Digitalisierung die Reduzierung von 7 000 Arbeitsplätzen ankündigt. Das ist natürlich ein deutlicher Auftrag für uns als Politik, den Unternehmen in diesen vom Strukturwandel betroffenen Branchen und Regionen ein deutliches Zeichen zu senden, dass wir den digitalen Wandel, diese Veränderungen in der Wirtschaftspolitik gestalten. Dabei brauchen wir ganz klar ein Fair Play – auch in der durch Digitalisierung geprägten Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen also eine neue wirtschaftspolitische Ordnung. Ich bin ja froh, dass auch in diesem Haus fast alle erkannt haben, dass wir dabei neue Spielregeln brauchen; denn, meine Damen und Herren, genauso ist es. Wir erleben einen starken Trend hin zu Monopolen. Wir erleben, dass Plattformen nicht mehr nur Vermittler, Intermediär des Geschäftes sind, sondern gleichzeitig auch Anbieter. Wir erleben, dass Plattformen – einige sind genannt worden – durch Netzwerk- und Log-in-Effekte ihre Macht zementieren; denn sie haben die meisten Kunden und es gibt eben keine durchlässigen Grenzen zu anderen Wettbewerbern. Durch dieses Wissen, die Menge an Kunden und das Vorhandensein enormer Datenmengen zementieren sich Monopole. Das muss für uns als Politik natürlich Handlungsauftrag sein. Wir brauchen faire und gerechte Rahmenbedingungen – auch in der digitalen Wirtschaft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie das mal dem Wirtschaftsminister!)

Deswegen müssen wir uns fragen: Reicht der Instru­mentenkasten des Wettbewerbs- und Kartellrechts eigentlich aus? Wir sagen: Nein. Weder auf der nationalen noch auf der europäischen Ebene sind wir da am Ende; denn wir müssen mit den Veränderungen Schritt halten.

Wenn ich aus Ihrer Rede, Herr Theurer, eine konkrete Anregung zur europäischen Ebene mitnehme, dann ist es, dass Sie wirtschaftspolitisch strategische Entscheidungen beispielsweise durch eine Analogie der Ministererlaubnis auf europäischer Ebene ablehnen. Das habe ich Ihrer Rede eben konkret entnommen. Dazu möchte ich sagen: Es ist fatal, wenn wir wirtschaftspolitisch strategisch nicht entscheiden können, welche Zusammenschlüsse wir eigentlich wollen. Das haben wir ja beim Thema „Siemens und Alstom“ schmerzhaft erfahren. Ich nehme mit, dass Sie das auch in Zukunft nicht zulassen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kommen wir zurück zur Digitalisierung: Es geht also darum, dass wir den Zugang zu Daten klug organisieren und dass wir das Kartellrecht schärfen, damit die Kartellbehörde dort, wo es Monopoltendenzen gibt, im Einzelfall eingreifen und regulieren kann. Das ist eine Frage des Fair Play.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Theurer, FDP?

Wenn die sieben Minuten noch nicht ausgereicht haben, dann bitte schön.

Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben die Ministererlaubnis auf europäischer Ebene angesprochen. Es ist Ihnen offensichtlich entgangen, dass es heute schon eine politische Entscheidungsmöglichkeit in solchen Fragen in der Kommission gibt. Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass es Position der Sozialdemokraten ist, dass die Europäische Kommission als europäische Bundesregierung auch die politische Verantwortung für die europäische Politik übernimmt. Die Wettbewerbskommissarin hat im Kollegialorgan der Europäischen Kommission die Möglichkeit, das Ganze auf der Grundlage der rechtlichen Bewertung der Wettbewerbsbehörde zu entscheiden. Das heißt, es gibt die Möglichkeit einer Ministererlaubnis auf europäischer Ebene bereits.

Das, was Minister Altmaier und Minister Le Maire wollen, ist ja etwas ganz anderes: Sie wollen diese Entscheidungsmöglichkeit in den Rat ziehen. Das heißt, sie wollen sie der europäischen Bundesregierung, der Kommission, nehmen. Meine Frage: Ist Ihnen das etwa entgangen? Und sind Sie der Meinung, dass die Europäische Kommission in dieser Frage der Wettbewerbszuständigkeit geschwächt werden soll?

Herr Kollege Theurer, ich habe es ja eben deutlich gemacht: Wir wollen überhaupt keine Schwächung der europäischen Ebene, wenn es um faire Marktbedingungen und wettbewerbs- und kartellrechtliche Kompetenzen geht. Da haben Sie mir vielleicht nicht zugehört. Wir wollen eine Stärkung, und das ist auch Aufgabe der Wettbewerbsrechtskommission 4.0, die Sie ja so ein bisschen, ich sage mal, herabqualifiziert haben. Wir wollen, dass genau dort Vorschläge erarbeitet werden, wo Anpassungen auf deutscher und europäischer Ebene notwendig sind.

Ich möchte zu Ihrer konkreten Frage zurückkommen. Nein, es ist eben nicht so, dass die Kollegin an der Stelle – sie kommt doch sogar aus Ihrer Parteienfamilie und hat deutlich gemacht, dass sie die Entscheidung über Alstom und Siemens sehr klar auf Basis der vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen gefällt hat – die Möglichkeit gehabt hat, eine gesamtstrukturpolitisch strategische Entscheidung zu treffen. Das müssen Sie, Herr Kollege, auch anerkennen. Ansonsten: Sie hat ja Ihr Parteibuch. Ich bin mir sicher: Sie können da noch mal nachfragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Sehr gut geantwortet!)

Ich würde gerne weitermachen.

Ein weiterer Punkt beim Thema „Fair Play in der digitalen Welt“ ist die Frage der Besteuerung.

(Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ich glaube, Ihre Partei hat gleich noch das Wort, Frau Kollegin. Dann können Sie Ihren Punkt ja vielleicht einbringen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trauen Sie sich nicht?)

– Was heißt: „Ich traue mich nicht“? Frau Dröge, ich glaube, wir haben genug Diskussionsmöglichkeiten.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine weitere Zwischenfrage.

Keine weitere Zwischenfrage.

Ich würde mit der Frage des „Fair Play“ in der Besteuerung gerne weitermachen; denn das ist eine Kernfrage, wenn wir über Fair Play in der digitalen Welt sprechen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch digitale Unternehmen und nicht nur die kleinen ehrlichen Handwerksbetriebe und Mittelständler in unserem Land aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit Steuern zahlen. Das ist eine Frage der Fairness. Ich würde mich freuen, wenn wir an der Stelle in Zukunft auch die Kolleginnen und Kollegen der FDP an unserer Seite hätten; denn diesen Teil haben Sie – das muss man sagen, wenn wir schon über Fair Play in der digitalen Welt reden – leider in Ihrem Antrag aus meiner Sicht viel zu wenig berücksichtigt.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen also beim Thema „digitale Agenda“ und „Fair Play in der digitalen Wirtschaft“ drei Dinge schaffen: Wir müssen, erstens, für führende deutsche und europäische Industrieplattformen mit einem weltweiten und großen Pool an Prozess- und Betriebsdaten Sicherheit herstellen, damit dort ein kluger Zugriff auf Daten und kluges Teilen von Daten ermöglicht wird.

Wir müssen, zweitens, die Finanzierung von Start-ups voranbringen, damit neben dem deutschen Mittelstand die Start-ups von heute die Arbeitgeber von morgen werden können, die uns in der digitalen Wirtschaft entsprechend innovativ voranbringen können.

Wir müssen, drittens, Fachkräfte und das digitale Know-how in Deutschland halten und neu hinzugewinnen. Ich bin froh, dass inzwischen – leider muss man sagen: fast – alle Fraktionen in diesem Haus verstanden haben, dass wir eine Fachkräfteeinwanderung brauchen, weil das digitale Know-how der Fachkräfte für unsere Wirtschaft nötig ist. Reden Sie mit den Unternehmen! Das ist einer der größten Mängel, wenn es um die Entwicklung deutscher Unternehmen geht.

Die Digitalisierung verändert unsere Welt in rasender Geschwindigkeit. Wir werden, können und wollen diese Veränderungen nicht aufhalten, aber unser Auftrag ist es, diese zu gestalten. Für die SPD ist dabei klar: Wir brauchen neue Spielregeln. Wir brauchen faire Spielregeln. Und wir brauchen endlich eine faire Besteuerung – auch in der digitalen Welt.

Die Menschen, der deutsche Mittelstand, die Industrie und die gesamte deutsche Wirtschaft können sich darauf verlassen, dass wir unseren Auftrag wahrnehmen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir diese Spielregeln schaffen werden. Denn für uns ist klar: Technischer Fortschritt ist nie Selbstzweck; er muss immer dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Anke Domscheit-Berg, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7334620
Wahlperiode 19
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Fair Play in der digitalen Wirtschaft
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