Hansjörg DurzCDU/CSU - Fair Play in der digitalen Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Internet feiert 30. Geburtstag und verändert seit seiner Gründung Gesellschaften und Volkswirtschaften weltweit. So überrascht es nicht, dass sein Erfinder dieser Tage dazu aufruft, neben der Freude über die Errungenschaften, die mit dem World Wide Web zweifellos verbunden sind, sich auch Gedanken darüber zu machen, welche Maßnahmen notwendig sind, um unerwünschte Effekte zu korrigieren.
Die erdrückende Dominanz einer Handvoll Digitalkonzerne im Bereich der Digitalwirtschaft gehört sicherlich dazu. Insofern benennt der Antrag der FDP wichtige Herausforderungen – das ist mehrfach angeklungen – und kommt zu einer überwiegend zutreffenden Analyse. Dennoch vermittelt der Antrag ein unvollständiges Bild und greift mit seinen Lösungsvorschlägen zu kurz.
Die genannten Zahlen zum Beispiel zum Marktanteil oder zum Wachstum von Facebook und Co sind imposant. Zugegebenermaßen ist die Entwicklung eines deutschen oder europäischen Google nicht erkennbar. Bei B2C-Plattformen, also bei Plattformen zwischen Unternehmen und Privatpersonen, ist diese Beschreibung absolut zutreffend. Zur Vollständigkeit dieses Bildes gehört aber auch, dass die Situation im Geschäftskundenbereich – B2B –, zum Beispiel bei Industrieplattformen, über die erfolgreich Daten von Systemen, Maschinen, Anlagen und Produkten miteinander verbunden werden, eine andere ist. Diese Plattformen sind zwar nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Hier gibt es aber global erfolgreiche deutsche Unternehmen, echte Erfolgsgeschichten. In Zukunft wird der Ausschuss Digitale Agenda genauso wie der Wirtschaftsausschuss die Hannover-Messe besuchen und dort solche deutschen Plattformunternehmen besuchen. Es ist nämlich notwendig, nicht nur die Schwächen zu benennen, sondern auch die Stärken unserer deutschen Unternehmen zu kennen und daran zu arbeiten, dass unsere erfolgreiche deutsche Wirtschaft auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die einseitige Fokussierung auf die großen Player im Bereich der B2C-Plattformen wird unserer Wirtschaft nicht gerecht. Das gilt auch für den vorliegenden Antrag, der dann auch nahezu ausschließlich auf das Feld des Wettbewerbsrechts abstellt. Um Fair Play in der digitalen Wirtschaft zu erreichen, reicht es nicht aus, die Regeln im Wettbewerbsrecht zu verändern. Zwar werden wir den Rahmen anpassen müssen; das ist unstrittig. Zusätzlich müssen wir unsere Wirtschaft aber aktiv dabei unterstützen und in die Lage versetzen, den Wettbewerb gegen die großen Player überhaupt antreten zu können. Das gehört auch zum Fair Play. Das wird ohne Anpassungen im Bereich der Datenwirtschaft nicht funktionieren. Insofern sind Anpassungen des Wettbewerbsrechts und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Welt zwei Seiten derselben Medaille. Es gilt, vor allem Antworten auf zwei Herausforderungen zu finden: Erstens. Wie begegnen wir den Monopolisierungstendenzen auf Plattformmärkten? Zweitens. Wie steigern wir die Wettbewerbsfähigkeit bei datengetriebenen Geschäftsmodellen? Also: Wie gehen wir mit Daten als dem Wertschöpfungsfaktor der Zukunft um?
Zu den Plattformen. Wir müssen die Plattformen, ihre Geschäftsmodelle und ihre Wechselwirkungen analysieren und verstehen. Die im Antrag genannte Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums von Schweitzer, Kerber und Haucap bietet hier wertvolle Unterstützung. Da geht es natürlich um eine Unterstützung des Parlaments, das dann entscheiden muss. Wir müssen Missbrauch durch und auf Plattformen identifizieren und abstellen. Die Verfahren gegen Facebook und Google zeigen, dass die Missbrauchskontrolle grundsätzlich funktioniert. Die Verfahren machen aber auch deutlich, dass wir schneller werden müssen, weil die Prozesse noch zu lange dauern. Wir werden hier Maßnahmen ergreifen müssen, um die Verfahren zu beschleunigen.
Wir müssen Missbrauch und Konzentrationstendenzen durch kluge Regulierung für die Zukunft unterbinden. Dafür werden wir den Behörden die notwendigen Instrumente zur Verfügung stellen. Hier waren wir in der letzten Legislaturperiode aber bereits tätig. Mit der neunten GWB-Novelle haben wir den Transaktionswert als zusätzliches Aufgreifkriterium bei der Fusionskontrolle eingeführt und eine richtige Antwort auf Fälle wie die Übernahme von WhatsApp durch Facebook gegeben. Weitere Anpassungen des GWB gerade mit Blick auf Plattformunternehmen werden in dieser Wahlperiode folgen, natürlich unter Einbeziehung des Parlaments. Wir wollen so unser Wettbewerbsrecht weiter modernisieren und an die Gegebenheiten der digitalen Welt anpassen. Hier sind wir übrigens Vorreiter für das europäische Wettbewerbsrecht; denn allein nationale Änderungen in der Missbrauchsaufsicht oder der Fusionskontrolle sind kein taugliches Mittel.
Wir haben uns deshalb im Rahmen des Koalitionsvertrags dazu entschieden, die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 einzusetzen. Dort arbeiten Expertinnen und Experten an wettbewerbspolitischen Fragestellungen, die sich durch Datenökonomie, Plattformen und beispielsweise Industrie 4.0 ergeben. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf dem europäischen Wettbewerbsrecht. In diesen Prozess sind im Übrigen auch Verbände und Unternehmen eng eingebunden. Wir erwarten noch vor der Sommerpause Ergebnisse und konkrete Handlungsempfehlungen.
Das zweite Thema ist: Wie steigern wir die Wettbewerbsfähigkeit bei datengetriebenen Geschäftsmodellen? Wie gehen wir mit Daten als dem Wertschöpfungsfaktor der Zukunft um? Dieser Aspekt fehlt im Antrag der FDP gänzlich. Dabei ist Sammeln, Analyse und Auswertung von Daten Kern jedes digitalen Geschäftsmodells. Datenreichtum ermöglicht Effizienzsteigerungen bei Prozessen, vor allem aber Innovation von Produkten und Diensten, Innovation von neuen Geschäftsmodellen. Gleichzeitig kann Datenreichtum aber auch zur Marktbeherrschung führen. Diese begünstigen und verfestigen wir. Wir benötigen daher wettbewerbsrechtliche Leitplanken für datengetriebene Geschäftsmodelle, aber im Sinne von „möglich machen“. Wie kann ein innovationsfreundlicher Datenzugang gefördert werden? Welche Rahmenbedingungen sind für maschinelles Lernen nötig? Wie schaffen wir Rechtssicherheit für Kooperationen? Welche Rolle kommt dem Staat als Datenmittler zu? Brauchen wir Experimentierräume mit zeitweise abgeschwächter Datenregulierung? Brauchen wir neue Datennutzungs- bzw. Datenverwertungsrechte oder ein Recht auf Datenportabilität auch für nicht personenbezogene Daten? Antworten auf diese Fragen werden sich aus der Arbeit der Wettbewerbskommission ergeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wettbewerbsrecht ist zentral für Fair Play in der digitalen Wirtschaft. Andere Aspekte, wie zum Beispiel der erwähnte Datenschutz oder Verbraucherschutz, sind aber ebenso zu berücksichtigen. Daten und Datennutzung sind Schlüssel für eine wettbewerbsfähige deutsche und europäische Digitalwirtschaft. Wir werden dort, wo es notwendig ist, die entsprechenden Anpassungen auf nationaler wie europäischer Ebene vornehmen mit dem Ziel eines funktionierenden Wettbewerbs durch gute und faire Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Hansjörg Durz. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Uwe Schulz.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7334707 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Fair Play in der digitalen Wirtschaft |