14.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 8

Sebastian SteinekeCDU/CSU - Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Die beiden heutigen Vorlagen – wir beraten auch einen Antrag der Grünen zu dem Thema Inkasso – bieten die Möglichkeit, das Thema grundsätzlicher zu beleuchten und uns auszutauschen. Herr Kollege Maier, Sie haben natürlich recht: Das werden wir dann auch im Ausschuss entsprechend tun.

Sie möchten mit Ihrem Gesetzentwurf die Möglichkeit – das haben Sie gerade auch gesagt –, vorgerichtliche Inkassokosten erstattet zu bekommen, in den entsprechenden Höhen grundsätzlich unterbinden. Das wäre aus unserer Sicht allerdings ein ziemlich tiefer Eingriff und fast ein Totalverbot für die Branche in diesem Bereich.

Wir kennen die Probleme – Sie haben sie aufgezählt – und die Missbräuche, die in der Branche vorkommen. Schwarze Schafe gibt es überall. Das ist aber aus unserer Sicht noch lange kein Grund, auch alle redlichen Unternehmen dafür in Mithaftung zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Im heutigen Wirtschaftsleben ist die Möglichkeit, Inkassodienstleistungen in Anspruch zu nehmen, gerade für die Kleinstunternehmen und für den Mittelstand unverzichtbar. Pro Jahr werden dem Wirtschaftskreislauf zwischen 5 Milliarden und 10 Milliarden Euro durch Inkasso wieder zugefügt, die ansonsten nicht zurückgeflossen wären.

Wir brauchen in bestimmten Bereichen noch neue Regelungen. Das ist unstrittig. Aber die gesamte Branche in Abrede zu stellen, kann nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei bleibt aus unserer Sicht rechtlich Folgendes festzuhalten: Inkassokosten sind nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofes als auch des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ersatzfähig. Das entspricht dem selbstverständlichen Grundsatz, dass der Schuldner dem Gläubiger den durch Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Das ist in unserem Schadensersatzrecht nach dem Grundsatz der Totalreparation auch absolut herrschende Meinung.

Einen Ausschluss bestimmter Teile, wie Sie ihn vorsehen, ist aus unserer Sicht allein aus europarechtlichen Gründen nicht möglich. Es gibt die Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, in der explizit gefordert wird:

Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.

Aus unserer Sicht können Sie hier also im besten Fall keinen Unterschied machen zwischen dem Friseur an der Ecke, der versucht, seine Forderung geltend zu machen, oder einer Privatperson. Die von Ihnen gewählte Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang völlig willkürlich und vermutlich auch wettbewerbsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

Etwas ganz anderes ist natürlich die Frage, ob und welche eigenen Bemühungen der Gläubiger an den Tag zu legen hat oder in welcher Höhe die Inkassokosten überhaupt geltend gemacht werden können. Wir werden den Evaluationsbericht des iff-Instituts über die inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, der seit längerer Zeit vorliegt, sehr genau auswerten und uns auch die Schwachstellen angucken; das ist der Weg, den wir auch in Bezug auf die beiden Vorlagen gemeinsam beschreiten sollten. Der Bericht unterliegt nämlich durchaus gewisser Kritik. Der Vorwurf lautet, dass die empirischen Erhebungen nicht sauber durchgeführt worden seien, und es fehle den Analysen an statistischer Fundiertheit. Auch darüber müssen wir reden.

Damit bin ich beim Antrag der Grünen. Der Ansatz, den Sie verfolgen, ist sicherlich nicht falsch. Darüber wird man zu reden haben. Dennoch müssen wir durch Auswertung des Berichtes sehr genau prüfen, was gesetzgeberisch notwendig ist. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Inkassowesen deutlich verbraucherfreundlicher zu gestalten. Hiermit beschäftigt sich das Justizministerium. Das haben wir gerade gehört. Ich denke, dass wir ein bisschen an Zeit zunehmen können. In der Fraktion haben wir uns schon erste Gedanken gemacht.

Wir müssen uns mit dem Thema „Höhe der Kosten“ beschäftigen. Das ist unstrittig. Darüber müssen wir reden. Wir müssen aber auch über ein Thema reden, das in beiden Vorlagen gar nicht enthalten ist, nämlich über das problematische Thema Identitätsdiebstahl. Das ist eine erhebliche Belastung für die vermeintlichen Schuldnerinnen und Schuldner, die sich selber noch exkulpieren müssen. Viele betroffene Schuldner sind zu Recht über die Art und Weise sowohl der Formulierung als auch des Anschreibens – ich sage es vorsichtig – entsetzt und nicht damit einverstanden. Die Branche hat darauf reagiert und möchte einen Code of Conduct entwickeln. Das begrüßen wir sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Politik waren in den letzten zwei Jahren aber nicht untätig. Wir unterstützen mit dem BMJV das Online-Inkasso-Tool der Verbraucherzentrale Brandenburg – bestes Legal Tech –, das im letzten Jahr bereits 41 000 Vollnutzer in Anspruch genommen haben. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir weitere gute Vorschläge beraten und zu einer guten Lösung kommen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Katharina Willkomm für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7335072
Wahlperiode 19
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen
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