Katharina WillkommFDP - Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD zersäbelt das Recht. Heute ist das Schuldrecht dran, § 280 BGB, das Herzstück des Schadensersatzrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Mir drängt sich eine Frage auf: Hat denn kein Jurist bei Ihnen in der Fraktion die Hand gehoben und gesagt: „Das gehört da nicht hin“? Wie die Begründung zu Ihrem Entwurf andeutet, haben Sie sich anscheinend mit der Systematik der Schadensersatznormen beschäftigt, nur mit deren Inhalt offensichtlich nicht. Sie fordern eine zweite qualifizierte Mahnung, bevor Inkassokosten ersetzt werden können, selbst dann, wenn noch nicht einmal eine erste Mahnung notwendig war. Das ist schlichtweg unlogisch.
(Beifall bei der FDP)
Denn die Regelung des § 286 BGB macht eine Mahnung in Einzelfällen entbehrlich, und zwar aus guten Gründen, meine Damen und Herren. Zum Beispiel wenn ein Schuldner ernsthaft und endgültig die Zahlung verweigert, muss man ihn nicht mahnen. Er hat seinen Standpunkt klargemacht. Ihm jetzt wieder eine Mahnung zu schicken, die androht: „Beim nächsten Mal kommt Post vom Inkassodienst“, ist pure Zeitverschwendung für alle Beteiligten.
(Beifall bei der FDP)
Zum Thema Inkasso haben die Gerichte bereits das meiste geklärt. So ist etwa die doppelte Inanspruchnahme des Schuldners mit Inkasso- und Anwaltskosten nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Im BGB muss deshalb nichts klargestellt werden.
Das Einzige, was Ihr Gesetzentwurf schafft, sind mehr Aufträge für Anwälte und höhere Kosten für die Schuldner. Ein vernünftig denkender Gläubiger würde in Zukunft statt des Inkassos gleich den teureren Anwalt beauftragen. Dessen Kosten bekommt er schließlich weiterhin ohne Einschränkung erstattet.
Dabei ist es völlig legitim, wenn Inkassobüros für die Forderungsbeitreibung genutzt werden. Viele Schuldner können Forderungen nur in Raten abstottern. Die notwendigen Zahlungsvereinbarungen zu schließen, die Rückzahlung zu überwachen und alles richtig zu verbuchen, ist aufwendig. Gerade für kleine Unternehmen ist es eine enorme Erleichterung, wenn sie das in professionelle Hände geben können.
Schuldner wissen zudem meistens, ob die Forderung berechtigt ist. Hat man etwas gekauft, muss man es auch bezahlen. Und hat man eine Rechnung übersehen, zahlt man sie schleunigst nach Erhalt der Mahnung. Erst wenn man weiterhin den Kopf in den Sand steckt, kommen Inkassofirmen überhaupt ins Spiel.
Für redliche Unternehmer schaffen Sie nur bürokratischen Mehraufwand. Unseriöse Gläubiger und unseriöse Inkassofirmen aber pfeifen auf gesetzliche Anforderungen; das haben Sie in Ihrer Begründung selber dargelegt. Die werden doch nicht anständig, nur weil sich im Schuldrecht eine Norm ändert. Die halten sich ja auch jetzt nicht an die bestehenden Regeln. Gegen solche Firmen hilft nur eine Strafanzeige.
(Beifall bei der FDP)
Legale Inkassofirmen sind bei Gericht registriert, und dort kann man sich auch beschweren. Findet sich eine Inkassofirma nicht im Register, kann man deren Schreiben getrost ignorieren. Informieren kann man sich auch online. Dazu bietet der Inkasso-Check der Verbraucherzentralen eine einfache Kontrolle, und zwar kostenlos. Wer es analog bevorzugt, erhält bei den Verbraucherzentralen auch vor Ort Hilfe und Beratung.
Zusammengefasst: Wieder ein AfD-Vorschlag, 12 Seiten lang, wieder erst gestern vorgelegt, aber heute in der Debatte, wieder ziemlich unkollegial und der Inhalt, sachlich wie rechtstechnisch, wieder ein Desaster.
(Beifall bei der FDP – Jürgen Pohl [AfD]: Sie haben keine Praxiserfahrung! Sie wissen überhaupt nicht, wovon Sie Sie reden! Ich war 25 Jahre Anwalt!)
Das Wort hat der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion. Besonders würdigen wir, dass Sie beschlossen haben, Ihren heutigen Geburtstag mit uns hier im Plenum zu verbringen.
(Beifall)
| Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
| Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
| Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7335073 |
| Wahlperiode | 19 |
| Sitzung | 86 |
| Tagesordnungspunkt | Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen |