Heribert HirteCDU/CSU - Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Tribünen! Wir haben hier über zwei Vorlagen zu beraten – ein Gesetzentwurf der AfD und ein Antrag der Grünen –, die sich beide mit dem Problem des Inkassos oder des Inkassomissbrauchs befassen.
Die AfD möchte mit ihrem Entwurf letztlich bei Inkassoforderungen unter 100 Euro die Erstattungsfähigkeit der Kosten abschaffen. Das ist ein Riesenbruch mit Grundprinzipien des deutschen Zivilrechts. Was eigentlich noch viel schlimmer ist: Es ist ein Verstoß gegen das von Ihnen immer wieder hervorgehobene Subsidiaritätsprinzip. Denn was würde mit diesen Forderungen passieren? Es würden sofort Mahnbescheide erstellt, es würde sofort an die Gerichte gehen, und die Justiz würde in einer Weise belastet, die wir zuvor nicht gesehen haben.
Die Inkassounternehmen – ja, da gibt es auch Missbrauch; das ist völlig unstreitig – erfüllen eine wichtige Aufgabe; denn sie sind in der Lage, Verhandlungen mit den Schuldnern zu führen und Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen, wodurch Entlastungen für die Schuldner erreicht werden können. Sie wollen also den Verbrauchern etwas wegnehmen, was wir ihnen geben wollten.
In der letzten Legislaturperiode – ich sage das an die Kollegin von den Linken – haben wir genau an dem Punkt nachgesteuert, nämlich im Insolvenzrecht. Wenn Menschen in den Schuldturm getrieben werden, dann werden Ratenzahlungsvereinbarungen anerkannt. Wir haben also hier etwas für diejenigen gemacht, die in einer problematischen Lage sind.
Ich komme zurück zu Ihrem Entwurf. Kollege Steineke hat schon sehr deutlich gesagt: Mit Ihrem Entwurf soll der Grundsatz der Totalreparation als Grundsatz des Zivilrechts aufgegeben werden. Das ist meines Erachtens überhaupt nicht zu vertreten.
Wenn wir über einen Widerspruch nachzudenken haben, dann über die Tatsache, dass Unternehmer ihre Kosten geltend machen können, während sich aus der Mühewaltung der Verbraucher, die gegenüber Unternehmen Rechte geltend machen, kein Ersatzanspruch ergibt. Darüber kann man zivilrechtlich durchaus nachdenken. Das aber tun Sie nicht.
Letzter Punkt zu Ihrem Entwurf – das kam auch im Antrag der Grünen vor –: Wieso soll eine zweite Mahnung erforderlich sein oder vielleicht eine dritte oder vierte? Das überzeugt überhaupt nicht.
Ich glaube aber, dass das Kernproblem – es wird im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen angesprochen – an einer anderen Stelle liegt. Es liegt nicht bei der Frage der Ersatzfähigkeit dem Grunde nach, sondern bei der Frage der geltend zu machenden Kosten. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir über eine Begrenzung auf aufwandsbezogene Kosten nachdenken müssen. Ich glaube aber, dass der Ansatz nicht, wie wir es gerade schon in der Diskussion erlebt haben, darin liegen kann, in der Gebührenstruktur nur ein klein wenig zu ändern.
Das Kernproblem liegt doch darin, dass die Gebührenordnung für Rechtsanwälte und auch die Abmahnkosten im außergerichtlichen Verfahren unser digitales Zeitalter noch nicht richtig widerspiegeln. Die Kostendegression, von der die Abmahnunternehmen, aber auch die Anwälte, die nun sehr schnell arbeiten können, profitieren, ist in der Gebührenordnung noch nicht reflektiert. Wir müssen deshalb meines Erachtens darüber nachdenken, die entsprechenden Kostenvorteile, die sich für die Justiz insgesamt ergeben, in einer geeigneten Weise aufzuteilen zwischen denjenigen, die die Arbeit machen, und denjenigen, gegenüber denen die Forderungen geltend gemacht werden. Hier geht es im Übrigen um ein Problem, das wir unter anderem auch im Gesundheitswesen haben. Auf der einen Seite brauchen wir eine effiziente Rechtsdurchsetzung. Auf der anderen Seite müssen wir die Kostenvorteile in vernünftiger Weise zwischen den Betroffenen aufteilen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.
Kollege Steineke hat Legal Tech ins Gespräch gebracht. Das gehört dazu. Ich glaube, da ist noch einiges zu tun. Ich freue mich auf die gemeinsamen Beratungen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] und Dr. Stefan Ruppert [FDP])
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Sarah Ryglewski das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7335080 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Schutz vor unverhältnismäßigen Inkassoforderungen |