Volker UllrichCDU/CSU - Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte über eine grundsätzliche Frage unseres Verfassungsgefüges hat was mit Respekt vor diesem Parlament zu tun. Dieser Gesetzentwurf und Ihre Rede, Herr Kollege Brandner, waren respektlos. So können wir nicht über grundlegende Fragen in diesem Haus diskutieren.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Ja, politische Ämter sind stets Mandate auf Zeit. Das ist auch der Grundgedanke, der das Grundgesetz durchzieht, indem es politische Macht auch an Wahlen knüpft. Es gibt in unserem Grundgesetz die Amtszeitbegrenzung beispielsweise für den Bundespräsidenten und für die Richter des Bundesverfassungsgerichts – das aus gutem Grund, weil beide nicht wieder abberufen werden können, weil das auf der einen Seite die Souveränität des Staatsoberhauptes und auf der anderen Seite die richterliche Unabhängigkeit sicherstellt.
Unsere Verfassungsmütter und ‑väter haben die Amtszeit des Bundeskanzlers nicht mit einer Amtszeitbegrenzung versehen. Sie sind gar nicht auf die Idee gekommen, weil das Grundgesetz automatisch mehrere Aspekte eingebaut hat, wonach die Amtszeit des Bundeskanzlers unmittelbar auch mit dem Vertrauen des Parlaments zu tun hat – mit der Vertrauensfrage, dem konstruktiven Misstrauensvotum und der Verankerung in den Fraktionen, die die Regierung bilden, und natürlich mit der Stärke des politischen Rückhalts.
Und ja, es lässt sich natürlich trefflich streiten, ob aus politischen Gründen heraus eine Erneuerung im Amt des Bundeskanzlers opportun erscheint oder nicht. Aber wir können nicht jede Frage, die die Parteien lösen müssen, gleich in die Verfassung schreiben, sondern es ist auch Aufgabe des Parlaments, über die Fraktionen dann eine Erneuerung herbeizuführen, wenn diese angezeigt ist. Ich meine, das ist eine Frage, die von konkreten Personen unabhängig ist. Ganz im Gegenteil: Der Umstand, dass wir in 70 Jahren Grundgesetz insgesamt nur acht Kanzler hatten, ist doch ein Ausweis von großer Stabilität. Und die politische Stabilität in diesem Land hat auch dazu geführt, dass wir Frieden, Freiheit und Wohlstand haben. Das sollten Sie niemals aus den Augen verlieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ihr Gesetzentwurf ist teilweise auch sachlich falsch. Sie schreiben beispielsweise, dass der Bundeskanzler ein direktes Durchgriffsrecht auf das Ausgabengebaren der Ministerien hat. Sie haben Artikel 65 Grundgesetz nicht gelesen, nach dem wir das Ressortprinzip haben und jeder Bundesminister selbst und eigenverantwortlich seine Regierungsarbeit voranbringen kann.
Sie wissen auch gar nicht genau, was Sie wollen. Sie schlagen auf der einen Seite eine Zeitspanne für die Anzahl der Kanzlerjahre vor, und auf der anderen Seite rekurrieren Sie auf die Zahl der Wahlen. Beides hat aber große Schwächen.
Zum einen: Was bedeutet denn „Wahl“?
(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege. – Aber ich muss mich schon arg wundern. Liegt es am Politbetrieb, dass Sie so betriebsblind und realitätsfern sind?
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bei Ihnen geht nichts ohne Beleidigungen!)
Kennen Sie den Begriff „Amtsbonus“? Wissen Sie, dass Demokratierechtler immer sagen,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Demokratierechtler? Was sind denn Demokratierechtler?)
dass leider eine lange Amtszeit nachher immer darauf ausgerichtet ist, wiedergewählt zu werden? Gerade der zitierte Kanzler Kohl – manche kannten gar keinen anderen – ist verantwortlich für einen Reformstau in unserer Republik, weil immer wieder alles bei ihm demokratiepraktisch sogar auf die Wiederwahl ausgerichtet wurde.
Sie reden vom Ressortprinzip. Ich rede von der Richtlinienkompetenz des Kanzlers, meine Damen und Herren.
Und wie kommt es, wenn Sie von einem starken Parlament und starken Parlamentariern sprechen, dass Sie eben das Paradebeispiel geliefert haben? 7,5 Milliarden Euro Haftung für diese Investitionsbank prügeln Sie hier in 27 Minuten durch.
Meine Damen und Herren, wenn wir dann noch darüber sprechen, dass wir diesen Vergleich wählen – und es ist sehr unredlich, was Sie hier mit dem Kollegen Brandner machen –, dann müssten Sie mir doch zustimmen, dass Sie einige Demokratieprinzipien und Erwägungen großer Verfassungsrechtler hier einfach unter den Tisch fallen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Herr Kollege, ich stimme Ihnen in gar keinem Punkt zu. Sie haben in dem, was Sie gesagt haben, unrecht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum einen: Sie missachten das Parlament. Sie haben gerade gesagt: Hier wird ein Gesetz zur Europäischen Investitionsbank durchgeprügelt. – Das Wort „prügeln“ ist nicht der richtige Ausdruck dafür, dass eine große Mehrheit dieses Hauses nach Beratungen im Ausschuss hier eine Entscheidung getroffen hat. Das ist antidemokratisch, wenn Sie so argumentieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Zweitens bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, wie die Wahlergebnisse der Jahre 1983 bis 1994 ausgefallen sind. Dort haben Christdemokraten und Christsoziale immer unter Führung von Helmut Kohl eine deutliche Mehrheit im Deutschen Bundestag bekommen. Das ist der Souverän, der so entschieden hat. Es mag Ihnen nicht passen, aber das ist Geschichte.
Im Übrigen haben die Kanzlerschaft von Helmut Kohl und die Regierungen von CDU, CSU und FDP in dieser Zeit unserem Land und Europa sehr gutgetan.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und darüber hinaus: Ja, es gibt die Richtlinienkompetenz. Aber es gibt eben auch das Ressortprinzip. Sie können sich beim Grundgesetz nicht das herauspicken, was Sie gerne hätten, sondern Sie müssen die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit so nehmen, wie sie ist, und so beschreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Mein letzter Punkt. Was bedeutet „Wahl“? „ Wahl“ bedeutet natürlich die Wahl im Deutschen Bundestag. Aber wie ist es mit einem konstruktiven Misstrauensvotum? Dabei stehen im Prinzip auch zwei zur Wahl: derjenige, der den Kanzler herausfordert, und der amtierende Kanzler. Wollen Sie also, wenn Sie auf zwei Wahlen begrenzen, dann auch nur noch zweimal ein konstruktives Misstrauensvotum zulassen? Das sind alles offene Fragen, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf nicht behandelt haben. Deswegen lehnen wir ihn aus grundsätzlichen Erwägungen ab.
Wenn ich abschließend außerhalb der verfassungstheoretischen Debatte noch etwas sagen darf – ich sage das für meine Fraktion und mit großem Stolz –: Ich bin froh, dass in den letzten 14 Jahren Angela Merkel Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland war,
(Zurufe von der AfD: Oje! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hören Sie mit dem falschen Pathos auf!)
weil das Frieden und Wohlstand gebracht hat und unser Land nicht da stünde, wo es steht, wenn wir nicht diese Erfolge erzielt hätten.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7335348 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers |