15.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 87 / Tagesordnungspunkt 21

Doris Maria AchelwilmDIE LINKE - Vereinbarte Debatte Internationaler Frauentag

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, Kollegen und Gäste! Der Internationale Frauentag ist heute so zeitgemäß wie vor 100 Jahren; wir haben es gehört. Das ist aber nicht nur traurig: Wir haben am 8. März auch sehr viel gefeiert. Wir haben gefeiert, dass wir uns in vielen Städten neu verbinden, dass Frauen sich neu gegen ihre Benachteiligung und gegen die Abwertung ihrer Arbeit organisieren, und wir feiern, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, Parität durchzusetzen, und das auch hier im Bundestag. Das war auch ein Anlass, den 8. März nicht nur negativ zu sehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Am meisten hat aber die Frauenstreikdemos dieses Jahr wohl bewegt – das muss man sagen –, dass der § 219a weiter im Strafgesetzbuch steht. Die beispiellos teure und unnötige Studie von Herrn Spahn legte noch eins obendrauf: Das ist eine Geldverschwendung sondergleichen und eine frauenfeindliche dazu. Wir sind sehr dagegen!

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute findet am Amtsgericht Hamburg eine wichtige Verhandlung statt. Meine Fraktionskollegin Cornelia Möhring ist als Prozessbeobachterin vor Ort. Ein bekannter Abtreibungsgegner verklagt Kersten Artus, Journalistin und Vorsitzende von pro familia Hamburg, weil sie seinen Namen öffentlich machte und damit seiner Meinung nach gegen Persönlichkeitsrechte verstößt. Dieser Abtreibungsgegner, der gerne anonym sein will, hat seine Mission mehrfach in Interviews dargelegt. In einem „taz“-Interview vom 10. April 2018 berichtet er über sein Vorgehen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Er will halt keine Mädchen töten! – Gegenrufe von Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Er suchte im Internet nach Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Wenn er bei Arztpraxen dann fündig geworden ist, erstattet er gleich online die Strafanzeige und sagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Ich mache das jetzt seit gut drei Jahren und habe, würde ich mal schätzen, 60 bis 70 Anzeigen erstattet. Das ist halt so mein Hobby.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Unfassbar!)

Dieser Hobbydenunziant ist seit 2015 aktiv und hinterlässt in der Statistik des Bundeskriminalamts deutliche Spuren.

In den Jahren 2012 bis 2014, also vor seiner Zeit, gab es insgesamt 16 Strafanzeigen gegen Ärztinnen und Ärzte in dieser Sache. In den Jahren 2015 bis 2017 waren es 83 Ermittlungen wegen § 219a; das sind fünfmal so viele. Auf sein Konto gehen auch Anzeigen unter anderem gegen Kristina Hänel. Neuerdings ist er außerdem im Abmahnwesen und mit Unterlassungsklagen unterwegs. Das Nachrichtenportal BuzzFeed wurde von ihm verklagt, weil es aus seinem Namen – mit Recht – kein Geheimnis machte, der – ich zitiere – Yannic Hendricks ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Redaktion von BuzzFeed hat den Prozess im Januar am Landgericht Düsseldorf gewonnen, weil es eben zur Pressefreiheit gehört, den Namen politischer Aktivisten von öffentlicher Bedeutung zu nennen. Für die Linksfraktion kann ich sagen, dass wir auch Kersten Artus ein erfolgreiches Verfahren wünschen und solidarische Grüße nach Hamburg senden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Von ganzem Herzen!)

Eine bessere Situation wäre natürlich – das ist längst überfällig –, es gäbe solche Verfahren und Strafbezüge überhaupt nicht. Die Große Koalition hat an dieser Stelle schwer versagt, als es darum ging, hier Rechtssicherheit zu schaffen. Ich hoffe, das ist Ihnen am Fall Yannic Hendricks noch mal klar geworden. § 219a stellt sich auch in seiner geänderten Fassung gegen die Selbstbestimmungsrechte von Frauen und die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten. Er gehört ersatzlos gestrichen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Melanie Bernstein, CDU/CSU, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7335456
Wahlperiode 19
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Internationaler Frauentag
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