15.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 87 / Tagesordnungspunkt 21

Melanie BernsteinCDU/CSU - Vereinbarte Debatte Internationaler Frauentag

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche ist in Gütersloh ein Mann mit dem Titel „Spitzenvater des Jahres“ ausgezeichnet worden. Dieser Preis unter der Schirmherrschaft von Bundesministerin Franziska Giffey wird vergeben, um – ich zitiere – „die wichtige Rolle des Vaters für die Entwicklung von Kindern ins Bewusstsein zu rufen“. Der Vater bekam ihn, weil seine Frau als erste deutsche Astronautin im kommenden Jahr für zehn Tage zur Internationalen Raumstation ISS fliegen soll. Der Preis ist mit 5 000 Euro dotiert.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Mein Mann ist auch ein Spitzenmann, auch wenn er nicht zum Mond fliegt!)

5 000 Euro für zehn Tage Kinderbetreuung. Wir sehen also: Über die Frage, wie normal es ist, dass Väter sich um ihre Kinder kümmern, gibt es in Deutschland noch einigen Gesprächsbedarf.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wo steht die öffentliche Debatte? Wir diskutieren leidenschaftlich, wie man Frauen in Vorstände großer Unternehmen bekommt. Wir sprechen über Toiletten für das dritte Geschlecht, gendergerechte Sprache und darüber, ob ein weiblicher Hauptmann in der Bundeswehr künftig vielleicht Hauptfrau heißen sollte.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Idee!)

Was mir fehlt, ist die Lebenswirklichkeit der ganz normalen Leute.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage das ganz bewusst; denn ich habe den Eindruck, wir bewegen uns oft irgendwo zwischen Elitendiskussion und Irrelevanz.

(Beifall bei der CDU/CSU – Leni Breymaier [SPD]: Das eine tun und das andere lassen!)

Die übergroße Mehrheit der Frauen hat ganz andere Sorgen als Gendersternchen und geschlechtergerechte Verkehrsschilder.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber zunächst zum Positiven. Unternehmen und Headhunter suchen händeringend nach weiblichen Führungskräften, und zwar nicht nur als Alibi. Männer gehen viel selbstverständlicher in Elternzeit als noch vor einigen Jahren. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Natürlich gibt es hier Luft nach oben. Derzeit nehmen rund 80 Prozent der Männer eine Elternzeit von zwei Monaten und gehen anschließend wieder in Vollzeit arbeiten. Frauen arbeiten, nachdem sie Kinder bekommen haben, mehrheitlich in Teilzeit. Das hat erhebliche Auswirkungen: auf die weitere Karriere, auf Rentenansprüche und soziale Sicherheit. Trotzdem ist die Einführung des Elterngeldes durch Ursula von der Leyen ein Meilenstein gewesen. Gesellschaftliche Prozesse brauchen Anstöße, und das war einer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Heute reden wir über die „gläserne Decke“, über Quoten in Politik und Wirtschaft. Wir sollten aber auch über die Frau sprechen, die als Bankangestellte arbeitet, als Buchhalterin in einem mittelständischen Unternehmen, als Landwirtin im Familienbetrieb oder Polizeimeisterin im Streifendienst. Das sind nämlich die wirklichen Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörn König [AfD])

Das ist die Ärztin, die nach zwei Kindern eine Karrierepause einlegt und es dann schwer hat, den Anschluss zu finden, die keine Oberärztin wird, weil der männliche Kollege eben keine Auszeit genommen hat. Der hilft man auch nicht mit einer Quote. Sie braucht eine gute, verfügbare und hochwertige Kinderbetreuung, gern auch nach 16 Uhr, Verständnis beim Arbeitgeber, wenn das Kind mal krank ist, einen Partner, der sein Ego überwindet und zugunsten seiner Familie vielleicht auf den nächsten Karriereschritt verzichtet. Das ist ein gesellschaftlicher Prozess des Umdenkens, der lange dauert – zu lange, auch für mich. Schließlich stehe ich hier vor Ihnen als berufstätige Mutter zweier schulpflichtiger Kinder, und als solche erlebe ich noch etwas anderes, das ich ansprechen möchte.

Frauen erleben einen erheblichen gesellschaftlichen Druck, wenn sie ihre Karriere trotz Familie konsequent verfolgen. Da gibt es viele Menschen, oft auch Frauen, die ihnen genau das vorwerfen:

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das ist in CDU-Kreisen vielleicht so!)

Sie seien Rabenmütter, hätten zu wenig Zeit für ihre Kinder und würden ihr familiäres Glück dem Beruf opfern. Das ist kein Problem der fehlenden Quote oder der Männergesellschaft; das ist ein Punkt, bei dem wir Frauen uns auch mal an die eigene Nase fassen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können in dieser Debatte auf Erreichtes verweisen; wir können noch nicht Erreichtes beklagen. Aber wir müssen Lösungen aufzeigen; denn dafür sind wir in dieses Parlament gewählt worden. Auf meiner persönlichen To-do-Liste als Mitglied im Familienausschuss und als Mutter stehen hier zwei wichtige Punkte. Erstens. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass sich das Betreuungsangebot für Kinder verbessert. Darauf sind, jenseits der Debatte, wie Partner sich Erziehung besser teilen, vor allem alleinerziehende Elternteile angewiesen; das betrifft übrigens Frauen und Männer gleichermaßen. Zweitens. Wir müssen dafür sorgen, dass es auch der Regelfall für Männer wird, nach der Geburt von Kindern mal in Teilzeit arbeiten zu gehen. Das größte Hindernis für die Karriere von Frauen ist doch, dass Personalchefs bei der Besetzung einer Führungsposition im Hinterkopf haben: Die Frau macht irgendwann Teilzeit, der Mann arbeitet immer voll. – Das ist doch die eigentliche „gläserne Decke“. Aber das kann keine Quote ändern, sondern nur ein gesamtgesellschaftlicher Prozess des Umdenkens. Das braucht Zeit und Anreize.

Lassen Sie uns diese Anreize gemeinsam setzen! Lassen Sie uns nicht vergessen, dass auch Väter ihre Kinder super versorgen können! Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Alleinerziehenden das Leben leichter gemacht wird, dass schon erkämpfte Frauenrechte nicht durch eine falsch verstandene Toleranz gegenüber religiösen Extremisten gefährdet werden! Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass unsere Töchter und Söhne in keiner geschlechterbasierten Konkurrenz zueinander stehen!

Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Uwe Kamann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7335457
Wahlperiode 19
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Internationaler Frauentag
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