Katrin StafflerCDU/CSU - Ein Europa der Zusammenarbeit souveräner Nationen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja gerade Fastenzeit. Wie in jedem Jahr habe ich mir auch in diesem Jahr wieder vorgenommen, auf bestimmte Dinge zu verzichten. Dazu gehören bestimmte Lebensmittel.
(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Oder auch andere!)
Ich habe mir in diesem Jahr aber auch vorgenommen, Populisten zu fasten,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
also populistische Aussagen zu ignorieren, statt sie zu kommentieren, weil ich der Meinung bin, dass Populisten hier schon viel zu viel Stage haben.
Leider ist mir jetzt dieser Antrag der AfD dazwischengekommen. Der Antrag trieft ja geradezu vor populistischen Aussagen und vor alternativen Fakten.
(Marianne Schieder [SPD]: Die Hilflosigkeit zeigt er auch!)
Deswegen werde ich an dieser Stelle eine kurze Pause in meiner Fastenzeit einlegen und versuchen, den Ausführungen aus dem Antrag mal ein paar korrekte Fakten entgegenzustellen. Leider wird meine Redezeit trotzdem nicht ausreichen, um all die irreführenden und falschen Thesen aus dem Antrag richtigzustellen. Aber ich habe jetzt mal drei rausgegriffen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, vielleicht lohnt es sich, die Notizbücher zu zücken für einen kurzen Faktencheck in Sachen EU.
Zur ersten These, die ich rausgegriffen habe. Ich zitiere aus dem Antrag:
Das Vertrauen der Menschen … in die Institutionen und die Regelwerke der EU schwand und ist teilweise irreparabel zerstört.
Schauen wir uns mal den Eurobarometer-Bericht vom November 2018, der noch gar nicht so alt ist, an. Demnach geben mehr als vier von zehn Europäern, 42 Prozent in Zahlen, an, dass sie der EU eher vertrauen, das höchste Ergebnis seit Herbst 2010. Außerdem haben mehr als doppelt so viele Europäer, 43 Prozent, eher ein positives Bild von der EU als ein negatives. Das ist wiederum der höchste Stand seit 2009. Die Zahlen zeigen uns doch geradezu, dass alles andere als ein Vertrauensverlust in die EU stattfindet. Sie zeigen, dass sich die Frage eines Für oder Gegen hinsichtlich der Europäischen Union für die meisten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land eben nicht stellt. Die Frage ist doch nicht das Ob, sondern die Frage ist vielmehr das Wie. Unsere Antwort darauf ist ganz klar: Wir müssen die EU wieder näher zu den Bürgerinnen und Bürgern bringen und sie für die Menschen konkret erfahrbar machen.
Ich komme zur zweiten These. Ich zitiere wieder:
Eine demokratische Legitimation
– gemeint ist die der EU –
ist nicht in ausreichendem Maße gegeben.
Denn die nationalen Parlamente, so kann man im Antrag lesen, werden im Gesetzgebungsprozess nicht in ausreichendem Maße angehört.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben seit 1979 ein direkt gewähltes Europäisches Parlament, das seit dem Lissabonner Vertrag, also seit mittlerweile fast zehn Jahren, volle Gesetzgebungskompetenz hat. Es wird in Brüssel heute kein Gesetz mehr beschlossen und kein Pfennig Geld mehr ausgegeben ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es! – Widerspruch bei der AfD)
Darüber hinaus werden im Ministerrat die Gesetze durch die Mitgliedstaaten beschlossen.
Außerdem haben die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, im Übrigen auch seit dem Lissabonner Vertrag, weitreichende Mitwirkungs- und Kontrollrechte erhalten. Ich nenne an der Stelle nur das Stichwort „Subsidiaritätskontrolle“.
(Lachen bei der AfD)
Damit sind sie direkt in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Wenn alles das, was ich aufgezählt habe, nicht mehr als demokratische Legitimation gelten soll, dann weiß ich auch nicht mehr, was noch als solche gelten soll.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Georg Link [FDP])
Was wir in Europa brauchen, sind selbstbewusste Parlamente, und zwar auf europäischer Ebene genauso wie auf nationaler und regionaler Ebene. Deswegen müssen wir die nationalen Parlamente in ihrer Kontrollfunktion stärken, und genauso müssen wir dem Europäischen Parlament ein legislatives Initiativrecht zukommen lassen.
Dritte These. Ich zitiere wieder:
Der Euro ist gescheitert.
(Stephan Brandner [AfD]: Das ist ein sehr gutes Zitat! – Marianne Schieder [SPD]: Keine Ahnung!)
Und weiter:
Der Euro ist auch eine volkswirtschaftliche Katastrophe für Deutschland und alle anderen Euroländer.
Der Euro bringt nach den Ausführungen im Antrag Arbeitslosigkeit, hohe Verschuldung, niedriges Wirtschaftswachstum usw. usf.
(Beifall des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Ich erspare Ihnen den Rest.
Die Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut doch aber ganz anders aus: Seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 sind in der Euro-Zone mehr als 8,7 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen worden.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Was für welche? Prekariat!)
Auch der Handel innerhalb der Euro-Zone ist seit der Einführung des Euro um 4 bis 10 Prozent gestiegen, und der Warenhandel mit den Ländern außerhalb der Euro-Zone ist um 3 Prozent gestiegen. Dass Deutschland als Exportland von einer einheitlichen Währung profitiert, ist, glaube ich, gar kein Geheimnis, zumindest für uns Kollegen aus der Unionsfraktion nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Außerdem hat der Euro den Bürgerinnen und Bürgern in der Euro-Zone mehr Wohlstand und Stabilität gebracht. Damit wir weiter von diesen Vorteilen aus dem Euro profitieren können, müssen wir die Wirtschafts- und Währungsunion weiter stabilisieren. Wir müssen sie krisenfester machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Markus Töns [SPD])
Sehr geehrte Damen und Herren, die Europäische Union ist mehr als nur ein Binnenmarkt. Sie ist auch mehr als nur, so wie es hier suggeriert wird, ein Zusammenschluss von Staaten. Die Europäische Union ist für mich an allererster Stelle das erfolgreichste Friedensprojekt überhaupt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie ist auch eine Wertegemeinschaft mit gemeinsamen demokratischen Grundwerten und dem Willen zu Kompromiss und zu Partnerschaft. Sie ermöglicht mehr als 513 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in der Europäischen Union Frieden, Wohlstand und Sicherheit. Für mich – ich glaube, das gilt auch für eine breite Mehrheit in diesem Haus – ist die EU eine echte Erfolgsgeschichte.
Natürlich gehört zur Wahrheit auch, dass die EU Reformen braucht. Das steht ja außer Frage. Und selbstverständlich können wir wie auch schon vor 50 Jahren mit deutsch-französischen Initiativen wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der EU geben. Aus unserer Sicht ist dabei wichtig, dass wir keine Rückschritte im Integrationsprozess machen und dass wir die EU weiter stärken, statt sie dadurch zu schwächen, dass wir nur – so wird es ja in dem Antrag vorgeschlagen – auf eine Zusammenarbeit souveräner Staaten auf dem europäischen Kontinent bauen.
Wir wollen eine bürgernahe Europäische Union der Souveränität, die ihre Interessen geschlossen vertritt und mit anderen Regionen der Welt auf Augenhöhe agieren kann, eine Europäische Union, die mit ihren Unternehmen, mit ihren Innovationen, mit ihrer Forschung an der Weltspitze stehen kann, eine Europäische Union der Stabilität, die ihre Bürgerinnen und Bürger beschützt und ihre Vielfalt in Einheit bewahrt. Für genau dieses Europa müssen wir bei der Europawahl im Mai kämpfen. Ich sage als Unionspolitikerin und als CSUlerin im Besonderen mit großer Überzeugung: Wir müssen gemeinsam mit unserem Spitzenkandidaten Manfred Weber für diese Vision von Europa kämpfen.
(Stephan Brandner [AfD]: Ist das eine Wahlkampfveranstaltung hier? Wir sind im Bundestag und nicht im Bierzelt in Bayern!)
Ich möchte zum Schluss, meine Damen und Herren, zum Ausdruck bringen: Deutscher Patriot und stolzer Europäer zu sein, sind für mich zwei Seiten ein und derselben Medaille. Wir brauchen kein einsam kämpfendes Deutschland innerhalb einer schwachen Europäischen Union, weil wir in einer immer unsicheren globalen Welt nur in einem starken Europa unseren European Way of Life ausleben können. Dafür müssen wir uns auch all denjenigen entgegenstellen, die die Europäische Union immer wieder infrage stellen, so wie das heute leider wieder passiert ist. Wir brauchen ein starkes Deutschland in einer starken Europäischen Union.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Wort hat der Kollege Alexander Graf Lambsdorff für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7335479 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 87 |
Tagesordnungspunkt | Ein Europa der Zusammenarbeit souveräner Nationen |