Jörg CézanneDIE LINKE - Aktuelle Stunde zur Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon heute stehen Deutsche Bank und Commerzbank auf der Liste der systemrelevanten Großbanken der Euro-Zone, jede für sich alleine. Die Deutsche Bank wird vom Financial Stability Board als eine der 29 systemrelevanten Banken weltweit geführt. Bis 2012 gehörte die Commerzbank auch noch dazu. Niemand braucht noch größere Großbanken, schon gar nicht, wenn sie auf wackeligen Füßen stehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Hinzu kommt: Auch zehn Jahre nach der großen Finanzmarktkrise sind grundlegende Fragen nicht gelöst. Der Bankensektor der Europäischen Union ist heute stärker konzentriert als vor der Finanzkrise. Es ist nicht gelungen, die Entkoppelung des Finanzsektors von der realen Wirtschaft auch nur zu stoppen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Das alles erzeugt Instabilität und wachsende Risiken. Von „krisenfest“ sind wir nach wie vor weit entfernt, und es wird uns spätestens in der nächsten Krise einholen.
(Beifall bei der LINKEN)
Erschwerend kommt hinzu, dass beide Banken – Deutsche Bank und Commerzbank – betriebswirtschaftlich angeschlagen sind. Keine von beiden verfügt über ein überzeugendes Geschäftsmodell. Überschneidungen gibt es im Bereich der Privat- und Unternehmerkunden, Firmenkunden. Da stehen beide halbwegs ordentlich da. Das ergibt aber keine sinnvolle Ergänzung.
Problembaustelle Nummer eins bei der Deutschen Bank ist das Investmentbanking. Dieser Geschäftsbereich ist bei der Commerzbank sehr gering vertreten. Auch da ist durch eine Fusion überhaupt nicht geholfen. Kenner – dazu genügt in diesem Fall, Bürger von Frankfurt zu sein – wissen, dass die Mentalität und Unternehmenskultur beider Häuser nicht zusammenpasst. Viele Kunden der Commerzbank sind ganz bewusst nicht Kunden der Deutschen Bank und würden es auch freiwillig niemals werden.
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Spricht da jetzt jemand gerade?)
Beide Banken stehen vor großen Herausforderungen bei der Ertüchtigung ihrer IT. Das ist bei Bankenfusionen immer eine zentrale Herausforderung. Wer von Ihnen Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Hypo Real Estate war, weiß, dass das nicht zusammengeführte Rechnungswesen in dieser Bank einer der wesentlichen Gründe war, dass sie in die enorme Schieflage kommen konnte. Die Hypo Real Estate musste am Ende verstaatlicht werden. Schaden bis heute: 20,3 Milliarden Euro für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Also, statt – wir reden jetzt über die wirklich interessante politische Dimension, über die Staatsintervention, die wir vorschlagen – einer noch stärkeren Konzentration auf den Finanzmärkten zuzuarbeiten, bedarf es aus unserer Sicht einer grundlegenden Neuordnung des Bankensektors. Banken sollten auf ein Geschäftsmodell verpflichtet werden, das die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Realwirtschaft berücksichtigt. Sparkassen und Genossenschaftsbanken machen das gut, und sie machen im Übrigen in den letzten Jahren auch bessere Gewinne als die beiden Privatbanken.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das riskante Investmentbanking und das Kapitalmarktgeschäft sind hiervon zu trennen. Dies würde die Bilanzsummen verringern, es würde die Risiken verringern, und die Gefahr, dass in einem Krisenfall mit Steuergeldern eingegriffen werden muss, würde ebenfalls deutlich geringer. Den Glauben, dass man eine Großbank mit einer Bilanzsumme von 2 Billionen Euro mit den jetzt eingerichteten prinzipiell durchaus sinnvollen Mechanismen auf europäischer Ebene auffangen könnte, teile ich nicht mit Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zusammengefasst: Die Fusion zweier angeschlagener Großbanken ohne tragfähiges Geschäftsmodell ist keine Lösung, für gar nichts.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Der einzige betriebswirtschaftliche Vorteil läge in der Vernichtung von 30 000 Arbeitsplätzen. Dies lehnen wir als Sanierungskonzept grundsätzlich ab,
(Beifall bei der LINKEN)
zumal die hohen Arbeitsverluste bei Deutscher Bank und Commerzbank nicht bei den überbezahlten Investmentbankern und Fondsmanagern oder in der Konzernführung anfallen würden, sondern bei den einfachen und mittleren Berufsgruppen beider Banken. Deutsche Bank und Commerzbank sind jeweils einzeln zu groß, um abgewickelt zu werden. Deshalb lehnen wir eine Fusion ab.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Jörg Cezanne. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde: Metin Hakverdi für die Fraktion der SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7336942 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank |