Pascal KoberFDP - Altersarmut
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Altersarmut“ treibt uns alle um, und es ist richtig, dass wir hier verschiedene Konzepte diskutieren. Wir sind der Überzeugung, dass wir, wenn wir über Altersarmut und Rentenpolitik reden, immer drei Ziele im Auge behalten müssen. Das eine ist natürlich, Armut zu verhindern. Das andere ist, dass wir ebenfalls an die Finanzierbarkeit denken müssen. Auch die Generationengerechtigkeit ist ganz entscheidend.
Wir meinen, wir haben mit unserer Basisrente die überzeugendste Lösung vorgeschlagen. Bisher ist es so, dass die eigenen Rentenansprüche zu 100 Prozent auf die Grundsicherung angerechnet werden. Wer heute beispielsweise 500 Euro an eigenen Rentenansprüchen erworben hat und in die Grundsicherung fällt, hat von seinen eigenen Rentenansprüchen nichts. Das ist leistungsfeindlich und verhindert Altersarmut nicht. Was wir machen müssen – das wäre die einfachste Lösung –, ist, Freibeträge einzuführen. Deshalb fordert die FDP, dass in Zukunft 20 Prozent aus den eigenen Rentenansprüchen behalten werden dürfen. Dann hätte diese Person 100 Euro mehr als die Grundsicherung. Das wäre zielführend und gerecht. Es wäre leistungsgerecht, generationengerecht und finanzierbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Nun hat Die Linke auch einen Vorschlag eingebracht. Sie möchte den Beitragssatz zur Rentenversicherung auf 20,9 Prozent erhöhen. Sie suggeriert im Text ihres Antrags, es handele sich hier nur um eine kleine Maßnahme: 39 Euro mehr im Monat für den Arbeitnehmer und 39 Euro mehr für den Arbeitgeber. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Matthias, ihr müsst das auch einmal in Summe rechnen! Dann geht es plötzlich um Milliardenbeträge.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber selbstverständlich!)
Und ihr müsst eines immer bedenken: Wer ernten will, muss säen und den Acker pflegen. Ihr müsst auch daran denken, die volkswirtschaftliche Grundlage unseres Landes zu erhalten. Darüber macht ihr euch leider nie Gedanken.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immer! Dauernd!)
Die Abgabenlast ist in Deutschland heute schon exorbitant hoch. Unsere Arbeitsplätze drohen an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Nur Belgien liegt in der Abgabenlast im OECD-Vergleich noch vor uns. Österreich – Platz 3 – liegt 7 Prozentpunkte hinter uns.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die haben eine super Rente! Wie machen die das denn?)
Und das in einer Zeit, wo sich unsere Volkswirtschaft auf enorme Veränderungen einstellen muss!
Wir werden es in der Zukunft noch verschärfter mit der Globalisierung zu tun haben. Digitalisierung, Energiewende, Wirtschaft 4.0 – das sind große Herausforderungen, die wir stemmen müssen. Und in der Situation wollen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Arbeitgebern geradezu Fesseln anlegen? Sie wollen ihnen wichtiges Kapital entziehen, das sie aber benötigen, um diesen Wandel zu überstehen, damit es auch in Zukunft noch Arbeitsplätze gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, das ist die wichtige Voraussetzung: dass wir an die Zukunft denken. Denn es wird auch noch in zehn, zwanzig, dreißig und fünfzig Jahren Rentnerinnen und Rentner geben, deren Rentenanspruch finanziert werden muss.
(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Wenn ihr so weitermacht, nicht!)
Das muss die dann arbeitende Bevölkerung leisten. Wir müssen darauf achten, dass die Arbeitsplätze auch in der Zukunft hier erhalten bleiben und nicht in andere Länder abwandern.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Kober, der Kollege Birkwald würde gern eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?
Aber selbstverständlich.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, lieber Pascal Kober. Vorgestern hat die OECD eine Studie vorgelegt – The OECD Risks That Matter Survey 2018 –: Die Deutschen sorgen sich um ihre Rente und erwarten mehr von ihrer Regierung. – Da wurde in allen 36 OECD-Staaten abgefragt, wo die Menschen der Schuh drückt. Und in allen Staaten wurde gesagt: Altersarmut und Rente sind für uns ein Problem.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und in Österreich?)
Ich will daher noch einmal auf zwei Punkte daraus hinweisen. Die Rente ist der Bereich mit der größten Bereitschaft zu höheren Ausgaben. 45 Prozent der Deutschen wären dazu bereit, zusätzlich 2 Prozent ihres Einkommens – bei einem Durchschnittsverdienenden wären das im kommenden Jahr rund 65 Euro im Monat – als Steuer- oder als Beitragszahlung zu leisten, um hierdurch Zugang zu besseren Rentenleistungen zu erhalten. Im Länderdurchschnitt sind 38 Prozent zu höheren Leistungen bereit. In Deutschland sind es deutlich mehr. Deswegen sollten auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber solidarisch mit ihren Beschäftigten sein und diese Bereitschaft ebenfalls an den Tag legen. Allein damit hätten wir schon ganz viel von dem, was wir vorgeschlagen haben, finanziert.
Und ich will hinzufügen: In derselben OECD-Untersuchung heißt es: 77 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, dass die Regierung Reiche stärker als bisher besteuern sollte, um ärmere Bevölkerungsgruppen zu unterstützen.
Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, und wie bewerten Sie das?
Vielen Dank.
Lieber Matthias Birkwald, ich nehme das zur Kenntnis. Das Entscheidende ist aber, wo diese 2 Prozent zusätzlich investiert werden – in ein System, das dann am Ende auch wirklich Ertrag bringt,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In die gesetzliche Rentenversicherung!)
oder in ein Fass mit einem großen Loch, aus dem es ohne Effekt herausfließt. Deshalb sage ich beispielsweise: Wir müssen erreichen, dass die Menschen es in Zukunft in ihrem Erwerbsleben schaffen, mehr Eigentum aufzubauen.
Nehmen wir das Beispiel Wohneigentum: Wer es heute schafft, bis zum Renteneintritt Wohneigentum zu erwerben, um im Alter mietfrei zu wohnen, hat die effektivste Lösung gefunden und die effektivste – wenn man so will – Rentensteigerung.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher sollen die denn Wohneigentum kriegen?)
Das müssen wir schaffen. Viele können das nicht.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eben!)
Aber wir können die Zahl der Menschen, die es können, mit der richtigen Politik erhöhen, und deshalb ist die Antwort auf diese OECD-Studie: Ja, investieren wir diese 2 Prozent in Systeme, die dann auch tatsächlich eine Rendite, einen Ertrag, ein höheres Alterseinkommen bringen!
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Den höchsten bei der Rentenversicherung! 3 Prozent kriegt man sonst nirgends!)
Sie verschleiern, liebe Kollegen der Linken, auch noch an anderer Stelle, indem Sie nämlich die Kosten verbergen wollen. Sie schreiben, das würde ja alles nur 6 Milliarden Euro mehr kosten als das, was die Große Koalition vorgelegt hat.
(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das stimmt ja nicht!)
Aber das, was die Große Koalition vorgelegt hat, ist schon nicht mehr finanzierbar.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum ist das nicht finanzierbar?)
Schon im Jahr 2025 – sagt der eigene Experte der Rentenkommission – müssten zusätzlich 11 Milliarden Euro aus Steuermitteln in das System eingezahlt werden, um die Vorschläge der Großen Koalition zu finanzieren. Im Jahr 2035 wären es zusätzlich 80 Milliarden Euro.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo ist denn da das Problem?)
Und im Jahr 2048 wären es zusätzlich 125 Milliarden Euro. Nicht finanzierbar, absolut nicht finanzierbar! Das ist unseriöse Politik. So kann man nicht mit den Menschen in unserem Land umgehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der LINKEN)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Markus Kurth das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7337267 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | Altersarmut |