Martin RosemannSPD - Altersarmut
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass Die Linke das Thema Altersarmut auf die Tagesordnung gesetzt hat. Unsere Antwort – Kerstin Tack hat es gesagt – heißt Grundrente, und Hubertus Heil hat dazu ein gutes Konzept vorgelegt.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das niemals funktionieren wird!)
Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt dieses Konzept.
(Beifall bei der SPD)
Es geht uns um zweierlei: darum, Altersarmut zu bekämpfen, und darum, Lebensleistung anzuerkennen. Meine Damen und Herren, Lebensleistung ist unabhängig davon, wo und mit wem ich zusammenlebe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Zahlen zeigen: Von dieser Grundrente werden vor allem Frauen profitieren. Das ist auch kein Wunder; denn es sind vor allem Frauen, die in schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Erst am Montag dieser Woche wurden wir mit dem Equal Pay Day wieder daran erinnert. Ich finde es schon einen Hohn, dass die Kollegen von FDP und AfD in der Ausschusssitzung gestern den Eindruck erweckt haben, die Frauen wären an ihrer Situation selber schuld. Das ist ein Hohn und sagt viel über Ihre Einstellung aus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren, es geht nämlich um Kassiererinnen oder Friseurinnen, die 40 Jahre lang auf Mindestlohnniveau gearbeitet haben. Und es geht um Frauen, die Kinder bekommen und erzogen haben, deshalb aus dem Beruf ausgeschieden und später überwiegend in Teilzeit wieder eingestiegen sind.
Herr Kollege, der Kollege Pascal Kober würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Muss nicht sein!)
Bitte.
Herr Präsident! Lieber Martin Rosemann, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Es ist ein bisschen unfair, wenn Sie aus Ausschusssitzungen, die nichtöffentlich sind, hier im öffentlichen Plenum zitieren und sich niemand ein Bild davon machen kann, ob Sie richtig zitiert haben.
Vielleicht haben Sie dieselbe Erinnerung wie ich an die Diskussion gestern im Ausschuss: Wir haben versucht, hinsichtlich des Zustandekommens der Gender Pay Gap von 21 Prozent zu differenzieren. Man vergleicht alle Berufsverhältnisse von Frauen mit allen Berufsverhältnissen von Männern,
(Kerstin Tack [SPD]: Es wird nicht besser!)
man vergleicht die Summe von Berufsverhältnissen von Frauen, von denen viele in Pflegeberufen oder in geringer bezahlten Beschäftigungsverhältnissen sind, mit der Summe von Berufsverhältnissen von Männern, von denen sehr viele im Hochlohnbereich arbeiten.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja eben! Warum sind Frauen nicht auch im Hochlohnbereich?)
Das trägt nicht zur Problemlösung bei. Man muss sich vielmehr darauf konzentrieren, ob eine Frau und ein Mann auf der gleichen beruflichen Ebene gleich viel oder unterschiedlich viel verdienen. Darüber hinaus stellt sich die Frage: Was muss passieren, damit auch Frauen in höher bezahlte Beschäftigungsverhältnisse wechseln?
Es ist eine sehr differenzierte und sachliche Diskussion gewesen,
(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
die Sie und insbesondere die Kollegen der Grünen durch Nichtzuhören, durch Nichtzuhörenwollen mit Zwischenrufen konterkariert haben. Sie waren in keinster Weise an einer sachlichen Diskussion interessiert. Erinnern Sie sich nicht auch, dass es so war?
Lieber Kollege Pascal Kober, den Vorwurf, wir oder ich persönlich hätte die Diskussion durch Zwischenrufe gestört und wäre nicht an einer sachlichen Diskussion interessiert, weise ich entschieden zurück. Das Gegenteil ist richtig. Meine Kollegin Dagmar Schmidt hat sich für unsere Fraktion in sehr sachlicher und differenzierter Weise an dieser Diskussion beteiligt. Natürlich müssen wir die Gender Pay Gap sehr differenziert betrachten. Die Gender Pay Gap hat unterschiedliche Ursachen und mehr Ursachen als nur direkte Lohndiskriminierung.
Aber der Punkt ist doch, dass für all die Dinge, die Sie hier genannt haben – schlechtere Bezahlung in sozialen Berufen, schlechtere Aufstiegschancen von Frauen, weniger Frauen in Führungspositionen –,
(Marianne Schieder [SPD]: Die FDP ist ein Beispiel dafür!)
eben nicht die Frauen die Verantwortung tragen, sondern dass es auf gesellschaftliche Umstände zurückzuführen ist, die wir verändern müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir, die Politik, müssen dafür sorgen, dass Beschäftigte in sozialen Berufen besser bezahlt werden; denn diese werden überwiegend aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Und wir, die Politik, müssen dafür sorgen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer besser wird,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
dass Frauen und Männer in Vollzeit oder vollzeitnaher Teilzeit arbeiten können. Wir, die Politik, müssen dafür sorgen, dass die Aufstiegschancen von Frauen besser werden und die Frage von Aufstieg eben nicht davon abhängt, ob jemand in Vollzeit oder Teilzeit arbeitet. Das sind gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die wir gemeinsam mit den Sozialpartnern, gemeinsam mit der Wirtschaft verändern müssen. Damit können wir die Frauen nicht alleine lassen oder sie dafür verantwortlich machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun wird gesagt: Frauen sollten bei Teilzeitbeschäftigung keine Grundrente bekommen. Ich sage aber: Teilzeitbeschäftigung ist eben nicht frei gewählt. Vielmehr lag die Entscheidung an den Lebensumständen, häufig an fehlender Kinderbetreuung. Als ich ein kleines Kind war, Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, gab es den Kindergarten erst für Kinder ab vier Jahren, und um 12 Uhr war Schluss. Das war in Westdeutschland Realität für die meisten Familien. Das zeigt: Wenn wir Altersarmut verhindern wollen, dann müssen wir Frauen und Männern gleichermaßen ermöglichen, eine eigene Altersvorsorge aufzubauen. Dazu gehört gute und flexible Kinderbetreuung; deswegen haben wir das Gute-Kita-Gesetz beschlossen.
(Beifall bei der SPD)
Dazu gehört mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten; deswegen haben wir die Brückenteilzeit beschlossen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und dazu gehört auch mehr Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes; deswegen werden wir einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten in diesem Land durchsetzen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das hat doch nichts mit Altersarmut zu tun!)
Zentrale Voraussetzungen für gute Renten sind gute Bildung, gute Arbeit und gute Löhne. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen gute Arbeit für alle. Deshalb wollen wir die Spaltungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt überwinden:
(Beifall bei der SPD)
die Spaltung zwischen guten Löhnen und schlechten Löhnen, zwischen guten Arbeitsbedingungen und schlechten Arbeitsbedingungen, zwischen Betriebsrenten und keinen Betriebsrenten, zwischen sicheren und befristeten Arbeitsplätzen – letztlich zwischen tarifgebundener und nichttarifgebundener Arbeit. Deswegen stehen und arbeiten wir für mehr Tarifbindung und mehr Sozialpartnerschaft durch mehr Allgemeinverbindlichkeit. Fangen wir in der Pflege damit an!
(Beifall bei der SPD)
Dazu gehört auch, dass wir befristete Arbeitsverhältnisse einschränken und – ganz aktuell – dass wir bei den Paketzustellern durch die Durchgriffshaftung für bessere Arbeitsbedingungen sorgen.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, schließlich geht es darum, dass wir alle gemeinsam die große Herausforderung der Zukunft für unseren Arbeitsmarkt meistern: die Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung und technologischen Wandel. Das heißt, dass wir den Beschäftigten im Wandel Schutz und Chancen bieten, dass wir dafür sorgen, dass die Beschäftigten von heute die Arbeit von morgen machen können. Der Schlüssel dafür heißt Qualifizierung. Mit dem Qualifizierungschancengesetz unterstützen wir Beschäftigte bei der Weiterbildung.
(Beifall bei der SPD)
Da wollen wir weitermachen und einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung schaffen. Unser Leitbild ist der Sozialstaat als Partner, der die Beschäftigten im Arbeitsleben berät und unterstützt, der schnell und unbürokratisch hilft, der Hilfe wie aus einer Hand gewährt, der Arbeit für alle ermöglicht und die Beschäftigten dabei unterstützt, gesund vom Arbeitsleben in die Rente zu kommen, in dem jedem und jeder die Unterstützung zukommt, die notwendig ist, ein Sozialstaat, der für uns alle das Leben leichter macht.
Recht auf Arbeit statt bedingungsloses Grundeinkommen – das ist unsere Antwort auf den vor uns stehenden Wandel. Menschen für Menschen, keinen im Stich lassen – wir wollen die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam und solidarisch anpacken, damit aus technologischem Fortschritt sozialer Fortschritt für alle, für die gesamte Gesellschaft wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Max Straubinger.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7337274 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | Altersarmut |