Axel MüllerCDU/CSU - Antiziganismus
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren Vertreter des Zentralrates! Antisemitismus ist in unserer Gesellschaft ein bekannter Begriff, bei Antiziganismus fragen die Menschen schon eher nach, was man damit eigentlich meine. Dahinter verbirgt sich – wie beim Antisemitismus – eine rassistisch motivierte Ablehnung gegenüber einer ganzen Bevölkerungsgruppe, in diesem Fall nicht gegenüber den Juden, sondern gegenüber den Sinti und Roma.
Auch sie wurden zu Opfern des nationalsozialistischen Rassenwahns, wurden systematisch entrechtet, erniedrigt, ermordet, deportiert, zu Hunderttausenden ihres Lebens beraubt. Ein Denkmal im Berliner Tiergarten zeugt davon. Die Diskriminierung der Juden, aber eben auch der Sinti und Roma endete nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In Deutschland, in Ost- wie Westeuropa, schlicht überall werden sie bis heute diskriminiert. Das ist auch einer Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat vom August des Jahres 2017 zu entnehmen. Das Thema wurde auch auf einem Kongress im Oktober 2018, an dem ich teilnehmen durfte, umfassend debattiert.
Mit dem Blick auf unsere Geschichte trägt Europa, aber insbesondere gerade auch Deutschland eine ganz besondere Verantwortung, wenn es um den Kampf gegen den Antiziganismus geht.
(Beifall des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])
Daher wird die Bundesregierung in Kürze eine unabhängige Expertenkommission entsprechend den Koalitionsvereinbarungen ernennen. Das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser gemeinsamer Antrag von CDU/CSU und SPD, also der Antrag der Koalitionsfraktionen, verbindet damit Anregungen, Hoffnungen, aber auch Forderungen, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde. Es gibt aber bekanntlich – dies wurde bereits vom Herrn Präsidenten erwähnt – einen Oppositionsantrag. Ich möchte den Fraktionen, die diesen Antrag verfasst haben, sowohl der FDP als auch den Grünen und den Linken, zumindest ein ganz ehrliches Engagement zu diesem Thema nicht absprechen. Die Haltung der AfD kenne ich leider nicht. An den Berichterstattergesprächen haben Sie sich, soweit ich mich erinnern kann, nur ein einziges Mal beteiligt. Ich habe nichts in Erinnerung, was Sie inhaltlich dazu hätten beitragen wollen.
(Dr. Michael Espendiller [AfD]: Das kommt gleich!)
Ich bedaure das außerordentlich, aber ich bedaure auch – im Wissen der mir bekannten Restriktionen, auch meiner Fraktion –, dass es uns nicht gelungen ist, zu diesem Thema einen gemeinsamen Antrag über die Fraktionsgrenzen hinweg in dieses Hohe Haus einzubringen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir waren sehr nah dran, das möchte ich sagen. Es waren letztendlich gerade einmal hundert Worte, die unsere beiden Anträge voneinander unterscheiden.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Es war nicht der Inhalt!)
Ich bedanke mich auch für das konstruktive Wirken, das das Bundesministerium des Innern gezeigt hat, sowie ausdrücklich bei Herrn Staatssekretär Wanderwitz.
Am Ende waren wir, wie gesagt, sehr nah beieinander, und, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Dieses Thema ist eigentlich zu wichtig, um es auf dem Altar des politischen Klein-Klein
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das können Sie doch nicht von der Union sagen! Das liegt doch an Ihren Beschlüssen! – Weitere Zurufe)
der parteipolitisch motivierten Auseinandersetzung zu opfern.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Das waren aber Sie, alle anderen nicht! Das waren ausschließlich Sie!)
– Allein Ihr Zwischenruf zeigt doch schon wieder, auf welche Ebene Sie sich begeben wollen:
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist doch nicht wahr!)
Unsere Beschlüsse seien schuld daran.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Die Union hat beschlossen, dass sie keine Anträge mit den Linken stellt!)
Ich will das hier im Einzelnen nicht noch einmal aufrollen. Ich glaube, ich habe auch in meiner Fraktion deutliche Worte verloren, was ich davon halte.
Der Deutsche Bundestag, meine Damen und Herren, repräsentiert das Staatsvolk, und ungeachtet der darin vorhandenen politischen Mehrheiten haben wir als Mitglieder dieses Bundestages den demokratischen Auftrag erhalten, uns um den Schutz der Minderheiten zu kümmern. Die Qualität einer Demokratie bemisst sich nicht nur nach Wirtschaftsdaten. Sie bemisst sich insbesondere auch danach, wie die Mehrheit mit Minderheiten umgeht.
(Burkhard Lischka [SPD]: Sehr wahr!)
Der Minderheitenschutz gehört zur DNA einer Demokratie; das haben wir Deutsche hart erlernt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Wählen Sie mal den Vizepräsidenten von uns!)
– Herr Braun, das kann man auch nicht erfahren, wenn man einen Vizepräsidenten wählt oder nicht. Da braucht es schon etwas mehr.
Wir haben es mit einer Kommission zu tun – ich habe es ja erwähnt –, die von der Bundesregierung eingesetzt wird. Darauf haben sich die Koalitionspartner verständigt. Das hindert uns als Parlament aber nicht – das ist unser Selbstverständnis, von dem wir ausgehen müssen –, mitzudebattieren, zu sagen, welche Vorstellungen wir bei diesem Thema, was die Arbeit der Kommission anbelangt, haben. Das gehört auch zum Selbstverständnis unseres Hauses.
Das bringt mich dazu, ein paar Worte zu den im Vorfeld an uns gerichteten Forderungen und Formulierungsempfehlungen von Interessenvertretern zu verlieren. Das ist selbstverständlich zulässig, keine Frage, und es hilft manchmal auch, uns für Themen zu sensibilisieren. Es darf aber daraus nicht die Erwartungshaltung entstehen – ich blicke direkt nach oben zu Ihnen auf der Zuschauertribüne; ich glaube auch nicht, dass Sie diese Erwartungshaltung haben –, dass wir diese Vorschläge eins zu eins übernehmen. Das wäre mit dem Mandat eines freien Abgeordneten, wie es Artikel 38 des Grundgesetzes vorsieht, einfach nicht zu vereinbaren. Es soll diese Unabhängigkeit auch für die Expertenkommission gelten. Wir wollen mit unserem Antrag diesem Gremium außer ein paar wenigen Anregungen keine konkreten Arbeitsweisungen geben. Wenn wir das könnten, dann bräuchte es keine Expertenkommission, dann wären wir ja selber die Experten.
Abschließend wünsche ich der Kommission eine wirklich segensreiche Arbeit, auch im Interesse der Gruppe der Sinti und Roma, und uns am Ende hilfreiche Erkenntnisse, die uns weiterbringen beim Schutz der Minderheiten, insbesondere der betroffenen Gruppe.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Frohnmaier, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7337719 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 90 |
Tagesordnungspunkt | Antiziganismus |