22.03.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 90 / Tagesordnungspunkt 26

Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Lohndiskriminierung von Frauen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich noch ein bisschen fassen, weil es wirklich schön ist, wenn ältere Männer zu Themen reden, von denen sie aber auch gar nichts verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Und die Zwischenrufe zeigen, dass das nicht besser wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich rede nun seit fünf Jahren zu dem Thema „Entgelttransparenz und Gleichstellung“. Wie viele von Ihnen auch verfolge ich die Debatte in Politik, Medien und Wirtschaft sogar sehr viel länger. Man könnte es sich leicht machen und ein knappes Fazit in drei Sätzen ziehen: Erstens. Es gibt beim Thema Entgeltlücke nach wie vor sehr viel Luft nach oben. Zweitens. Die Debatte ist insgesamt breiter geworden. So breit hätten wir sie jetzt auch nicht gebraucht, aber es ist gut, dass die Debatte nun breiter ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Schwartze [SPD]: Es gibt Leute, die sind auch in der Debatte breit!)

Drittens. Einiges hat sich durchaus verbessert; das dürfen wir auch mal erwähnen.

Zum ersten Punkt. Wo können wir nicht zufrieden sein? Was muss noch besser werden? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Ganztagsbetreuung, viel mehr Flexibilität in der Arbeitswelt, das waren die Themen, die in der öffentlichen Anhörung ganz besonders nach vorn gestellt wurden. Flexibilität in der Arbeitswelt ist ein Mehrwert; ein Mehrwert, der eben entsprechend honoriert werden kann. Ich glaube, dafür können wir noch einiges tun.

Um noch einen weiteren Bereich rauszugreifen: Das Führen in Teilzeit ist im Gegensatz zu der Zeit meiner früheren Berufstätigkeit heute möglich und wesentlich akzeptierter als noch vor einigen Jahren und bringt sogar sehr guten Erfolg. Genau das müssen wir stärken. Wenn wir sehen, dass es heute nicht nur möglich ist, sondern auch gemacht wird, dass auch Männer Teilzeitarbeit annehmen, dann finde ich es wichtig, dass genau dieses Thema auch genannt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir brauchen mehr frauen- und familienfreundliche Strukturen, übrigens nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in Gewerkschaften. Und auch in den öffentlichen Institutionen – da dürfen wir uns alle an die eigene Nase fassen – sind die Strukturen ebenso verkrustet wie woanders.

Wir dürfen uns nicht nur auf Frauen konzentrieren. Partnerschaftlichkeit in der Erwerbs- und Pflegearbeit ist erst dann gut, wenn Männer und Frauen diese ganz selbstverständlich gemeinsam übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn ich die Argumentation nicht ganz teile, weil sie von der Systematik nicht ganz schlüssig ist: Ja, tatsächlich, wenn mehr Männer in Pflege und Erziehung tätig werden, werden auch die Gehälter steigen. Das kommt uns allen zugute.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Am allerwichtigsten ist es nach meiner Ansicht und auch der von Expertinnen und Experten in der Anhörung am Montag dieser Woche, dass wir viel früher ansetzen. Wir müssen Mädchen stärken, und zwar nicht erst, wenn sie in der Berufsausbildung sind, sondern von Anfang an, also in der Grundschule, und ihnen klarmachen, dass sie von sich aus eine echte Wahlmöglichkeit haben. Wir müssen ihnen diesen Mehrwert vermitteln und deutlich machen, dass es etwas Schönes ist, im Beruf aktiv zu sein und auch für die Familie da zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Zu meinem zweiten Punkt. Die Debatte über Equal Pay ist nicht wirklich besser geworden. Auch in den vorliegenden Anträgen werden wir die Lösung nicht finden. Ich danke für meine Fraktion herzlich für Ihre Einladung, aber, ich glaube, beim Verbandsklagerecht beispielsweise sind wir noch Welten auseinander. Das wird auch nach der Evaluation so sein.

(Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Noch!)

– Okay.

Aber wir müssen uns auch damit abfinden, dass die Lücken bestehen. Es gibt nach wie vor die unbereinigte und die bereinigte Lücke; dazu wird meine Kollegin Frau Dr. Launert was sagen. Aber wir dürfen auch nicht so pauschal argumentieren, dass dies alles nur strukturelle Benachteiligungen sind. Manchmal kann Diskriminierung ein Grund sein. Aber manchmal sind es auch persönliche Entscheidungen. Es ist zu schwer, als dass wir mit einem Gesetz alles ändern könnten.

Genauso wie ich mit dem Mythos der Linken breche, dass immer alles nur ein strukturelles Thema ist, genauso möchte ich mit dem Mythos auf der rechten Seite brechen, dass alle Frauen freibestimmt und immer selbst entschieden haben, die Familienarbeit zu wählen. Wenn wir mal in unsere eigenen Familiengeschichten gucken, dann stellen wir fest: Da war es eben nicht so. Meine Mutter hätte gerne mehr und anderes gearbeitet. Aber das war zu ihrer Zeit nicht üblich. Wir sind also in diesem Punkt schon einen ganzen Schritt weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dritter Punkt. Fakt ist: Frauen gehen heute insgesamt mehr arbeiten. Sie haben bessere Jobs. Sie tragen mehr zum Haushaltseinkommen bei als noch vor einigen Jahren. Sie sind präsenter in öffentlichen Führungsrollen und auch nach der Geburt von Kindern häufiger erwerbstätig. Es ist auch erfreulich, dass viele Unternehmen in Deutschland diese Lage durchaus erkannt haben. Diese positive Entwicklung bestätigen auch Studien.

Das bedeutet trotzdem nicht, dass wir uns jetzt hinsetzen und sagen können: Es wird schon irgendwann alles. – Nein, wir müssen politisch da weitermachen, wo wir die Ursachen sehen, aber bitte mit einem Strauß von Maßnahmen, statt zu glauben, mit einem Gesetz alles regeln zu können.

Wir müssen in der Bildung früher ansetzen: bei dem Thema Geschlechterrollen, beim Angebot von MINT-Fächern, bei breiter Berufsberatung. Wir müssen Mädchen stark machen.

Zum Schluss appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns auch in unseren Büros dafür werben, dass unsere männlichen Mitarbeiter nicht nur zwei Vätermonate nehmen, sondern mehr. Damit können wir alle etwas tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, muss ich eine geschäftsleitende Bemerkung mache, weil der Kollege Martin Schulz – Klammer auf: ein Mann; Klammer zu – sich darüber mokiert hat, dass bei diesem Thema hier im Präsidium drei Männer sitzen. Ich finde, das ist ein Glück. Die Schriftführerinnen und Schriftführer werden ungefähr ein halbes Jahr vorher für die Sitzungszeiten nominiert. Insofern liegt es nicht an den Personen, die hier sitzen, sondern an dem Thema, das aufgerufen worden ist. Aber wir drei haben uns verständigt und können sagen: Equal Pay ist bei uns verwirklicht.

(Heiterkeit)

Als nächste Rednerin bekommt die Kollegin Nicole Bauer das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7337913
Wahlperiode 19
Sitzung 90
Tagesordnungspunkt Lohndiskriminierung von Frauen
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