Silke LaunertCDU/CSU - Lohndiskriminierung von Frauen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! 21 Prozent – diese Zahl haben wir am Montag, am Equal Pay Day, und auch heute mehrfach in der Debatte gehört. Das Thema erfordert jedoch – das sehen wir, wenn wir es uns näher anschauen –, dass wir uns noch ein paar mehr Zahlen vor Augen führen: 94 Prozent der Väter von minderjährigen Kindern arbeiten Vollzeit, lediglich 33,5 Prozent der Mütter. In den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen gibt es lediglich 9 Prozent Frauen. Warum lohnt es sich, diese Zahlen näher anzuschauen? Sie zeigen, wo der Kern des Problems in Wirklichkeit liegt.
Es gibt – das wurde schon mehrfach gesagt – die bereinigte und die unbereinigte Lohnlücke. Herr Ehrhorn, Sie sagen, das sei lediglich ein „Gender-Gaga“. Das tut mir persönlich leid. Ich denke, es hilft niemandem, wenn wir das Problem ignorieren, und weitere Schritte zur Lösung finden wir so auch nicht. Die Fakten, die wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen vor. Jetzt können wir uns darüber unterhalten, wo, wie, weshalb, warum wir was besser machen können; aber das so abzuwerten, finde ich, ist eine Abwertung von 50 Prozent der Bevölkerung. Es tut mir leid; ich empfinde ich es so.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Die können es nicht besser! – Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja genau! Die können nicht!)
Ich bin niemand, der permanent auf die AfD eindrischt
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Dann lassen Sie es!)
– es ist das erste Mal, dass ich es tue –, aber ich muss sagen: Sie haben mich mit diesem Ausdruck wirklich dazu gebracht.
(Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Es nutzt sowieso nichts!)
Zur unbereinigten Lohnlücke. Man vergleicht den durchschnittlichen Bruttoverdienst pro Stunde der Männer mit dem der Frauen, egal welche Ausbildung, welche Schulbildung, welche Karrierestufe – das sind diese 21 Prozent. Und worauf entfällt der größte Anteil? Auch dazu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen. Der größte Anteil dieser Differenz entfällt auf die Wahl der Tätigkeit. Ob einem das jetzt gefällt oder nicht; so ist es aber nach den Unterlagen. Und wir wissen es doch alle: Die Friseurin verdient oft viel weniger als der männliche Handwerker. Natürlich arbeiten viele Frauen in sozialen Bereichen, die schlechter bezahlt werden, als Erzieherin, als Kinderkrankenschwester, und wir haben das Problem natürlich auch beim Staat.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Genau, was ich gesagt habe!)
– Ich habe von der Lohnlücke geredet, und Sie haben alles pauschal als „Gender-Gaga“ verurteilt. Das ändert nichts daran, dass einige Sätze vielleicht wahr sind; aber überhaupt diesen Ausdruck im Zusammenhang mit Frauen und einer ernstgemeinten Debatte zu verwenden, für die es ja Gründe gibt, finde ich einfach daneben; es tut mir leid.
(Zuruf von der SPD: Ziemlich daneben! – Weitere Zurufe)
Man muss ja nicht immer dieselbe Haltung haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ehrhorn?
(Marianne Schieder [SPD]: Besser nicht!)
Er hat mich leider schon so viel Zeit gekostet, dass ich noch ein bisschen Zeit brauche, um meine Rede zu halten.
Die Zeit halte ich ja an, Frau Kollegin. Es ist nicht so, dass sie abgezogen wird.
(Marianne Schieder [SPD]: Wir wollen heim! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben wir heute schon genug gehört!)
Die Frage lautet: Ja oder Nein?
Ja, er kann ruhig die Frage stellen.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Och nee! – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich wollte nur höflich darauf aufmerksam machen, dass mit dem Begriff „Gender-Gaga“ auch noch ganz andere Dinge gemeint waren,
(Josephine Ortleb [SPD]: Ja, den Schwachsinn auch noch erklären wollen! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zum Beispiel der Wahnsinn, der bezüglich der Verunstaltung unserer deutschen Sprache betrieben wird, und Ähnliches. Gender-Gaga bezog sich also nicht unbedingt auf das, was Sie fälschlicherweise, wie ich glaube, darunter verstanden haben.
(Josephine Ortleb [SPD]: Wir haben Sie falsch verstanden, oder was? – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie es besser sein! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Nicht auf der Höhe der Zeit! Sitzen bleiben!)
Wir sollten uns insofern einig sein, dass einiges von dem, was Sie gerade gesagt haben, durchaus mit dem übereinstimmt, was ich vorher auch benannt habe. Manchmal sind wir so weit gar nicht auseinander.
(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ursula Groden-Kranich [CDU/CSU]: Oh nein! – Katja Mast [SPD]: Lichtjahre! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Jetzt nicht wieder einschleimen! Mittelalter! Da sind Sie stehen geblieben!)
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie diesen Ausdruck in einem anderen Zusammenhang benutzt haben.
(Beifall der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD] – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Jeder ist für seine Rede selbst verantwortlich!)
Dann gibt es dazu auch nichts mehr zu sagen.
Der erste Punkt ist leider wirklich die Wahl der Tätigkeit. Natürlich kann man sagen: Alle Frauen sollen in die technischen Berufe; alle Frauen sollen in die freie Wirtschaft. – Viele gehen übrigens auch zum Staat, weil sie einen sicheren Job wollen. Ich habe das selbst so gemacht. Ich habe auf viel Gehalt verzichtet, weil ich nicht in eine internationale Großkanzlei gegangen bin, sondern lieber Richterin geworden bin und mich für die Vereinbarung von Familie und Beruf entschieden habe. Deshalb ist es auch wichtig, die Jobs beim Staat und im sozialen Bereich aufzuwerten. Ich freue mich, dass die Ministerin, die leider nicht mehr da ist, das erkennt. Ich habe es gar nicht schlecht gefunden, dass wir diese doch erheblichen Tariferhöhungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben. Wir brauchen uns nicht wundern, dass wir diese Differenz haben, wenn in der Industrie ganz anders bezahlt wird als im öffentlichen Bereich oder im sozialen Bereich. Auch wenn das natürlich für die Haushalte langfristig sehr belastend ist – der Ecki Rehberg schaut mich schon grimmig an –, müssen wir doch bereit sein, da mehr zu investieren, um eine Annäherung zu erreichen.
Der zweite Punkt sind natürlich Teilzeitarbeit und Auszeiten für Kinder, oft verbunden mit einem Karriereknick. Ich habe es gesagt: Zwei Drittel der Mütter arbeiten nur Teilzeit. Auch da müssen wir die Situation verbessern, indem wir die Rahmenbedingungen optimieren. Bessere Kinderbetreuung wurde schon angesprochen. Auch da machen wir seit Jahren viel, jetzt das Gute-Kita-Gesetz. Das betrifft nicht nur die Anzahl der Einrichtungen, wir brauchen auch eine Stärkung der Tagespflege und eine bessere Abdeckung der Betreuung in den Randzeiten, damit Frauen umfangreicher arbeiten können. Aber auch wenn wir dafür gesorgt haben, wird es Frauen mit kleinen Kindern geben, die trotzdem sagen: Ich will nur halbtags arbeiten.
In meinem Büro ist es so. Es sind gerade zwei Mütter nach der Geburt eines Kindes zurückgekommen. Ich habe sie heute noch mal gefragt: Warum bist du nur halbtags bzw. in Teilzeit zurückgekommen? Warum wolltest du keine Ganztagsstelle? – Sie haben mir beide – und es sind moderne Frauen – gesagt: Ich habe doch schon jahrelang gearbeitet. Jetzt möchte ich ein bisschen mehr Zeit für meine Kinder haben. – Ich finde, auch das gehört zur Wahrheit.
Rund-um-die-Uhr-Betreuung wollen wir, um denjenigen, die entsprechend arbeiten wollen, dieses zu ermöglichen. Wir wünschen uns aber auch ein bisschen Akzeptanz für diejenigen, die sagen: Mir reicht es, ein paar Jahre halbtags zu arbeiten. – Das gehört auch dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Jeder, der eine Frau verurteilt, weil sie sich dafür entscheidet,
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Macht doch keiner!)
der kann sich vielleicht Feminist nennen, er ist aber kein Frauenfreund.
(Widerspruch der Abg. Steffi Lemke [BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN] – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch!)
Deshalb ist es wichtig, dass wir für diejenigen, die sich bewusst für Halbtagsarbeit entscheiden, auch Karriere- und Weiterentwicklungsangebote machen. Auch da – die Kollegin hat schon einiges angesprochen: Führen in Teilzeit und Jobsharing – müssen wir die Vorreiterrolle übernehmen. Ich freue mich, dass der Staat so langsam in die Puschen kommt. Auch die Wirtschaft lernt nach und nach dazu.
Es fehlt der letzte Bereich. Da geht es um die bereinigte Lohnlücke, um die 6 Prozent, die wir noch haben. Hier setzt die Transparenz an. Wenn ich wüsste, dass mit völliger Transparenz alle Probleme gelöst wären, würde ich eine entsprechende Regelung, obwohl es eine unglaubliche Veränderung bei den Unternehmen bedeuten würde, vielleicht sogar mittragen. Ich war in der letzten Wahlperiode in Schweden; dort herrscht völlig Transparenz, –
Frau Kollegin Launert, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7337922 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 90 |
Tagesordnungspunkt | Lohndiskriminierung von Frauen |