Ulla JelpkeDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl der erfassten Straftaten in Deutschland ist auf dem niedrigsten Niveau seit 25 Jahren. Das ist zweifellos eine gute Nachricht. Sie zeigt, dass die ständigen Forderungen von Hardlinern in der Bundesregierung, die Sicherheitsbehörden weiter aufzurüsten und die Grundrechte weiter zu beschneiden, keine Berechtigung haben.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Wo werden denn Grundrechte beschnitten?)
Dennoch verweist der Innenminister heute – wie auch gestern – wieder auf das gewachsene Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung, um nach mehr Polizei- und Geheimdienstbefugnissen zu rufen. Herr Minister, ich sage Ihnen: Auf dieser Grundlage der Angst Politik zu machen, ist nicht nur unseriös, sondern auch eine Vorlage, wie wir heute wieder gesehen haben, an die AfD, die das natürlich gerne bedient.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie doch auch! Dann machen wir das Gleiche, Frau Jelpke!)
Angstgefühle in der Bevölkerung sind ein direktes Ergebnis der Angstkampagnen, die wir in den letzten Jahren hauptsächlich von der CSU, also von Herrn Seehofer, aber auch von der AfD in diesem Land gespürt haben, indem man ständig Stimmung gegen Flüchtlinge macht.
(Stephan Brandner [AfD]: Wieso machen Sie ständig Stimmung gegen die AfD?)
Der Anteil von Einwanderern unter den Tatverdächtigen sinkt in der Tat. Trotzdem werden einzelne Straftaten, an denen sie beteiligt sind, vor allen Dingen von der AfD, aber auch von manchen blutrünstigen Medien,
(Stephan Brandner [AfD]: „Neues Deutschland“?)
in einer Art und Weise thematisiert, dass man sich etwas fragen muss. Bei weißen deutschen Tatverdächtigen wird das nicht gemacht. Hier gilt auch die Unschuldsvermutung. Aber wenn es beispielsweise darum geht, dass im letzten Jahr 2 000 Flüchtlinge angegriffen wurden, fragt man sich doch: Wo bleibt da der Aufschrei?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dennoch suggeriert die CSU – von der AfD ganz zu schweigen – unverdrossen, Zuwanderung sei ein Sicherheitsproblem – man kann es nicht mehr hören! –; deswegen müsse man die Grenzen dichtmachen und Schutzsuchende in Lager sperren.
(Beatrix von Storch [AfD]: 50 000 Körperverletzungen! Sicherheitsproblem!)
Diese Taktik ist so simpel wie bösartig: Erst schüren Sie Angst, dann ernten Sie Bedrohungsgefühle, um mit diesen wiederum Ihre Aufrüstung des Sicherheitsapparates zu rechtfertigen.
(Stephan Brandner [AfD]: „Simpel“ und „bösartig“, Frau Jelpke, sind hier nur Sie!)
Besonders gerne verweisen gerade Sie von der AfD dabei auf die sexuellen Übergriffe auf Frauen. Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Sie instrumentalisieren die Frauen; es geht Ihnen gar nicht um die Frauen. Das ist wirklich perfide und zynisch.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gerade kursiert ein Gesetzentwurf von Herrn Seehofer im Innenministerium, der die Befugnisse der Geheimdienste massiv erweitern soll. Privatcomputer und Handys sollen gehackt werden dürfen, in Wohnungen soll eingebrochen werden dürfen,
(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Was ist denn das für ein Unfug? So ein grober Unfug!)
und die Daten von Kindern sollen künftig gespeichert werden, um die Polizei mit entsprechenden Informationen zu versorgen.
(Stephan Brandner [AfD]: Wie Ihre Truppe von früher! Ist ja ganz wie bei Erich und Erich!)
Damit startet der Innenminister eindeutig einen Großangriff auf die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Das, meine Damen und Herren, sollte uns Angst machen, aber auch unseren Widerstand beflügeln.
Wenn davon die Rede ist, dass entgegen dem Trend die Zahl der Drogendelikte zugenommen hat, dann muss man auch sagen: Es geht dabei meistens um Cannabis.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das war ja klar!)
Die Linke sagt schon lange: Kiffen ist kein Fall für Staatsanwälte. Man sollte eine entsprechende Legalisierung vornehmen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das schlägt aber aufs Gehirn!)
Wenn es um harte Drogen geht, dann muss man die Drogenabhängigen wenigstens entkriminalisieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Zahl der Straftaten gegen Vertreter der Staatsgewalt hat zugenommen; das wurde hier schon genannt. Wer hier aber beispielsweise über Gewalt gegen die Polizei spricht, muss ehrlicherweise auch von Polizeigewalt sprechen.
(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Aha! Gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat! Wieder einmal!)
– Ja, das wollen Sie nie hören; das weiß ich. Aber damit müssen Sie sich auch mal befassen. – Wo ist denn zum Beispiel der Bericht über rechtsextreme Netzwerke in den Sicherheitsbehörden?
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Weil es die nicht gibt! Sie hätten im Innenausschuss mal zuhören sollen, Frau Jelpke!)
Darüber hinaus fehlen Kriminalitätsstatistiken zu bestimmten Bereichen, zum Beispiel zur Steuerhinterziehung von Superreichen.
Unterm Strich will ich ganz klar festhalten: Die größte Gefahr für unsere Sicherheit geht nicht von einem unkontrollierbaren Überwachungsstaat aus,
(Stephan Brandner [AfD]: Sondern?)
sondern tatsächlich davon, dass hier mehr und mehr Überwachung eingefordert wird.
(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Wir sind hier nicht in der ehemaligen DDR! Diese Vergleiche sind ja unglaublich!)
Im Endeffekt ist die PKS nur eingeschränkt aussagekräftig. Das haben wir hier mehrfach gehört. Über die Hell- und Dunkelfelder müssen wir mehr wissen, wir müssen mehr über Präventionsprogramme wissen, und wir müssen vor allen Dingen über die Ursachen der Kriminalität sprechen. Der Sicherheitsbericht – er ist hier schon angesprochen worden – würde in der Tat mehr Aufschluss darüber geben, wie man präventiv weiterkommen kann, wie der Kollege Kuhle schon gesagt hat.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Das Protokoll vermerkt rauschenden Beifall!)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Dr. Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018 |