04.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 5

Heike HänselDIE LINKE - 70 Jahre NATO

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Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir sehen keinen Grund, heute zu feiern. 70 Jahre NATO sind genug.

(Beifall bei der LINKEN)

Die NATO ist ein Relikt des Kalten Krieges und hätte, wie der Warschauer Pakt, aufgelöst werden sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation erhofften sich viele Menschen hier in Europa eine Friedensdividende. Man sprach von mehr Entspannungspolitik und einem gemeinsamen Haus Europa. Gorbatschow hat es immer wieder vorgeschlagen. Und auch 2002 gab es hier Angebote vom damaligen Präsidenten Putin für eine Kooperation in Europa.

Doch leider kam es ganz anders. Die NATO blieb als alleiniges Militärbündnis bestehen und wurde nun zu einem global agierenden Kriegsbündnis umgebaut. Wir halten das für eine katastrophale Fehlentwicklung, die dringend geändert werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns schon entscheiden: Wollen wir uns von den USA in eine neue Aufrüstungsspirale und neue Kriege treiben lassen oder aus diesem obsoleten Bündnis austreten und auf Basis des Völkerrechts ein kollektives Sicherheitsbündnis unter Einschluss Russlands aufbauen? Ich finde, die Antwort darauf ist relativ klar.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sehen übrigens auch immer mehr Menschen in Europa so. Laut jüngsten Umfragen ist der Rückhalt der NATO in der Bevölkerung weiter gesunken, in Deutschland auf mittlerweile 54 Prozent.

Die Bilanz der NATO ist nämlich verheerend. Seit dem Angriffskrieg der NATO 1999 gegen Jugoslawien

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Rot-grüner Sündenfall!)

nimmt sich die NATO selbst heraus, in völkerrechtswidrigen Kriegen außerhalb des Bündnisgebiets militärisch einzugreifen. Das dient weder dem Frieden in der Welt, noch verstärkt es die Sicherheit vor Terror hierzulande; ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Man braucht sich ja nur Afghanistan, Libyen, Irak, Syrien anzuschauen.

Deshalb fordern wir ganz klar den Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen dieses Kriegspakts.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie wollen es nicht verstehen!)

Das Grundgesetz – daran möchte ich Sie hier erinnern – kennt keinen Militäreinsatz zur globalen Machtprojektion. Was die NATO seit 1999 treibt, hat mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes nichts zu tun.

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Unerhört! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Skandal!)

Eine der großen Fiktionen der NATO, die auch Staatsminister Annen hier angesprochen hat, ist die transatlantische Wertegemeinschaft. Da frage ich mich doch: Welche Werte teilen wir eigentlich mit dem NATO-Partner Erdogan, der völkerrechtswidrig Teile Syriens besetzt hält? Diese Fiktion ist angesichts der Realität von Erdogan, Orban und Trump völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN – Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Da hilft es auch nicht, dass Sie es hier gebetsmühlenartig immer wieder erwähnen.

Am besorgniserregendsten für uns ist aber der Aufmarsch der NATO gegen Russland in den letzten Jahren.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Das Versprechen im Zuge des deutschen Vereinigungsprozesses, keine Osterweiterung vorzunehmen, wurde gebrochen

(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Freie Erfindung! – Henning Otte [CDU/CSU]: Ein Skandal! Der Parlamentspräsident müsste eingreifen! – Gegenruf der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ruhe da hinten! – Henning Otte [CDU/CSU]: Unerhört! – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Pariser Vertrag!)

und die NATO bis an die Westgrenze Russlands ausgedehnt.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Wenn die Unwahrheit gesprochen wird, muss der Parlamentspräsident eingreifen! Unerhört!)

Mittlerweile sind 13 osteuropäische Staaten in die NATO eingetreten. Deutschland sendet Soldaten ins Baltikum, beteiligt sich regelmäßig an großen Militärmanövern direkt an der Grenze Russlands, was die Gefahr einer militärischen Konfrontation verstetigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden es unfassbar, dass sich die Bundesregierung an den Provokationen Donald Trumps auch noch aktiv beteiligt. Ist das allen Ernstes eine verantwortliche Außenpolitik

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Ist das allen Ernstes Ihre Rede?)

– auch, möchte ich sagen, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte –,

(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Aber Sie wissen es doch besser! Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben? War das Oskar Lafontaine? Der hat ja auch so gefaselt!)

deutsche Soldaten im Rahmen der NATO an die russische Grenze zu schicken? Wir meinen klar: Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine dauerhafte friedliche Ordnung in Europa kann nämlich nur auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut werden. Das heißt: Sicherheit in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür brauchen wir auch nicht, wie Sie alle es praktizieren, neue Feindbilder, keinen Kalten Krieg 2.0, sondern es ist jetzt an der Zeit für eine neue Entspannungspolitik,

(Henning Otte [CDU/CSU]: Unglaublich! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Aber die Zeit der kommunistischen Weltrevolution ist auch vorbei!)

für vertrauensbildende Maßnahmen, die ein Klima schaffen für Initiativen zur atomaren und konventionellen Abrüstung.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Kündigung des INF-Vertrags durch die USA und im Anschluss auch durch Russland droht Europa wieder zum potenziellen atomaren Schlachtfeld zu werden. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Genau deswegen wollen wir eine neue Entspannung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir halten es auch für fatal, dass die Bundesregierung regelmäßig einseitige US-Positionen übernimmt. Wir fragen uns: Warum fordern Sie nicht, im Gegenteil, endlich den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland?

(Beifall bei der LINKEN)

Die nukleare Teilhabe in der NATO durch die Bundeswehr muss endlich beendet werden! Es kann doch nicht sein, dass Deutschland mit der Zustimmung des US-Präsidenten sogar Atomwaffen einsetzen könnte. Wir finden das einen Wahnsinn. Das betrifft auch die Rüstungspolitik, die Hochrüstung, die wir jetzt erleben.

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Ausstattung!)

Trump will Deutschland in diese neue Hochrüstungspolitik drängen. Wir halten davon gar nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen entmilitarisiert werden, dass die US-Basen in Deutschland, wie Ramstein, von denen teilweise völkerrechtswidrige Aktionen wie Drohnenmorde ausgehen, endlich geschlossen werden

(Beifall bei der LINKEN)

und dass die 35 000 US-Soldaten abgezogen werden. Das sind, finde ich, vertrauensbildende Maßnahmen.

In der Koalition gibt es einen Disput darüber, ob man 1,5 Prozent für Rüstung ausgeben soll oder 1,3 Prozent. Eigentlich ist das Ziel der NATO ja 2 Prozent. Das hieße, Deutschland würde auch noch die größte Militärmacht in Europa. Wir halten weder etwas von 1,5 noch von 1,3 Prozent. Wir glauben, das ist alles viel zu viel. Jetzt ist die Zeit für Abrüstung, nicht für Aufrüstung!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marcus Faber [FDP]: Ausrüstung!)

Die Ostermärsche haben sich das auf die Fahnen geschrieben: Abrüsten statt Aufrüsten! Frieden statt NATO! – Sie werden dafür mobilisieren. Wir Linke sind natürlich mit dabei.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Eine skandalträchtige Rede! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Ist die S‑400 auch dabei?)

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ja. – Einen letzten Satz. Sie alle unterstützen die Schüler und Schülerinnen im Hinblick auf Fridays for Future. Wenn Sie das ernst meinen, dann rüsten Sie ab, und investieren Sie in Klimaschutz und in den Sozialstaat, statt weiter aufzurüsten.

(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Ihr Freund Maduro hat doch die meisten Generäle auf der Welt! – Zuruf von der FDP: Grüße nach Moskau!)

Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Jürgen Trittin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7341589
Wahlperiode 19
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt 70 Jahre NATO
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