04.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 5

Jürgen HardtCDU/CSU - 70 Jahre NATO

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser doch ausgesprochen dialektischen Rede von meinem geschätzten Kollegen Jürgen Trittin

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Blumen! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie sie trotzdem verstanden haben!)

weiß ich nicht, ob er nur Außenminister oder vielleicht doch Verteidigungsminister werden will. Die Dialektik, dass wir einerseits mehr Hubschrauber brauchen und andererseits aber kein Geld dafür ausgeben dürfen, fand ich schon etwas steil.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht verstanden offensichtlich! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dialektik ist halt zu kompliziert!)

Aber es war auf jeden Fall eine bemerkenswerte Rede, und ich habe an einer Stelle klatschen können: als Sie gesagt haben, dass wir die Bündnisverteidigung auch in Zukunft brauchen.

Bevor ich in meine Rede einsteige, möchte ich einen Satz zur Kollegin Hänsel sagen: Die Absurdität Ihrer Argumentation bezüglich der sogenannten NATO-Osterweiterung ist intellektuell für jeden leicht nachvollziehbar. Warum soll an der Behauptung, man habe der Sowjetunion zugesagt, die NATO nicht zu erweitern, etwas dran sein, wenn die Sowjetunion selbst wenige Wochen nach der Unterschrift unter den Zwei-plus-Vier-Vertrag, nämlich im November 1990, die Charta von Paris der KSZE unterschrieben hat, in der steht: „Jeder Staat hat das Recht, sein Bündnis frei zu wählen“?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist total absurd und beweist, dass diese Gerüchte von Petersburger Trollen und Ex-SED-Trollen und Maduro-­Freunden nun wirklich jeder Realität entbehren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da steht Aussage gegen Aussage!)

Das behauptet außer Ihnen nur die AfD.

Anlässlich des heutigen Geburtstags der NATO – Deutschland ist einige Jahre nach der Gründung beigetreten – möchte ich sagen: Die Entscheidung Deutschlands, der NATO beizutreten, war eine der, wie ich finde, vier wichtigsten Entscheidungen, die in der Bundesrepublik Deutschland jemals getroffen wurden. Die erste Entscheidung war die Entscheidung für die Marktwirtschaft, Stichwort „Leitsätzegesetz 1948“.

(Andrea Nahles [SPD]: Soziale Marktwirtschaft!)

Die zweite Entscheidung war die Unterzeichnung der Römischen Verträge, der Gründungsakte der heutigen Europäischen Union. Die dritte zentrale Entscheidung war der Einheitsvertrag 1990. Und die vierte wirklich fundamental bedeutende Entscheidung war der Beitritt zur NATO 1955. Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik steht auf diesen beiden granitenen Säulen, nämlich der Säule der Europäischen Union und der Säule der NATO, ausgesprochen gut, und das muss so bleiben.

Herr Hardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Diether Dehm?

Ja.

Bitte sehr.

Vielen Dank. – Herr Hardt, in einem haben Sie recht, auch ich hatte einen Punkt in der Rede Jürgen Trittins, bei dem ich klatschen konnte.

Wahrscheinlich ein anderer.

Sie sehen: Ein großer Politiker zeichnet sich eben wohl durch seine Breite aus.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also jeder hatte hier ja die Möglichkeit, Beifall zu klatschen. Ich habe das sogar da drüben rechts an einer Stelle gesehen. – Ich war engagiert bei den Künstlerinnen und Künstlern für den Frieden; ich erinnere an das Plakat des großen Karikaturisten Arno Funke, der dazu eine Karikatur angefertigt hat. Denn es gibt doch augenscheinlich eine Diskrepanz, was die Rüstungsausgaben Russlands und der NATO betrifft. Ich weiß, dass Sie ein nachdenklicher Kollege sind und auch andere zur Nachdenklichkeit anstiften. Dieser Punkt müsste doch auch Sie zur Nachdenklichkeit bringen. 940 Milliarden Dollar umfasst der Militäretat der NATO, davon kommen round about 600 Milliarden Dollar von den USA, 340 Milliarden von den anderen Staaten, inklusive der EU. Dagegen steht der Militäretat Russlands in Höhe von 65 Milliarden. Dann sagt Trump, wir sollen round about 40 Milliarden aus den deutschen Geldern, die wir für Schulen und Krankenhäuser brauchen, drauflegen. Wie können Sie das einer immer geringer werdenden Bevölkerungszahl verständlich machen, wo die Akzeptanz für die NATO auch aus diesem Grund permanent nachlässt? Bei dieser Zahlendiskrepanz ist es doch unverständlich, die NATO weiter aufzurüsten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich brauche gar nicht Donald Trump zu bemühen, sondern ich bemühe den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, der uns jedes Jahr darauf hinweist, welchen Ausrüstungsnachholbedarf wir bei der Bundeswehr haben. Sogar mein Kollege Trittin hat darauf hingewiesen, dass es gut wäre, wenn wir zum Beispiel für den Mali-Einsatz mehr deutsche Hubschrauber hätten.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben sie! Sie müssen nur fliegen!)

Insofern ist eine angemessene Steigerung des deutschen Verteidigungsetats keine Aufrüstung, sondern lediglich die Sicherstellung, dass unsere Soldatinnen und Soldaten einen guten und sicheren Job im Dienst machen können. In diesem Sinne verstehen wir das auch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Stoltenberg sagt: Und gegen Russland, gegen die russische Bedrohung!)

Ich möchte gerne auf die aktuelle Diskussion über das Budget eingehen. Ich finde, wir hätten uns die Diskussion über die mittelfristige Finanzplanung, die ja unsere massiven Anstrengungen, mehr Geld für die Bundeswehr zu mobilisieren, konterkariert, wirklich sparen können. Ein Blick auf die Haushaltszahlen der letzten Jahre – zumindest seit Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin ist – zeigt: Wir haben einen stetigen Anstieg der Verteidigungsausgaben, klar über dem durchschnittlichen Anstieg des Haushalts und überdurchschnittlich über dem Anstieg des Bruttosozialprodukts. In diesem Jahr haben wir von 2018 auf 2019 sogar einen zweistelligen prozentualen Sprung. Und auch für das Jahr 2020 planen wir einen weiteren Anstieg auf 1,37 Prozent BIP-Anteil, das entspricht einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro, wenn man das in NATO-Terms rechnet.

Ich finde, es hätte uns gut angestanden, wenn wir mit dieser Botschaft nach Washington zum 70. Geburtstag der NATO gegangen wären und nicht über Zahlen diskutiert hätten, die dieser Deutsche Bundestag weder beschlossen hat noch beschließen wird. Wir als Koalition werden im Deutschen Bundestag dafür sorgen, dass wir selbstverständlich unsere Zusagen gegenüber der NATO und gegenüber der Europäischen Union – im PESCO-Vertrag haben wir diese Zusage auch gemacht –, unsere Verteidigungsausgaben zu steigern, einhalten werden.

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der heute hier noch nicht angesprochen worden ist. Er geht vielleicht ein klein bisschen auch in die Richtung dessen, was Kollege Dehm gesagt hat. Russland gibt Geld für Verteidigung aus; aber Russland investiert auch in Waffentechnologien, die gemäß internationalen Verträgen, gemäß dem INF-Vertrag verboten sind. Das ist für die NATO eine ernsthafte Bewährungsprobe; denn es geht darum, dass wir es im 70. Jahr unserer Existenz schaffen, eine geschlossene, einmütige Antwort auf die Frage „Was ist die richtige Antwort auf die Verletzung des INF-Vertrags durch Russland?“ zu geben. Ich finde, da wird sich die NATO in den nächsten Monaten beweisen können, ob sie diese Geschlossenheit zeigt. Ich glaube im Übrigen, dass das auch der Test Putins ist, ob wir in der Lage sind, diese Geschlossenheit zu zeigen.

Ich möchte die Bundesregierung ermutigen, sich aktiv an diesem Dialog zu der Frage „Was ist die richtige Antwort auf die Verletzung des INF-Vertrags durch Russland?“ zu beteiligen und sich entsprechend einzubringen, damit die Lösung nicht wieder eine Lösung ist, die zwischen Russland und den USA verhandelt wird, sondern eine, die von der gesamten NATO gut mitgetragen werden kann.

In diesem Sinne, herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Armin-Paul Hampel.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7341593
Wahlperiode 19
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt 70 Jahre NATO
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