04.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 92 / Zusatzpunkt 6

Siegbert DroeseAfD - EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Türkei ist bisher ein zuverlässiger Partner im Rahmen der NATO. Es existieren funktionierende Strukturen im Rahmen der Zollunion. Die Türkei ist eine große Nation im Nahen Osten, eine stolze Nation, die souverän agiert und schon deshalb schwer in das derzeitige Brüsseler Regime integrierbar wäre.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: ­Re­gime?)

In der Türkei herrscht ein traditionell anderes Politikverständnis, das mit unserer Wertearchitektur nicht kompatibel ist.

(Beifall bei der AfD)

Die AfD-Fraktion lehnt den EU-Beitritt der Türkei ab, respektiert aber, dass die Türkei unter Erdogan gedenkt, an ihrer Identität und orientalischen Traditionslinie festzuhalten. Dessen ungeachtet fehlen der Türkei fundamentale Voraussetzungen, um Mitglied der EU zu werden. Ich komme auf einige zu sprechen.

Die Türkei müsste die eigenen Regeln den EU-Vorgaben anpassen. Von den 35 Kapiteln, die jeder Beitrittskandidat bearbeiten und abschließen muss, ist bisher lediglich eins vorläufig abgeschlossen. Eine ganze Reihe von Kapiteln wurden seit der Verleihung des Status als Beitrittskandidat 1999 gar nicht erst eröffnet, weil einige Mitgliedstaaten Einwände dagegen hatten bzw. gar keine Aussicht auf Erfolg sahen.

Die Türkei gehört nicht zu Europa. 1987 wurde noch Marokkos Beitrittsgesuch mit der Begründung abgelehnt, dass nur ein europäisches Land Mitglied der EU werden könne. Die AfD-Fraktion möchte Europa als europäischen Geschichts- und Kulturraum erhalten.

(Beifall bei der AfD)

Die Türkei unter Erdogan missachtet Menschenrechte. Seit dem versuchten Militärputsch im Jahr 2016 sind mehr als 55 000 Menschen verhaftet worden, darunter Anwälte, Richter, Lehrer, Professoren, Universitätsmitarbeiter und einige Journalisten. Presse- und Meinungsfreiheit sind eingeschränkt. Kollegen des Bundestages wurde verweigert, deutsche Soldaten in der Türkei zu besuchen.

Die EU wird von Erdogan als „Christenclub“ abgewertet. Er mischt sich in den deutschen Wahlkampf ein und hetzt seine hier lebenden Landsleute auf. Selbst die EU-Kommission hält in einem Fortschrittsbericht fest – Zitat –:

Die Türkei hat sich in großen Schritten von der EU wegbewegt.

Ein weiterer Punkt. Der Beitritt der Türkei würde den heute schon uneffektiven EU-Außengrenzschutz vor unlösbare Probleme stellen. Die EU hätte dann einen Grenzverlauf mit einer der zentralen Konfliktregionen des Nahen Ostens. Damit läge der Syrien- und Irak-Konflikt direkt vor unserer Haustür.

Man könnte noch die Zypern-Frage anbringen und die enormen Kosten für die EU, die ein Beitritt der Türkei mit sich brächte, oder weitere Punkte ansprechen. Aber ich möchte Ihnen, verehrte Kollegen, gerne auch noch ein paar Ansatzpunkte lassen. Bedenken Sie dabei bitte: Der deutsche Wähler wird die Debatte über unseren Antrag sicher recht aufmerksam verfolgen.

Die AfD-Fraktion fordert mit ihrem Antrag die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU gegenüber anderen Mitgliedstaaten dafür einzusetzen, die Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei umgehend zu beenden, weitere Vorbeitrittshilfen komplett zu streichen,

(Beifall bei der AfD)

die von der Türkei geforderte Visafreiheit abzulehnen und sicherzustellen – das ist eine sehr wichtige Forderung –, dass kein deutsches Steuergeld zur Stabilisierung der türkischen Politik unter Erdogan bereitgestellt wird.

(Beifall bei der AfD)

Wie wir alle wissen, lehnte die AfD schon in ihrem Grundsatzprogramm den Beitritt der Türkei ab. Wir erkennen dennoch an, dass auch Vertreter der übrigen Parteien des Hohen Hauses in der Zwischenzeit eine Neubewertung der Türkei-Frage vorgenommen haben. So war von Manfred Weber, CSU, zu vernehmen – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

Die Türkei passt nicht in die EU.

Kollege Schulz, SPD, ergänzt – ich zitiere –: Es macht keinen Sinn, Beitrittsverhandlungen fortzusetzen. Zitat Ende. Meine Damen und Herren, die Türkei in ihrem heutigen Zustand passt nicht in die EU. Die EU muss dies jetzt der Türkei in aller Deutlichkeit sagen. Das ist auch eine Frage der Ehrlichkeit gegenüber dem NATO-Partner Türkei. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit uns heute, am 4. April 2019, ein Signal der Geschlossenheit des Deutschen Bundestages in der Türkei-Frage zu senden.

Ich möchte mich zum Abschluss bei meiner Kollegin Miazga für die Zusammenarbeit, was den Antrag betrifft, bedanken. Ich freue mich nun auf die Debatte und bin selbstverständlich der Meinung, dass der AfD-Fraktion nach guter demokratischer Sitte und nach der Geschäftsordnung auch ein Bundestagsvizepräsident zusteht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Droese. – Als nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege ­Matern von Marschall das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342046
Wahlperiode 19
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
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