04.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 13

Julia Klöckner - Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich komme gerade aus Münster, und da traf Stadt auf Land: 6 000 Bauern, die im städtischen Umfeld für ihre Zukunftschancen auf dem Land demonstrierten. Einige Städter schauten verdutzt auf die Demonstrationsschilder und irritiert-verwundert auf die Traktoren. Man kennt sich zu wenig; aber man hat ganz genaue Vorstellungen voneinander.

Ich bin den Koalitionsfraktionen sehr dankbar für den wirklich sehr guten Antrag, den sie gemeinsam vorgelegt haben; denn sie werfen einen Blick auf die ländliche Bevölkerung und die ländlichen Räume. Ein Bekenntnis zu ihnen ist mehr, als einmal im Jahr Urlaub auf dem Bauernhof zu machen. Die ländlichen Räume sind Kraftzentren unseres Landes. Das heißt, dass wir für sie aktive Strukturpolitik ohne Gießkannenpolitik machen müssen; wir müssen sie ernst nehmen. Das, was in der Stadt der Wohnraummangel ist, ist auf dem Land der Leerstand. Deshalb brauchen wir passgenaue Antworten. Ich bin dankbar, dass CDU, CSU und SPD sich dieses Problems so konkret annehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, es sind eigenständige Räume mit Wirtschaftskraft, die am Ende die überhitzten Städte und Ballungszentren entlasten können. Was wir brauchen, um das zu erreichen, ist ein Blick auf die gleichwertigen Lebensverhältnisse. Das Problem in den ländlichen Räumen sind nicht die zu vollen Klassen, es sind nicht die zu vollen Busse, es ist auch nicht die Frage, ob man eine Wohnung findet, sondern es ist genau das Gegenteil: Ganz häufig ist es so, dass die Älteren zurückbleiben, dass Klassen und Schulen geschlossen werden, weil zu wenige Schüler da sind und der letzte Bus auch noch eingestellt wird.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt mal ein bisschen Substanz!)

– Frau Kollegin, das Problem ist, dass die Grünen mit den ländlichen Räumen so wenig zu tun haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nein!)

Für Sie als Grüne sind die ländlichen Räume doch nur eins: Kompensationsräume für die Wünsche von Großstädtern.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zu billig!)

In den ländlichen Räumen soll am Ende eine nostalgische Landwirtschaft betrieben werden, sollen die Windräder für die erneuerbaren Energien stehen, die Ihre städtische Klientel sich wünscht.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zu billig!)

Wir sagen: Gleichwertige Lebensverhältnisse heißt am Ende, auf gleicher Augenhöhe zu sein und für Digitalisierung einzustehen. Ich bin dankbar, dass diese Bundesregierung so viel für die Kommunen und die Entwicklung in den ländlichen Räumen macht. Davon kann Frau Künast heute noch träumen; denn in ihrer Zeit hat sie nie daran gedacht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Frau Ministerin, aus der Fraktion der Grünen gibt es den Wunsch nach einer Frage. Gestatten Sie die Frage?

Sehr gerne.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denken Sie doch einfach an die Milchkanne von Frau Karliczek!)

– Wegen des Zurufes weiß ich jetzt nicht, ob das eine Frage oder ein Statement wird. Ich stehe gerne für Fragen bereit.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist toll! Und denken Sie an die Milchkanne!)

– Was ist denn los mit Ihnen?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD und der FDP – Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Mein Gott, also bitte ein bisschen Kultur in der Auseinandersetzung. Ich würde Ihnen, Frau Stumpp, gern zuhören.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss ich mir von Ihnen nicht sagen lassen!)

Frau Ministerin, wenn Sie sagen, wir Grüne hätten nichts mit dem Land zu tun, dann würde mich schon interessieren, ob Sie wissen, wo diese Kollegin herkommt, wo dieser Kollege herkommt und wo ich herkomme.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das weiß sie nicht!)

Sie haben vorhin gesagt, man glaube, einander zu kennen, man wisse aber nichts voneinander: Sie haben gerade das beste Beispiel dafür geliefert. Ich komme aus dem Wahlkreis Aalen-Heidenheim.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Der Unterschied zwischen Haltung und Herkunft!)

Sehr geehrte Frau Kollegin, also ich muss Ihnen mal sagen: Es gibt, was ländliche Räume anbelangt, einen ganz klaren Unterschied zwischen Haltung und Herkunft, und das mache ich Ihnen hier gerade klar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wir als Bundesregierung haben das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung aufgelegt. Wir geben da so viel rein, um konkret und nicht mit der Gießkanne zu entwickeln. Ehrenamt braucht Hauptamt. Wir sind dabei, die Digitalisierung flächendeckend voranzubringen – und nicht nur an jede Milchkanne; denn die Milchkanne von gestern ist heute der Melkroboter.

(Carina Konrad [FDP]: Der Milchkannenhansel!)

Im ländlichen Raum geht die Post ab. Deshalb sage ich: Die Zukunft liegt in der Landwirtschaft. Und wenn die Landwirtschaft stirbt, dann wird aus der Landschaft nur noch Gegend, und wenn wir nur noch Gegend haben – das kann ich Ihnen sagen –, dann wird das Leben in Deutschland nur noch zwei Geschwindigkeiten kennen. Wir als Große Koalition überwinden aber diese zwei Geschwindigkeiten in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern ist dieser Antrag Ausdruck einer ganz klaren Priorisierung. Wir haben die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingerichtet. Ich halte einen Gesetzescheck für gleichwertige Lebensverhältnisse für angebracht. Ich halte es für richtig, dass wir den Landatlas, den wir entwickelt haben, zu einem Deutschlandatlas weiterentwickeln, um eines zu erreichen: dass wir in den ländlichen Regionen Mobilität neu denken, eben nicht in den alten Strukturen, und dass wir in den ländlichen Räumen Arbeiten neu denken. Wir müssen sehen, dass von der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft viele Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen im vor- und nachgelagerten Bereich abhängen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 90 Prozent der Fläche in Deutschland sind ländlicher Raum. Über die Hälfte unserer Bevölkerung hat ihre Heimat in den ländlichen Räumen. Wir haben in jüngster Zeit zu viel über die Probleme in den Städten gesprochen. Ich bin mir sicher: Wir können die Probleme in den Städten „enthitzen“, wenn wir die ländlichen Räume ernster nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb haben wir zum Beispiel den Sonderrahmenplan mit 150 Millionen Euro aufgelegt, mit digitalen Experimentierfeldern in den ländlichen Räumen, mit Land. Digital, womit wir zeigen, wie wir die Bevölkerung, gerade die ältere Bevölkerung, vernetzen und zusammenhalten. Wir gehen neue Wege. Das ist die Antwort der Bundesregierung.

Wir nehmen für die Kommunen Geld in die Hand. Gerade dort, wo grüne Politiker an den Landesregierungen mitbeteiligt sind – ich kann es für Rheinland-Pfalz sagen –, kann man feststellen: Es wäre schön, wenn das Geld, das der Bund den Kommunen für die Entwicklung gibt, am Ende auch bei den Kommunen ankommt. Es darf nicht passieren, dass dort, wo die Grünen mit den klebrigen Händen beteiligt sind, die Gelder nicht ankommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Peter Felser für die AfD.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342112
Wahlperiode 19
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land
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