Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Rüstungsexporte an am Jemenkrieg beteiligte Staaten
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Bei den Debatten, die wir in diesem Haus ohne irgendeinen Erkenntnisgewinn immer und immer wieder führen, geht es Ihnen von den Linken ja nur deklaratorisch um Exporte in ein bestimmtes Land, auch wenn Sie immer wieder einzelne, neue Facetten vorbringen. Dieses Mal – jetzt neu im Potpourri – ist es zum Beispiel der Wunsch, die britische Urenco-Gruppe zu enteignen.
(Beifall des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Wenn Sie Erkenntnisdefizite haben, empfehle ich Ihnen, sich in der Mediathek des Deutschen Bundestags noch mal die öffentliche Anhörung zum Thema Rüstungsexporte anzuschauen. Machen Sie es doch endlich mal!
(Widerspruch der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
Sie haben alle Möglichkeiten der Information. Wir hatten dort eine sehr gute Zusammensetzung des Experten-Panels.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Dank der Linksfraktion!)
Man muss natürlich auch mal bereit sein, zuzuhören und sich ein bisschen was anzunehmen.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Von einem Rüstungslobbyisten?)
Aber das fällt Ihnen offenkundig schwer.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Von einem Rüstungslobbyisten!)
Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie zur Kenntnis nehmen können, dass der renommierte Professor Dr. Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel zum Jemen-Konflikt gesagt hat:
… in Jemen muss man die Sache ganz genau sehen. Es ist ja nicht so, dass Saudi-Arabien in Jemen einfällt, sondern in Jemen haben wir eine sehr komplexe Lage. Wir haben eigentlich dort drei verschiedene Konflikte, einmal zwischen der legitimen Regierung und den Huthi-Milizen, die extrem stark vom Iran unterstützt werden. Wir haben den Kampf dieser Regierung gegen Al‑Qaida und wir haben auch noch eine Separationsbewegung im Süden des Landes. Wir haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die dort intervenieren. Es ist eine sehr komplexe Situation und ich würde vor einer vorschnellen Verteilung, wer hier gut und wer hier schlecht ist, warnen …
Es geht Ihnen aber ohnehin nicht um eine ausgewogene Abwägung der Fakten, sondern es geht Ihnen im Kern all dieser Debatten vielmehr um die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im 21. Jahrhundert, die Sie zerschlagen wollen.
Ich erinnere all diejenigen, die in diesem Haus zumindest in Sonntagsreden gerne französische Präsidenten zitieren und von europäischer Verteidigungspolitik sprechen, an die Sorbonne-Rede von Emmanuel Macron, der am 26. September 2017 gesagt hat:
Auf dem Gebiet der Verteidigung muss unser Ziel darin bestehen, dass Europa, ergänzend zur NATO, selbstständig handlungsfähig ist … Woran es Europa, diesem Europa der Verteidigung, heute am meisten fehlt, ist eine gemeinsame strategische Kultur. Unsere Unfähigkeit, gemeinsam überzeugend zu handeln, gefährdet unsere Glaubwürdigkeit als Europäer.
Dieser Appell richtet sich, wie wir alle hier im Haus wissen, vor allen Dingen an uns Deutsche; denn mit unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik gefährden wir Deutsche massiv unsere eigene Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und die Westintegration unseres Landes.
Anlässlich der bereits erwähnten Anhörung im Wirtschaftsausschuss warnte uns der Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor dem enormen Vertrauensverlust aufseiten unseres französischen Partners in Bezug auf die Ernsthaftigkeit der deutschen Absichten. Ich zitiere wörtlich:
Die derzeitige Debatte um Exporte in Deutschland lassen in Paris Zweifel aufkommen, ob Berlin der richtige Partner ist.
Wir reden über FCAS, wir reden über gemeinsame Panzer der nächsten Generation. All das wird nichts werden, wenn wir uns so verhalten, wie sich hier einige gerieren.
Vor wenigen Tagen hat die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes einen beachtenswerten Gastbeitrag für die Bundesakademie für Sicherheitspolitik verfasst. Er trägt den Titel: „Vom ‚German-free‘ zum gegenseitigen Vertrauen“. Zitat:
Die Frage von Waffenexporten wird in Deutschland oft als vor allem innenpolitisches Thema behandelt, dabei hat sie schwerwiegende Folgen für unsere bilaterale Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und für die Stärkung der europäischen Souveränität.
So mahnt die französische Botschafterin.
Die Europäische Union ist von einer gut funktionierenden deutsch-französischen Achse abhängig; das wissen wir doch, glaube ich, alle miteinander. Das gilt umso mehr nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der EU, was wahrscheinlich nun in der einen oder anderen Form kommen wird. Die sicherheitspolitische Eigenständigkeit Europas kann nur erreicht werden, wenn die Abhängigkeit europäischer Streitkräfte von Rüstungsexporten aus den USA, aus Russland, aus China, aus Israel oder woher auch immer auf ein Mindestmaß reduziert wird bzw. bleibt.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wir müssen unsere eigene Rüstungsindustrie erhalten. Mit den lächerlichen Stückzahlen, die wir in Europa abnehmen, geht das eben nicht. Daher muss man die Bereitschaft haben, exportfähig zu sein bzw. zu bleiben; denn sonst findet man keine Partner mehr. Dann gibt es – auf gut Deutsch gesagt – niemanden mehr, der mit uns spielt.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es die europäischen Exportregeln, Herr Willsch!)
Für unsere französischen Partner ist es eine Selbstverständlichkeit, dass für die eigenen Streitkräfte entwickelte Rüstungsgüter im Nachgang auch an Verbündete und Drittstaaten exportiert werden können. Das Gleiche gilt für gemeinsam initiierte Rüstungsprojekte.
Klaus-Dieter Frankenberger kommentierte kürzlich in der „FAZ“:
Aber gerade in Frankreich rätselt man verwirrt bis verärgert darüber, was man von einem deutschen Partner halten soll, der bei jeder Gelegenheit das Hohelied von europäischer Zusammenarbeit anstimmt, darunter aber oft nur die Berliner Interpretation meint.
So geht Europa nicht.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Dann gibt es die europäischen Regeln!)
Das müssen wir einfach mal nüchtern zur Kenntnis nehmen, und dann müssen wir die Entscheidungen treffen. Das gilt auch für die, die in Sonntagsreden gerne so tun, als ob sie für eine gemeinsame europäische Verteidigung wären. Es geht nicht allein nach unseren Regeln. Wenn wir meinen, wir könnten die Regeln in diesem Spiel alleine bestimmen, dann werden wir alleine bleiben
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 2008 gibt es gemeinsame Regeln!)
und keine schlagkräftige Rüstungsindustrie mehr haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die französische Botschafterin verwahrte sich in ihrem Beitrag gegen den immer wieder von deutscher Seite kolportierten Vorwurf, die französische Genehmigungspraxis sei zu lasch. Das Gegenteil sei der Fall, schrieb sie. Doch Paris sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Deutschland dürfe diese nicht einfach auf andere abwälzen, auch nicht auf die Europäische Union. Dafür müssten – ich zitiere erneut –
sensible Informationen zu Ausrüstungen, die auch von unseren Streitkräften benutzt werden, in einem weiten Kreis verbreitet werden – Informationen, die, aus nationalen Sicherheitsgründen, vertraulich sind. Ein solches Szenario ist weder realistisch noch wünschenswert und würde die Unternehmen noch mehr unter Druck setzen, die bereits heute am stärksten von unseren Konkurrenten oder Widersachern ausspioniert werden.
Dass uns die französische Botschafterin noch nicht einmal durch die Blume, sondern ziemlich unverblümt vor einem „German-free“ bei multinationalen Projekten warnt, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.
Wir haben bereits jetzt eines der restriktivsten Rüstungsexportregime weltweit. Wir brauchen keine weiteren Verschärfungen. Wir brauchen vielmehr Mut, um auch nach außen unbequeme, aber in der Sache notwendige Entscheidungen zu treffen. Wir als Union stehen dafür.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Der nächste Redner: für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Robby Schlund.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7342173 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Rüstungsexporte an am Jemenkrieg beteiligte Staaten |