Volkmar KleinCDU/CSU - Status als Entwicklungsland
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte kann man schon sagen: Es sind sehr viele sehr gute Argumente dafür zusammengetragen worden, dass der hier vorliegende Antrag sinnvollerweise sicherlich nicht viel weiter zu behandeln ist. Dabei steht an einer Stelle sogar etwas Vernünftiges darin. Wenn als Philosophie „Hilfe zur Selbsthilfe“ genannt wird, dann klingt das gut; das ist auch gut. Eigentlich muss es uns genau darum gehen: Hilfe überflüssig zu machen. Es wäre eigentlich unser Traum, wenn es uns gelänge, durch Entwicklungszusammenarbeit unseren entwicklungspolitischen Beitrag irgendwann einmal überflüssig zu machen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das wird ein Traum bleiben!)
Die Frage ist nur, ob jetzt die hier genannten Länder, auf die sich dieser Antrag einschießt, diesen Status überhaupt haben. Indonesien, Pakistan, Südafrika und Indien haben diesen Status stellenweise schon – das kann man ja auch an vielen Beispielen sehen –; aber in ganz vielen anderen Bereichen haben sie ihn eben ganz sicher nicht. Abgesehen davon ist diese Auswahl ja auch ein bisschen eine zufällige. Es gäbe noch eine ganze Reihe von anderen Ländern, die sich möglicherweise durch diese Auswahl beleidigt fühlen. Ecuador ist in diesem Sinne auch kein armes Land mehr. Brasilien, Albanien – überall gibt es stellenweise tolle Entwicklungen. Die Frage ist nur: Was ist uns denn wichtig? Aus welchem Anlass, mit welcher Motivation wollen wir denn in diesen Ländern weiter tätig sein?
Vielen ist die ethische Dimension wichtig – das teile ich sehr –, als Gebot der Nächstenliebe dazu beizutragen, dass Menschen Perspektiven haben.
(Zuruf des Abg. Markus Frohnmaier [AfD])
Das ist schon eine ganz wichtige Motivation, die bei dem einen oder anderen und sicherlich auch bei dem Antragsteller eher im Hintergrund steht. Deswegen will ich das jetzt einmal beiseitelassen und überlegen: Was ist denn in unserem, im deutschen Interesse? Was ist denn für uns als Deutschland wichtig, und was ist für die Menschen in Deutschland wichtig? Da will ich einfach drei Punkte nennen:
Erstens – eben genannt – Jobs und Perspektiven und damit Sicherheit zum Beispiel in Pakistan. Sicherheit ist am Ende sehr im Interesse der Deutschen; denn wenn die Leute keine Perspektive und keine Jobs haben – das ist in Pakistan leider in großen Teilen des Landes gelebte Realität –, dann sind sie einfach leichte Beute für Terrorgruppen. Das heißt, es ist eben nicht im Interesse Deutschlands, wenn wir da tatenlos zuschauen, während sich Terror ausbereitet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn die Leute in Albanien zu wenig Jobs und Perspektiven haben, dann machen sie sich auf den Weg, um diese Jobs und Perspektiven woanders zu suchen. Auch das ist nicht im deutschen Interesse. Deswegen sage ich erstens: Für Jobs und Perspektiven in all diesen Ländern zu sorgen, dient am Ende der Sicherheit Deutschlands und ist im Interesse Deutschlands.
Herr Klein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Frohnmaier?
Ja.
Ich hätte eine Verständnisfrage. Das bedeutet dann, dass wir als Deutsche quasi global dafür verantwortlich sind, dass Menschen Ernährung, Bildung, Sicherheit, Perspektive haben. Sie als CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzen das ja auch schon mit Ihrem Programm „Perspektive Heimat“ um – Sie haben Albanien jetzt mehrfach angesprochen –, indem sie dort Migrationsberatungszentren bauen. Das sind quasi im Ausland stehende Arbeitsämter, die mit deutschen Steuergeldern betrieben werden. Würden Sie dem so zustimmen?
(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Welche Aufgaben müssen wir in Zukunft noch übernehmen? Ist es in Zukunft unsere Aufgabe als Deutsche und als Steuerzahler, global Verantwortung zu übernehmen?
Also, davon, dass Deutschland dafür verantwortlich ist, dass die Menschen in Pakistan oder in Albanien Jobs und Perspektiven haben, kann natürlich keine Rede sein; das habe ich auch nicht gesagt. Es ist aber in unserem Interesse, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten – die Möglichkeiten Deutschlands sind glücklicherweise groß – einen Beitrag leisten, damit sich am Ende weniger Terror ausbreitet und weniger armutsindizierte Migration stattfindet. Das ist in deutschem Interesse. Ich verstehe, dass Sie das nicht wollen, weil Sie dann kein Thema mehr haben.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD)
Der zweite Punkt. Waldschutz in Indonesien, aber auch in Brasilien – es wurde eben schon mal kurz gestreift –: Am Ende ist Wald auch für uns hier in Deutschland, für unser Klima wichtig, egal ob dieser Wald links und rechts des Rothaarsteigs bei mir in Siegen-Wittgenstein oder eben in den Regenwäldern am Amazonas oder in Indonesien ist.
(Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])
Es ist richtig, für Waldschutz einzutreten. Das ist im Interesse Deutschlands.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Dritter Punkt: Schwellenländer nach vorne bringen. Ich stelle in meiner sehr exportorientierten Region, aber auch in anderen Bereichen fest: Erfolgreiche Schwellenländer wie Brasilien sind für Jobs in Deutschland viel wichtiger als ganz Afrika. Wir haben weiterhin Interesse daran, Schwellenländern zu helfen, noch weiter nach vorne zu kommen. Ich finde es eine sehr interessante Vorstellung, dass man Wohlstand fördert, indem man Zollpräferenzen abbaut. Ich würde mir eine Welt wünschen, in der wir eher dazu beitragen, noch mehr Handelsbarrieren abzubauen, um die Grundlage für noch mehr Wohlstand in aller Welt, aber am Ende auch bei uns zu schaffen. Das wäre für Jobs in Deutschland wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Bernd Rützel [SPD])
Ich will den vorliegenden Antrag jetzt bestimmt nicht überhöhen. Aber wenn er konsequent umgesetzt wäre, dann würde er eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand unseres Landes bedeuten. Das wollen wir nicht. Deswegen werden wir solche abstrusen Ideen zwar im Ausschuss beraten, aber ganz sicher nicht mit positivem Ergebnis.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Warum, wenn man es vorher feststellt? Tolle Beratung!)
Lasst uns eher darüber nachdenken, wie wir die Wirksamkeit unserer Entwicklungszusammenarbeit weiter erhöhen. Das ist die entscheidende Frage. Da ist noch Luft nach oben. Mit dieser Frage sollten wir uns beschäftigen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7342254 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Status als Entwicklungsland |