05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 24

Marc JongenAfD - Jugend erinnert - Diktatur und Gewaltherrschaft

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Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Das eine ist die historische Wissenschaft, die sich bemüht, zu erforschen, wie es wirklich war – objektiv und ohne politische Einflussnahme oder erkenntnisfremde Zwecke. Dabei werden einfache Geschichtserzählungen zumeist zerstört oder dekonstruiert. Das andere ist die Gedächtnispolitik, die ein ganz anderes Ziel verfolgt, nämlich planmäßig ein historisches Narrativ zu entwerfen, das eine Nation, eine Gesellschaft auf eine ganz bestimmte Sinngebung und damit auf eine bestimmte Identität einschwört.

(Michel Brandt [DIE LINKE]: Welche denn?)

Beides ist für sich genommen legitim. Man sollte beides aber nicht miteinander verwechseln. Das heißt, Gedächtnispolitik ist immer Konstruktion, nicht im Sinne von historisch falsch; aber sie wählt gezielt aus, lässt anderes weg, erweckt bewusst diese Emotionen und nicht jene, ist extrem selektiv. Und es ist völlig klar, meine Damen und Herren, dass wir es beim vorliegenden Koalitionsantrag zum Bundesprogramm „Jugend erinnert“ mit Gedächtnispolitik, nicht mit historischer Wissenschaft zu tun haben.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Eine Unterstellung! – Marianne Schieder [SPD]: Unverschämtheit!)

Da ist es schon interessant, zu sehen, welche Aspekte unsere Regierung aus der deutschen Geschichte herausgreift, welche jeder jungen Generation als identitätsstiftende Kollektiverinnerungen einpflanzt werden sollen. Es sind ausschließlich negative Aspekte, meine Damen und Herren. Wichtig ist der Regierung vor allem – und der linksgrünen Pseudoopposition ja umso mehr –, an Diktatur und Gewaltherrschaft auf deutschem Boden zu erinnern.

(Beifall bei der AfD)

Ihr Antrag schwelgt geradezu in der Aufzählung von Verbrechen im deutschen Namen:

(Marianne Schieder [SPD]: Weil es sie gab!)

systematische Umsiedlung, Vertreibung, Vernichtung, Zwangsarbeit, Rassismus. Ja, natürlich, das NS-Regime hat all das verbrochen. Und ja, richtig, auch die DDR war ein Willkür- und Unrechtsstaat, wie Sie schreiben.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt: „aber“?)

Aber was ist denn die Wirkung auf die Jugend, wenn ihr fast ausschließlich und immer noch intensiver diese Verbrechen vor Augen geführt werden? Die Wirkung, meine Damen und Herren, ist doch ganz klar die, dass die Jugend systematisch zu Schuld und Scham über ihr Deutschsein erzogen wird,

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das ist Quatsch! Es geht um Aufklärung!)

dass sie lernt, mit Deutschland Negatives, ja Böses zu assoziieren, und dass sie lernt, sich an einen Gedanken zu gewöhnen: Deutschland hat eigentlich kein historisches Lebensrecht.

(Marianne Schieder [SPD]: Um Gottes willen! – Dagmar Ziegler [SPD]: Oh Gott! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Heftig, was Sie hier vom Stapel lassen!)

Es ist gut, wenn Deutschland verschwindet. Besser ist es, andere nehmen hier unseren Platz ein. – Das ist doch die eigentliche Absicht dieser Form von Gedächtnispolitik. Und wo nicht die Absicht, dann doch die Wirkung:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Absicht?)

Sie ist darauf ausgelegt, den Daseinswillen der Deutschen als Volk und Nation zu brechen, und sie ist damit schon erschreckend weit vorangeschritten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Denn eines ist doch ganz klar: Ohne eine positive Referenz auf die eigene Geschichte in der kollektiven Erinnerung kann kein Volk auf die Dauer Bestand haben. Ein ausschließlich negatives Selbstbild, wie es hierzulande schon seit Jahrzehnten kultiviert wird, ist wie ein psychisches Gift, das schleichend zum Tod des Patienten führt.

(Beifall bei der AfD – Dagmar Ziegler [SPD]: Ich glaube, das Gift haben Sie eingenommen! – Marianne Schieder [SPD]: Das, was Sie da erzählen, ist Gift!)

Sie meinen vielleicht, es ist eine Medizin. Aber warum sollte es denn nötig sein, die Jugend durch Schocktherapie in KZ-Besuchen und ähnlichen Einrichtungen

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das gibt es doch nicht! Das ist ekelhaft! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Unglaublich, was Sie hier sagen! Sie wollen die Geschichte umschreiben, oder was? Geschichtsrelativierung, was Sie hier sagen! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Raus aus dem Bundestag! – Katja Suding [FDP]: Geschichtsvergessen!)

permanent vor einer möglichen Wiederholung dieser Verbrechen zu warnen? Doch nur dann, wenn man die jungen Leute als potenzielle Mörder und Verbrecher sieht, die man vor dem Bösen in sich selbst erschrecken muss.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Weil wir Verantwortung haben vor unserer Geschichte!)

Wir haben ein positiveres Bild von unserer Jugend, als es in diesem düsteren Gedächtniskult aufscheint. Wir glauben, es geschähe nichts Böses, wenn die jungen Leute lernten, ihre Heimat zu lieben, anstatt sie zu hassen, wenn sie nicht dazu erzogen würden, als Linksjugend auf den Straßen „Deutschland verrecke!“ zu skandieren.

(Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und da wundern Sie sich! Das ist dieses ganze pseudointellektuelle, rechte, identitäre Zeug, das Sie hier verbreiten!)

Wie sehr diese Gedächtnispolitik eigentlich dazu dient, ideologische Machtpolitik zu betreiben, lernt man aus Punkt III, Unterpunkt 1 b Ihres Antrags, wo Sie fordern, es sollen – Zitat –

Bezüge zu aktuellen Fragen von Minderheitenrechten und Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (wie Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit oder Klassen­ideologie)

hergestellt werden. Hier wird doch die Katze aus dem Sack gelassen.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Ist das eine Rede der Identitären Bewegung hier im Parlament?)

Schon die Jugend soll lernen: Wer Kritik am Islam äußert, wer nicht jede Minderheit so kritiklos zu vergöttern bereit ist, wie die politische Korrektheit es will, auf dem schwebt der drohende Schatten der NS-Terrorherrschaft,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein ganz gefährlicher Weg, den Sie hier gehen!)

der ist schon auf dem besten Weg zum Nazi,

(Thomas Hacker [FDP]: Sie sind schon längst dort!)

der soll es sich besser dreimal überlegen, seine Meinung frei zu äußern.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben anscheinend gar nichts gelernt! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Ich schenke Ihnen mal ein Geschichtsbuch! Das wäre hilfreich!)

So erzieht man die Jugend zur geistigen Unfreiheit, zu Angst und Schuldkomplexen, und das im Namen der Opfer von Diktatur und Gewaltherrschaft – welch bittere Ironie der Geschichte, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der AfD – Dagmar Ziegler [SPD]: Seit wann sind Sie eigentlich eingebürgert in Deutschland?)

Die AfD – ich komme zum Schluss – will die Verbrechen des NS-Regimes auch nicht vergessen lassen,

(Katja Suding [FDP]: Doch! Das wollen Sie wohl! Geben Sie es doch einfach zu! Schämen Sie sich! – Thomas Hacker [FDP]: Das haben Sie deutlich gemacht! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch deutlich gemacht, wo da Ihre Interessen liegen!)

auch die der DDR nicht. Aber im Zentrum unserer Gedächtnispolitik müssen die hellen, die lichtvollen Seiten der deutschen Geschichte stehen, und daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wurde doch deutlich, welch Geistes Kind Sie sind! Geschichtslos! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Marianne Schieder.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342260
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Jugend erinnert - Diktatur und Gewaltherrschaft
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